Ausgehen mit Kindern:Kleine Kunden

Einige Münchner Lokale stellen sich erfolgreich auf die ganz junge Zielgruppe ein.

Franz Kotteder

Wenn Jakob und Lion ausgehen, muss sich etwas rühren. Candlelight-Dinners mit gedämpfter Klavierbegleitung sind bestimmt nicht ihr Ding; am liebsten sind sie sowieso mit Leuten ihres Alters zusammen und lassen die Puppen tanzen. Da wird dann schon lautstark debattiert, und gelegentlich fliegen auch mal Dinge durch die Gegend. Das alles geschieht zwar meist in freundschaftlicher Atmosphäre, aber ein bisschen Bewegung möchte schon sein.

Ausgehen mit Kindern: Haustiere und Herumtoben erlaubt: Im Café Gollier regt sich keiner auf, wenn kleine Kinder mit ihren Hunden auf dem Boden herumrobben. Oft lässt sich der Nachwuchs auch im Spielzimmer bespaßen, sodass die Eltern beim Essen etwas mehr Ruhe haben.

Haustiere und Herumtoben erlaubt: Im Café Gollier regt sich keiner auf, wenn kleine Kinder mit ihren Hunden auf dem Boden herumrobben. Oft lässt sich der Nachwuchs auch im Spielzimmer bespaßen, sodass die Eltern beim Essen etwas mehr Ruhe haben.

(Foto: Heddergott)

Man sieht, Jakob und Lion sind sehr anspruchsvolle Gäste, was sicher auch an ihrem Alter liegen mag. Die beiden sind zweieinhalb Jahre alt.

Es gibt nicht eben viele Lokale in München, die sich auf Kundschaft in dieser Altersgruppe eingestellt haben. Eines davon ist das Gollier im Westend, in der Gollierstraße 83. Eigentlich handelt es sich um ein vegetarisches Lokal, das vor gut 15 Jahren in eine altbayerische Wirtschaft eingezogen ist und jetzt so eine Art Nachbarschaftskneipe darstellt.

Vor zehn Jahren etwa kam der Wirt John Schmitt auf die Idee, in einem kleinen Nebenzimmer eine Spielecke einzurichten. Seitdem ist das Lokal ein Anziehungspunkt für Familien geworden. "Das Kinderzimmer ist immer geöffnet", sagt Schmitts Stellvertreterin Andrea Ruppert, "besonders am Sonntagabend kommen viele mit ihren Kindern. Die sind da gut untergebracht; die Leute schätzen das natürlich. Wir haben dort Spielzeug für alle Altersgruppen."

Hinzu kommt: Der Koch im Gollier ist recht kinderlieb und zeigt den Kleinen gern mal was in der Küche. Der Hit im Lokal ist aber der Familien- und Kinderbrunch am Sonntagvormittag.

Oase für Familien

Da zahlen Erwachsene neun Euro, Kinder bis zu drei Jahren gar nichts (zwischen drei und sechs Jahren drei Euro, darüber 6,50 Euro) und können sich dann den Magen voll schlagen am Buffet: mit Rührei, Früchten, Joghurt, Brot und diversem Gebäck.

Dementsprechend voll ist das Gollier an diesen Tagen, und Vorbestellen ist ratsam.Lange Zeit war das Gollier mit seinem Kinderzimmer eine Oase für Familien in der Stadt. Münchens Wirte, so schien es zumindest, hatten kein Herz für Kinder.

Was unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten beinahe verständlich ist. Denn Kinder sind eigentlich der Schrecken schlechthin für den effizienten Gastronomen. Kinder kleckern, zerren an Tischdecken, verschütten dauernd ihre Getränke, laufen den Kellnern zwischen den Beinen herum.

Kinder quengeln, Kinder haben Sonderwünsche, Kinder machen Lärm. Kurzum: Kinder heben nicht unbedingt den Umsatz, machen aber viel Arbeit.

Auch für Eltern ist das Ausgehen mit Kindern - sofern überhaupt möglich, weil der Nachwuchs ja zeitig ins Bett soll - nicht das reine Vergnügen. Es sei denn, sie lieben es, in einem Lokal binnen weniger Minuten alle Blicke auf sich zu ziehen, insbesondere auch jene, die töten könnten. Kinder neigen nicht zur gepflegten Konversation, sitzen nicht den ganzen Abend ruhig da und befleißigen sich auch selten jener Manieren, die man zu den Errungenschaften einer elaborierten Tischkultur zählen kann.

Angriff ist die beste Verteidigung

Eltern, die nicht unbedingt auffallen wollen, stellen deshalb das Auswärts-Essen vorübergehend ein und nehmen Nahrung nur noch zu sich, wenn sie die Haustür von innen geschlossen haben.

Oder sie verhalten sich nach dem Grundsatz: Angriff ist die beste Verteidigung. Sie betreten auch bessere Restaurants mit einem Blick, den Clint Eastwood in seinen schlechtesten Filmen beim Showdown nicht besser hingebracht hätte.

Sie setzen sich aggressiv an einen Tisch in der Mitte des Lokals und lassen die Kinder fortan all das tun, was die zuhause nicht dürfen - kleckern, schreien, mit Essen schmeißen und so weiter. Wehe, ein Gast wagt es, sich zu beschweren. Dann ist der Kinderfeind geortet und die Stimmung im Lokal dahin.

Wer nicht solchen Extremen zuneigt, dem bleiben immerhin noch ein paar Tagescafés in der Nachbarschaft, der Tierpark, der Italiener um die Ecke, wo man erfahrungsgemäß besonders nett zu dem Nachwuchs der Kundschaft ist und wo auch die Speisekarte mit Nudeln oder Pizza stimmt (wenn es nicht gerade ein Nobelitaliener ist).

Oder man wählt eine Filiale der großen Fastfood-Ketten McDonald's und Burger King, die ja zu einem erheblichen Teil von jungen Gästen leben und sogar ganze Kindergeburtstage erfolgreich ausrichten.

Ein Wirt baut um

Schließlich gibt es natürlich noch spezielle Einrichtungen, die von Haus aus auf Kinder eingestellt sind. Im Mütterzentrum Sendling in der Brudermühlstraße 42 beispielsweise gibt es ein schönes Café mit Spielecke, ebenso bei jenem Verein mit dem etwas wunderlichen Namen "Zentrum für natürliche Geburt" in der Häberlstraße 17 a, wo sich Mütter und gelegentlich auch Väter tagsüber oder zum Mittagessen mit ihren Kleinen treffen können.

Und da es sich um soziale Einrichtungen handelt, sind die Preise in zivilem Rahmen.Die nach wie vor beliebtesten Familienalternativen aber sind eine Schönwetterveranstaltung: die Münchner Biergarten.

Den ganzen Sommer über sind sie voll mit Kindern und ihren Eltern, weil hier das Ausgehen eben unkompliziert ist und die Kleinen ihren Spaß haben können, ohne dass der Wirt gleich die Augenbrauen hochzieht.

Im Gegenteil: Immer mehr Biergartenbetreiber haben in den letzten Jahren erkannt, dass gerade Familien Umsatz bringen. Sie haben ihre Freiluftgehege mit Spielgeräten aller Art bestückt, auf dass der Nachwuchs einen Grund habe, die Erwachsenen gerade in diesen Biergarten und nicht in einen anderen zu lotsen.

Und siehe da: Es scheint zu funktionieren. Die Waldwirtschaft ist da ein besonders gutes Beispiel unter mehreren.

So ist es eigentlich erstaunlich, dass bisher anscheinend erst einer die richtigen Schlüsse daraus zog. "Unser Biergarten mit 2000 Plätzen war im Sommer immer voller Familien", erzählt Wirt Günter Steinberg vom Hofbräukeller am Wiener Platz, "und im Winter kamen die nie ins Lokal. Da dachten wir uns: Es muss auch hier im Haus etwas für Kinder her."

Steinberg sagt, er sei erst skeptisch gewesen, als der Vorschlag kam, einen Nebenraum von rund 60 Quadratmetern zum Spielzimmer umzubauen: "70 oder 80 Sitzplätze aufgeben, das macht man als Wirt nicht so einfach." Machte er dann aber doch und ist heute, 14 Monate später, recht froh darüber.

Viel mehr Familien kämen jetzt in die Traditionsgaststätte, vor allem auch am Vormittag, am Nachmittag und an den Wochenenden.

Steinberg hat extra zwei Betreuerinnen eingestellt, die sich abwechselnd um die Kinder kümmern. Einige Gäste, berichtet Steinberg, hätten sich zwar gestört gefühlt durch die vielen Kinder und seien weggeblieben; der Zuwachs an Familien aber "gleicht das mehr als aus".

Eine neue Zielgruppe

Und so wuseln an manchen Wochenenden an die 30 Kinder in dem blau gestrichenen Spielzimmer, sitzen an Brettspielen, toben an der Kletterwand oder sehen sich Zeichentrickfilme an, während ihre Eltern bei Schweinsbraten und Weißbier sitzen.

Demnächst soll der Service noch verbessert werden, mit speziellen Kinderspeisekarten, auf denen die Gerichte gemalt sind, "weil die Kinder ja noch nicht lesen können", mit eigenen Lätzchen und Tischsets.

Es scheint also, als ob manche Münchner Wirte langsam eine neue Zielgruppe entdecken. Natürlich: Viele Gaststätten, auch gehobene Restaurants, haben Kinderstühle für die ganz Kleinen und führen spezielle Kinderteller auf der Speisekarte. Bis sich die Idee durchgesetzt hat, wird es aber wohl noch eine Weile dauern, und so lange gehen Jakob und Lion eben brunchen oder vegetarisch und bayerisch essen.

Oder besuchen jene kinderfreundlichen Lokale, die als Geheimtipps unter Familien kursieren. Wie zum Beispiel der Lindenwirt in der Grünwalder Zeillerstraße 5. Dort gibt es nicht nur ein eindrucksvolles Buffet mit hausgemachten Kuchen, die bei kleinen Kunden ganz besonders gut ankommen, sondern auch ein Wirtsehepaar in Gestalt von Friederike und Bernd Kühner, die eine Schwäche für ganz junge Gäste haben.

Und dann sind da noch die Kinder der beiden, die gerne mal den ganz Kleinen beim Schaukeln im Garten helfen. Aber, wie gesagt, das ist nur einer von den Geheimtipps, wie sie unter Münchens Familien halt so kursieren.

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