Augsburg:Gruselfund aus der untersten Schublade

Das Augsburger Maximilianmuseum zeigt düstere Propaganda-Medaillen aus dem Ersten Weltkrieg - und einen Lichtblick

Von Stefan Mayr, Augsburg

In der zweiten Etage des Augsburger Maximilianmuseums sind in den nächsten Monaten allerlei Silber-Geschirr und Goldmünzen ausgestellt. Sie zeigen die Bedeutung der ehemaligen Reichsstadt als Heimat der Goldschmiedekunst, fein ziseliert, kostbar, wunderschön anzusehen. Wer dann aber den Schauraum betritt, der stößt auf ein heftiges, morbides Kontrastprogramm. "Blutgeld" heißt die neue Sonderausstellung. Sie zeigt vor allem schwarze, schwere Medaillen, die als blutrünstiges Propaganda-Material für den Ersten Weltkrieg dienten.

Die Medaillen wurden zufällig im Depot in der untersten Schublade gefunden. Die Städtischen Kunstsammlungen nehmen den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges zum Anlass, die Arbeiten aus der namhaften Berliner Werkstatt Robert Ball zu zeigen. Medaillen? Das klingt nach glänzenden, prächtigen Schmuckstücken, die jemandem für besondere Leistungen verliehen werden. Diese Teile sind das Gegenteil: schwarze Eisenscheiben, dick wie Brotscheiben, groß wie Handteller, jede fast ein Pfund schwer. Mit so einem Mordstrumm kann man Menschen erschlagen. Man muss diese Teile aus "geschwärztem Eisen" nicht schön finden. "Sie müssen bezwungen werden", sagt Museumsleiter Christoph Emmendörffer. Ohne Zweifel sind die Medaillen spannende und somit sehr wohl sehenswerte Bilder ihrer Zeit. Jedes Stück ein entlarvendes Zeugnis nationaler Hybris. "Sie haben eine spezielle Ikonografie", sagt Emmendörffer, "und sie sind vollkommen verlogen."

Eine verlorene Wasserschlacht, bei der alleine 2000 deutsche Soldaten ersoffen, wird auf der Gedenkmedaille dargestellt mit dem Datum des Untergangs, einem gewellten Meer, einem Sonnenuntergang und drei flatternden Möwen. Die Vögel symbolisieren die Seelen der gefallenen Admiräle. Und die anderen Opfer? Egal. Auf einer anderen Plakette steht: "Die Bayern mit dem Löwenmut." Abgebildet ist ein Infanterist, der mit seinem Gewehr auf den Feind eindrischt.

"Das waren keine Orden, keine Zahlungsmittel, keine Auszeichnungen", betont Emmendörffer. "Es waren Schaumünzen." Die Medaillen wurden für 15 Mark das Stück verkauft. Wohlhabende Zeitgenossen erwarben sie zur eigenen Erbauung und zum Herzeigen. 1917 wurde die Serie allerdings eingestellt. Ein Jahr vor Kriegsende hatten offenbar selbst die reichsten und nationalistischsten Deutschen anderes im Sinn als geschwärzte Eisenscheiben zu kaufen.

Das Weltkriegs-Gruselkabinett bietet aber auch einen Lichtblick. Bert Brecht. Augsburgs berühmtester Sohn war bei Kriegsausbruch gerade einmal 16 Jahre alt. Der Jüngling war einer der wenigen, die auf die Propaganda der Kriegstreiber nicht hereinfielen. Als er 1916 einen Schulaufsatz über den Horaz-Spruch "Süß und ehrenhaft ist es, für das Vaterland zu sterben" ("Dulce et decorum est pro patria mori") schreiben sollte, lautete sein Kommentar: Nur "Hohlköpfe" könnten das ernst nehmen. Diese These hätte Brecht beinahe den Rauswurf aus der Schule eingebracht. Auch später schrieb Brecht massiv gegen den Krieg und dessen Verherrlichung an. Nicht zuletzt mit seiner Legende vom toten Soldaten, die 1918 entstand.

Was weniger Menschen wissen: Der junge Brecht dichtete auch Verse für Postkarten der Kriegsfürsorge, in denen er um Spenden bat. "Gar viele Tausend zogen hinaus, für's Vaterland sie starben/ und ließen Weib und Kind zuhaus, die müßten jetzt darben, die müßten jetzt hungern, wenn Dir nicht, mein Volk, die Dankbarkeit nun Ehrenpflicht." Es sind Zeilen, die gleich in mehrfacher Hinsicht in die Grusel-Ausstellung passen.

Maximilianmuseum Augsburg, Fuggerplatz 1, bis 30. August, Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Eintrittspreise (nur Sonderausstellung): Erwachsene 2 Euro, ermäßigt 1,50 Euro, Kontakt/Führungsbuchung: 0821/324 41 12

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