Ärger mit Feiernden:Die Konfliktmanager vom Gärtnerplatz

Ärger mit Feiernden: Die Konfliktmanager Sergeji Barzakov, Krzystof Witek und Traudl Baumgartner (in orangen Westen, v. l.) sprechen mit Feiernden auf dem Gärtnerplatz.

Die Konfliktmanager Sergeji Barzakov, Krzystof Witek und Traudl Baumgartner (in orangen Westen, v. l.) sprechen mit Feiernden auf dem Gärtnerplatz.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Am Gärtnerplatz feiern in warmen Nächten Hunderte - die Anwohner sind genervt.
  • Das "Allparteiliche Konfliktmanagement in München" (Akim) des Sozialreferats soll bei Lärmbeschwerden helfen und versucht vor allem zu deeskalieren.

Von Thomas Jordan

Ausgerechnet diejenigen, die Konflikte lösen wollen, werden selbst zur Zielscheibe. "Hey, verpisst euch!" tönt es lautstark von der Sitzbank herüber, als Krzystof Witek und sein Kollege Sergeji Barzakov in ihren roten Westen mit der Aufschrift "Sozialreferat München" gerade mit einer Gruppe Jugendlicher reden.

Sie stehen auf dem Gärtnerplatz, es ist halb zwölf Uhr am Freitagabend. Die Reaktion der professionellen Konfliktmanager? Erst mal keine. Nur keine Eskalation, lautet die Devise. "Wir setzen auf Einsicht," sagt Traudl Baumgartner, die seit 34 Jahren als Sozialarbeiterin tätig ist und nun für das "Allparteiliche Konfliktmanagement in München" (Akim) des Sozialreferats arbeitet. "Und wenn nach zwei Versuchen, miteinander ins Gespräch zu kommen, keine Einsicht da ist, dann ziehen wir uns zurück." Die Polizei rufe sie nur, wenn es zu Gewalt komme.

Lärm ist das große Thema am Gärtnerplatz, wo in warmen Nächten Hunderte mit Bier und Musik den Sommer feiern. Es geht darum, die "Spitzen zu kappen, nicht darum, dass es hier mucksmäuschenstill ist", sagt Eva Jüsten vom Sozialreferat, die Akim im Jahr 2014 nach München gebracht hat. Verständnis wollen sie und ihre Mitarbeiter wecken für die Interessen der Anwohner, die am nächsten Morgen früh raus müssen. "Ich verstehe aber auch, dass man sich im Sommer draußen treffen will, wo man nicht so viel zahlt wie im Lokal", sagt ihre Kollegin Traudl Baumgartner.

Akim ist so etwas wie die gesprächstherapeutische Allzweckwaffe für Partyärger auf Straßen und Plätzen. Überall dort, wo ein Polizeieinsatz nicht angemessen ist und für die Streetworker die Klientel nicht passt, kommen die Konfliktmanager vom Sozialreferat zum Einsatz. Am Gärtnerplatz sind sie im Sommer in den Nächten von Freitag bis Sonntag von elf Uhr abends bis vier Uhr nachts unterwegs. Anwohner können sie anrufen, wenn sie sich vom Lärm gestört fühlen, die Zweier-Teams versuchen dann zu vermitteln.

Meistens gelinge das auch, sagt Baumgartner, viele reagierten verständnisvoll, bei höchstens zwei, drei Leuten pro Nacht schafften sie es nicht, miteinander ins Gespräch zu kommen. Trotzdem stößt die Einzelfallhilfe an Grenzen. "Wir brauchen strukturelle Lösungen", sagt Eva Jüsten. Das gilt besonders für die "Hauptproblemzone Müllerstraße". Hier, im Verbindungsnadelöhr zwischen den Bars und Clubs im Glockenbachviertel und der Isar können die Konfliktmanager mit Reden nichts ausrichten. Denn anders als am Gärtnerplatz bleiben die Leute nicht lange genug stehen für ein vermittelndes Gespräch. Die Probleme werden dadurch noch massiver.

Bewohner kaufen Metalltor - aus eigener Tasche

Neben dem Lärm und dem Müll, den die Feiernden auf Straße und Gehweg hinterlassen, haben die Menschen im Viertel auch mit Vandalismus zu kämpfen. "Mein Auto ist schon dreimal demoliert worden", sagt Steve Kother, der für die Anwohner der Müllerstraße spricht. Und der Ärger macht vor den Privatgrundstücken nicht Halt. "Wir haben schon kopulierende Paare und Drogenbesteck im Hinterhof gefunden," sagt der selbständige Frisör Kother. Für 8000 Euro haben sich die Hausbewohner der Müllerstraße 44 vor kurzem ein Metalltor gekauft, um ihren Innenhof vor dem durchziehenden Partyvolk zu schützen. Aus eigener Tasche. Bei den Anwohnern mache sich "eine gewisse Resignation" breit, sagt er noch.

Sozialreferentin Dorothee Schiwy setzt nun große Hoffnungen auf den neuen "Strategieprozess", der vor kurzem im Sozialausschuss des Stadtrats einstimmig beschlossen wurde. Dieser soll die strukturellen Lösungen bringen, die Akim-Mitarbeiter fordern. Schiwy will dafür alle zuständigen städtischen Referate an einen Tisch bekommen, um unabhängig von einzelnen Bars und Clubs das Lärmproblem anzugehen.

Viele Wirte helfen mit - so lang ihre Lokale offen sind

Vor allem das Planungs- und Baureferat sind ihr dafür wichtig. Bisher sage die Lokalbaukommission, "wenn vorher eine Gastronomie drin war, warum sollen wir nicht wieder eine Gastronomie genehmigen?" ergänzt Franziska Liegel, die bei Akim für die Müllerstraße zuständig ist und ständig im Dialog mit Wirten und Anwohnern steht. Ob sich daran in Zukunft etwas ändern wird? "Ich weiß noch nicht, wo es hingeht", sagt Kollegin Jüsten, deren Akim-Abteilung den neuen Strategieprozesse verantworten soll.

Für Steve Kother dagegen ist die Sache klar: "Keine Neugenehmigungen mehr!" Denn auch wenn die Wirte inzwischen selbst einsehen, dass sie mithelfen müssen, dass die Müllerstraße nicht verkommt: Sobald die Lokale nachts schließen, haben auch sie keinen Einfluss mehr auf ihre Gäste, die oft auf der Straße weiterfeiern. Neben den Nachtschwärmern haben die Dialogprofis von Akim nun also eine zweite Zielgruppe, bei der sie für Verständnis werben müssen: die Münchner Stadtverwaltung.

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