Ausbau des Museums "Mensch und Natur":Wo Steine sprechen können

Neue Räume für Saurier und Mollusken: Das Gebäude in Nymphenburg könnte ab 2015 erweitert werden.

Wolfgang Görl

Das Museum "Mensch und Natur" in Nymphenburg soll erheblich erweitert werden. Dazu hat die Museumsleitung eine Projektskizze erstellt, derzufolge eine Verdoppelung der Ausstellungsfläche vorgesehen ist. Der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) hat bei der Eröffnung der Sonderausstellung "Korallenriffe" am Donnerstagabend zugesagt, sich für das Projekt "nachhaltig einzusetzen".

Museum Mensch und Natur

Abtauchen zu den Korallenriffen: Zumindest für eindrucksvolle Sonderausstellung "Abgetaucht" (bis 17. Januar 2010) reicht der Platz im Museum "Mensch und Natur".

(Foto: Foto: Robert Haas)

Läuft alles wie geplant, könnte der Ausbau spätestens 2015 beginnen. Bis dahin hätte sich die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) gänzlich aus dem Nachbargebäude an der Maria-Ward-Straße zurückgezogen, die leerstehenden Räume könnten für den Museumsbetrieb umgebaut werden. Denkbar wäre auch, einen Neubau zu errichten. Noch aber hat sich das bayerische Kabinett nicht mit der Sache befasst, und noch ist offen, ob der Finanzminister Geld zur Verfügung stellt. "Wir stehen ganz am Anfang", sagt Heubisch.

"Es ist eine Jahrhundertchance", sagt Gerhard Haszprunar, der Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB). Eine Art naturkundliches Zentrum schwebt ihm vor: hier das erweiterte Museum "Mensch und Natur" und gleich daneben der Botanische Garten - eine doppelte Verlockung für naturwissenschaftlich interessierte Menschen. Dabei braucht sich Michael Apel, der Leiter des Museums, über einen Mangel an Besuchern nicht zu beklagen. Rund 220.000 sind es jährlich, und damit gehört sein Haus zu den am besten besuchten Naturkundemuseen in Deutschland.

Nur größer sollte es sein. Lediglich 2500 Quadratmeter Ausstellungsfläche hat er zur Verfügung, das ist wenig gegenüber der Konkurrenz. Das Staatliche Naturkundemuseum Stuttgart etwa präsentiert seine Schätze auf 7400 Quadratmetern, auch das Berliner Museum für Naturkunde Berlin rangiert mit 6500 Quadratmetern weit vor den Münchnern. Museumsleiter Apel will diesen Rückstand aufholen: "Eine weitere Entwicklung des Museums "Mensch und Natur" ist nur bei einer substantiellen Verbesserung der räumlichen Situation denkbar, um auch flächenmäßig in der 1. Liga der naturkundlichen Museen Deutschlands zu spielen."

Interessante Exponate gebe es genug, doch könne "aus der Fülle des in den verschiedenen Staatssammlungen aufbewahrten Naturerbes vieles nicht gezeigt werden, was eigentlich gezeigt werden müsste".

Nun also die "Jahrhundertchance", und die verdankt man der LMU. Die Uni-Fachbereiche Genetik und Mikrobiologie, die an der Maria-Ward-Straße Forschungseinrichtungen unterhielten, sind ins Biozentrum Martinsried umgezogen. Damit wird eine Immobilie frei, die unmittelbar an das Museum grenzt. So ganz hat sich die Universität allerdings noch nicht aus Nymphenburg verabschiedet.

Haszprunar zufolge erwägen die LMU-Wissenschaftler noch eine Zwischennutzung spätestens bis zum Jahr 2015. Danach aber könnte man loslegen, könnte endlich die Fesseln sprengen, die das Museum "Mensch und Natur" seit seiner Eröffnung 1990 beengen. Die Unterbringung im Nordflügel des Schlosses war ja allenfalls die zweitbeste Lösung, viel lieber hätten die Museumsleute einen Neubau im großen Stil gehabt - aber daraus wurde nichts.

Jahrzehnte des Stillstands

Dies alles ist Teil einer langen Geschichte, die Anfang des 19.Jahrhunderts mit dem Naturkundemuseum im sogenannten Wilhelminum (Alte Akademie) in der Neuhauser Straße begann. 1944 wurde das Gebäude bei einem Bombenangriff fast komplett zerstört, ein Großteil der Sammlungsbestände ging dabei verloren. Zwar wurde das einstige Jesuitenkolleg nach dem Krieg wieder aufgebaut, für das Museum aber gab es keine Rückkehr. Nach Jahrzehnten des Stillstands erhielten die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns im Jahr 1970 den Auftrag, ein neues Naturkundemuseum zu projektieren.

Große Pläne machten die Runde: Auf dem südlichen Oberwiesenfeld sollte ein Neubau mit 10000 Quadratmetern Ausstellungsfläche entstehen, dazu Werkstätten und ein großzügig bemessener Servicebereich. Den 1980 ausgeschriebenen Architektenwettbewerb gewann das Kopenhagener Büros Dissing und Weitling. 120 Millionen Mark hätte der Neubau gekostet - eine Summe, die der Freistatt nicht lockermachen wollte. Stattdessen kam man auf die Idee, das Museum "vorläufig" in dem Nordflügel des Nymphenburger Schlosses unterzubringen.

Die Notlösung bot sich an, weil die Zoologische Staatssammlung den betreffenden Gebäudetrakt gerade geräumt hatte. Immerhin, die naturkundliche Sammlung hatte wieder eine Heimat, ja sogar einen Museumsbau, denn es handelt sich just um jenes Gebäude, das der Nazi-Scherge Christian Weber als Deutsches Jagdmuseum errichten ließ.

Für einen modernen Museumsbetrieb fehlt es jedoch hinten und vorne. Nicht nur das bescheidene Ausmaß der Ausstellungsfläche beklagt Michael Apel, es gibt auch noch andere Mängel: Funktionsflächen fehlen, ebenso museumspädagogische Arbeitsräume, die Werkstätten sind provisorisch in einer Villa an der Menzinger Straße untergebracht, man hat keinen Lastenaufzug, auch können große Exponate nicht direkt ins Haus geliefert werden.

Überdies ist der Raum zu knapp, um große Sonderausstellungen zu präsentieren. Gerne hätte Apel den Münchnern die Dinosaurier-Ausstellung "Giganten Argentiniens" gezeigt, das entsprechende Angebot hatte er - aber nicht die Räumlichkeiten. Wer die gewaltigen Saurierskelette sehen möchte, muss nach Rosenheim fahren. Im dortigen Lokschuppen gastiert die Monster-Schau noch bis zum 25.Oktober.

Das soll in Zukunft nicht mehr vorkommen, hofft Apel. Allerdings sind noch etliche Hürden zu überwinden, vor allem die Finanzierung könnte zum Problem werden. Generaldirektor Haszprunar schätzt die Kosten auf 40 bis 50 Millionen Euro. Und mit Blick auf die staatlichen Beiträge für Kunstmuseen und Konzertsäle sagt er: "Wir fordern eine Gleichberechtigung von Naturwissenschaften und Kunstbereich."

Danach ist man schlauer

Im Übrigen hält es Haszprunar "für das Gescheiteste", die Unigebäude an der Maria-Ward-Straße, die aus den Jahren 1970/71 stammen, abzureißen und einen Neubau zu errichten. Die Denkmalpfleger, versichert er, hätten gegen diese Pläne keine grundsätzlichen Bedenken, Gleiches gelte für die Schlösserverwaltung.

Was ein gut ausgestattetes naturkundliches Museum so wichtig macht, liegt für Haszprunar ebenso auf der Hand wie für Museumsleiter Apel: In Zeiten des Klimawandels und der Bedrohung der menschlichen Lebensgrundlagen kann es dazu beitragen, das Bewusstsein für die ökologischen Zusammenhänge zu schärfen. Was das betrifft, hat das Museum "Mensch und Natur" schon heute einiges zu bieten.

Jeden kann es treffen

Es gewährt Einblicke in die Bio-, Geo- und Humanwissenschaften, man erfährt Wissenswertes über Mineralogie, Geologie, Paläontologie, Evolution, Zoologie oder Ökologie. Multimediale und interaktive Präsentationsformen erleichtern das Verständnis der oft höchst komplexen Forschungsergebnisse, man kann Knöpfe drücken oder Steine zum Sprechen bringen, und danach ist man in jedem Fall schlauer.

Das alles aber könnte man noch besser machen, meint Apel. Für den Fall der Erweiterung hat er große Pläne; und immer geht es darum, Zusammenhänge begreiflich zu machen. Noch ausführlicher als bisher sollen etwa die dynamischen Prozesse des Systems Erde behandelt werden. Wie verlaufen die Stoff- und Energiekreisläufe, welche atmosphärischen Phänomene treten auf, und wie wirkt sich das alles auf die Menschen aus? Erdbeben, Vulkanausbrüche, Unwetter - jeden kann es treffen.

Und was lernen wir beim Blick in die Urzeit? Einiges über die Evolution, etwa beim Betrachten von Saurierskeletten: Wie diese Giganten einst die Erde beherrschten, und wie sie wieder verschwanden. Apel würde gerne die 30 Meter lange Skelettkopie des Dinosauriers Diplodocus im seinem Museum zeigen, die heute in den Magazinräumen der Paläontologie liegt. Noch nie ist das Gerippe ausgestellt worden, seit es vor knapp 100 Jahren als Geschenk des amerikanischen Museumsmäzens Carnegie nach München gelangt war.

Und für ganz besonders bedeutsam hält der Museumsleiter das Thema Biodiversität. Die Bestände der Zoologischen Staatssammlung - Schmetterlinge, Käfer, Mollusken, Vögel, Säuger und andere - könnten als Grundlage dienen, um die Artenvielfalt und evolutive Vorgänge exemplarisch zu veranschaulichen. Was die Geschichte der Menschheit angeht, schwebt Apel unter anderem vor, mit Originalfunden aus Bayern "steinzeitliches Leben" zu illustrieren. Das alles ginge nur, wenn die Raumnot behoben wäre: "Ich kann den Klimawandel nicht in einem kleinen Zimmerchen abhandeln", sagt Apel.

Noch gründlicher als bisher sollen die Besucher in Zukunft erfahren, was die Natur im Innersten zusammenhält und welche Rolle der Mensch dabei spielt. "Die Thematik wird in den nächsten Jahren noch bedeutsamer werden", prophezeit Haszprunar. Es sei traurig, wenn nicht gar fatal, dass Kinder heutzutage allenfalls sechs Singvogelarten identifizieren könnten. Wie sollen sie dann merken, wenn eine Art für immer verschwindet? "Was ich nicht kenne, vermisse ich auch nicht", sagt Haszprunar. "Das Nichtwissen mündet in Wurschtigkeit."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: