Aussage gegen Aussage:Polizist wegen Vergewaltigung angeklagt

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Ein Ausbilder soll die 15-jährige Schwester seiner Freundin missbraucht haben - der Angeklagte bestreitet das vehement.

Alexander Krug

Einer von beiden lügt, so viel steht fest. Die Frage ist nur: wer? Ist es der Polizist Oliver H., 30, angeklagt wegen Vergewaltigung der 15-jährigen Marion. Oder ist es das Mädchen, das sich in eine Geschichte verstrickt hat, aus der es nicht mehr herausfindet?

Das Amtsgericht versucht seit Donnerstag, der Wahrheit in diesem Fall auf die Spur zu kommen. Dabei geht es für den mutmaßlichen Täter und das mutmaßliche Opfer um viel: Für Oliver H. steht seine Karriere auf dem Spiel, für die Schülerin und ihre Familie bräche wohl eine Welt zusammen.

Oliver H. war Ausbilder bei der Bereitschaftspolizei in Dachau. Seit Dezember vergangenen Jahres ist er vom Dienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in einer Münchner Wohnung das Mädchen gegen dessen Willen und unter Einsatz von Gewalt sexuell bedrängt zu haben.

Der Angeklagte bestreitet dies vehement und wortreich. Im Kern zielt seine Version darauf ab, das Mädchen als frühreife Lolita darzustellen, die sich freiwillig mit ihm einließ.

Minutiöse, entnervende Schilderung sämtlicher Details

Vor zwei Jahren ging Oliver H. mit einer Kollegin eine Beziehung ein, kurze Zeit später bezogen sie gemeinsam eine Wohnung in Aubing. Im Laufe der Zeit entwickelte sich laut dem Angeklagten auch ein "sehr vertrautes Verhältnis" zu der 15-jährigen Schwester der Freundin. Sie habe bald mit ihm geflirtet, behauptet Oliver H. und den "körperlichen Kontakt" gesucht.

An einem Wochenende im Februar vergangenen Jahres kam Marion zu Besuch in die Wohnung, um auf den Hund des Paares aufzupassen. Als die Freundin am Morgen zum Skifahren ging, sei das Mädchen in sein Zimmer gekommen, es habe sich auf sein Bett gesetzt und angefangen, ihn zu massieren.

Danach, so Oliver H., habe er sie "verwöhnt" und schließlich habe man sich gegenseitig oral befriedigt. Das Ganze habe "stundenlang" gedauert, behauptet der Angeklagte, der kein Detail bei dieser Schilderung auslässt und minutiös jede Einzelheit schildert.

"Das ist ja bald nicht mehr zu ertragen", rutscht es der Richterin schließlich heraus. Zumal Oliver H. noch nicht am Ende seiner Darstellung ist. Am Sonntag nämlich habe sich Marion erneut mit ihm vergnügt, wieder ging es "stundenlang". "Wir waren sehr eingespielt", sagt er. Später hätten beide "Gewissensbisse" bekommen und sich darauf geeinigt, kein "sexuelles Verhältnis" mehr zu pflegen.

Dass es zur Anzeige und zur Anklage kam, schiebt der Angeklagte "innerfamiliärem Druck" zu, dem das Mädchen ausgesetzt sei. Er habe sich im April vergangenen Jahres von seiner Freundin getrennt und sei im Juni aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Irgendwann habe Marion dann ihrer Schwester alles gebeichtet und als Vergewaltigung hingestellt.

Ob er es denn charakterlich nicht schäbig finde, eine Affäre mit der Schwester der Freundin zu haben, fragt ein Schöffe. "Es ist halt passiert", sagt Oliver H. schulterzuckend, "es war ja nicht geplant."

Der Staatsanwalt hat für die Aussage nur einen knappen Kommentar übrig: "Ihre Einlassung klingt wie ein schlechter Film."

Wenig schmeichelhaftes Gebaren

Wenig schmeichelhaft ist auch, was eine Dienstkollegin als Zeugin über Oliver H. berichtet. Sie habe damals gerade einen neuen Freund gehabt, und der Angeklagte habe daraufhin im Büro gesagt, jetzt werde sie wohl zur "sexuellen Drecksau".

Ein anderes Mal sei er auf einem Bierfest auf ihre Freundin zugegangen und habe gerufen, "haltet mich fest, sonst muss ich sie vergewaltigen".

Alles nur ein Scherz, winkt Oliver H. ab. "Er kapiert schon, dass das geschmacklose Äußerungen sind", greift sein Anwalt Steffen Ufer ein. Doch hier gehe es letztlich nicht um Moral, sondern um Schuld oder Unschuld. Als nächste Zeugin wird Marion aufgerufen, die mit verweinten Augen den Saal betritt.

Das Gericht beschließt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Der Ausgang des Verfahrens steht und fällt mit ihrer Glaubwürdigkeit, deshalb sind auch zwei Gutachter geladen. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 9.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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