Auf Wahl-Fang:Das Politische im Privaten

Lesezeit: 2 min

Klingelputzen, aber nicht zu aufdringlich: Dominik Lehmann. (Foto: Florian Peljak)

Wie die Bundestagskandidaten um Stimmen werben. Heute: der Haustürwahlkampf

Von Anna Hoben

Ferienzeit, bestes Wetter: Es gibt günstigere Bedingungen für den Haustürwahlkampf. Regen wäre jetzt gut. Stattdessen scheint die Sonne, es sind knapp 30 Grad. Herr Lehmann ist trotzdem guter Dinge. Der 34-Jährige, Vorname Dominik, ist Direktkandidat der Linken im Wahlkreis München-West/Mitte und an diesem Tag im Westend unterwegs. In einzelnen Wahllokalen habe die Linke hier bei der letzten Bundestagswahl bis zu 13 Prozent erzielt, hier könne sie sich noch verbessern, hofft Lehmann. In einer CSU-Hochburg auf Werbetour gehen, das würde keinen Spaß machen. "Da hat man nur Streit." Obwohl er es auch schon mal erlebt habe, dass eine Frau, die nach eigenen Angaben seit Jahren CSU gewählt habe, das Gespräch mit dem Satz beendete: "Jetzt überlege ich wirklich, die Linke zu wählen."

Dominik Lehmann legt los und klingelt. Und klingelt. Und klingelt. Er schaut sich um, leicht nervös. Wahrscheinlich sind die Leute am See oder im Biergarten. Eine Bewohnerin kommt angeschnauft, Einkaufstüten, Klopapier, sie schließt die Tür auf. Lehmann stellt sich vor, Säuselstimme. "Die Linke braucht man nicht", sagt die Frau, "also ich nicht." Trotzdem einen schönen Tag, entgegnet der Kandidat.

Immerhin, er ist jetzt drin. Haustürwahlkampf, schwierige Sache. Viel Aufwand, wenig Ertrag. Man erwischt die Leute mit dem Politischen im Privaten. Manchen macht das nichts aus; andere empfinden schon das Klingeln an der Wohnungstür als Eindringen. So wie die Bewohner, die Lehmann abwimmeln: "Keine Zeit." Er nimmt es hin - bloß nicht aufdringlich sein. Vor der Tour haben sie in einem Seminar die Gesprächsstrategie geübt. Sie gehe gar nicht wählen, sagt eine Frau, "ich bin 87, ich erleb' das Ende der Wahlperiode nicht mehr". Da hakt der Kandidat nach: "Und die Kinder?" - "Ach, sollen die Jungen ihre Zukunft selber gestalten."

Etwa jedes zehnte Gespräch ist ein gutes, weiß er aus Erfahrung. Es gibt einige gute Gespräche für Lehmann an diesem Tag. "Ich stimme wahrscheinlich eh für die Linke", sagt eine Frau, als alleinerziehende Mutter sehe sie ihre Interessen dort am stärksten vertreten. "Sie sind in der engeren Wahl", verrät eine andere. Gentrifizierung, der immer verrückter werdende Wohnungsmarkt, die Themen beschäftigen die Menschen im Westend.

Lehmann, in München geboren, wohnt seit sieben Jahren in dem Viertel, mittlerweile in einer WG, zusammen mit seiner Frau, die über die Gentrifizierung in Istanbul promoviert hat. Bezahlbarer Wohnraum und drohende Altersarmut, die Themen beschäftigen den Kandidaten, der 2007 in die Linke eintrat, auch persönlich. Er habe noch nie einen unbefristeten Arbeitsvertrag gehabt, könne sich in München nur ein Zimmer leisten. Draußen zündet er sich eine Zigarette an. Dann drückt er auf die nächste Klingel.

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: