Aubing/Freiham:Verkehrsnetz am Limit

Aubing/Freiham: Die Kräne drehen sich schon: In Freiham wird fleißig gebaut, doch über die Verkehrsführung wird noch heftig debattiert.

Die Kräne drehen sich schon: In Freiham wird fleißig gebaut, doch über die Verkehrsführung wird noch heftig debattiert.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Wohin mit all den zusätzlichen Autos aus dem künftigen Stadtteil Freiham im Münchner Westen? Nun haben Experten den Bürgern Varianten zur Entlastung des Ortszentrums von Altaubing präsentiert. Wenn die bestehende Straßenführung nicht geändert wird, droht der Kollaps

Von Ellen Draxel, Aubing/Freiham

Altaubing, ein Dorfkern, dessen Denkmalschutzstatus erst vor Kurzem bestätigt wurde, soll vor dem Verkehrskollaps bewahrt werden. Die Anwohner sind bereits heute "geplagt vom Durchgangsverkehr": Lediglich 20 Prozent der Autofahrer, die täglich Aubings Straßen nutzen, wohnen laut Tom Seufert auch im Viertel. Der Ingenieur vom Büro Obermeyer Planen & Beraten ist Projektleiter für die Anbindung Freihams an Aubing, mit seinem Team hat er Verkehrswege-Varianten zur Entlastung des Ortskerns erarbeitet, die am Donnerstagabend den Bürgern vorgestellt wurden.

"Am Knotenpunkt Alto-/Bergsonstraße und in der Limesstraße ist das Verkehrsnetz jetzt schon am Limit", weiß Seufert. In der Limesstraße haben die Planer 16 500 Fahrzeuge gezählt, die täglich diese Route nehmen, in der Altostraße 11 000, in der Ubostraße 5000, am Germeringer Weg an der Grenze zu Freiham 2000 und in der schmalen Georg-Böhmer-Straße 1000. "Das ist eine ganze Menge." Würde sich an dieser Straßenführung nichts ändern, liefen all diese Strecken in den kommenden Jahren voll. Die Machbarkeitsstudie prognostiziert ohne Veränderung für das Jahr 2030 an die 21 000 Fahrten am Tag in der Limesstraße, 6000 in der Ubo-, 16 500 in der Alto- und 3500 in der Georg-Böhmer-Straße. Den Germeringer Weg würden sogar 10 000 Autos passieren.

Eine einseitige Anbindung Aubings an das übergeordnete Verkehrsnetz von Süden her ist aus Sicht der Verkehrsplaner daher "keine Lösung". Denn der Stadtteil ist so angelegt, dass drei Straßen direkt in den Ortskern führen: die Bergson-, die Alto- und die Eichenauer Straße. Lediglich eine Umgehungsstraße, erreichbar durch eine Erschließung von zwei Seiten, brächte nach Überzeugung der Planer eine Verbesserung. Seuferts Vorschlag: eine neu zu bauende Trasse, die von der Eichenauer Straße im Norden quer durch eine potenzielle, zwischen Autobahn und Aubings Stadtrand situierte Neubausiedlung mit 1000 Wohnungen direkt in den Germeringer Weg und die Aubinger Allee in Freiham-Nord mündet. "Damit", sagt er, "würden sich die Verkehrszahlen in der Ubostraße halbieren". Denkbar wäre seiner Meinung nach außerdem eine Verlängerung dieser neuen Tangente in Richtung Norden, um die Wohngegenden Aubings noch mehr vom Durchgangsverkehr zu befreien. Allerdings hat diese Variante einen Haken: Der über dem Aubinger Tunnel angelegte Grünpark müsste geopfert werden. "Wir sehen das deshalb eher kritisch", so der Ingenieur. Zumal diese Strecke wohl auch Schleichverkehr in Richtung Autobahn anziehen würde.

Die rund 150 Aubinger, die mit den Planern an dem Abend an vier Werkstatt-Stationen über die Alternativen diskutierten, goutierten die vorgeschlagene Erschließung über die Potenzialfläche. Sie plädieren allerdings für eine Verschiebung der Trasse nach Westen. Als mögliche Weiterführung der Route nach Norden könnte einem Bürger zufolge ein bereits bestehender Graben bei der Heimag-Siedlung genutzt werden. Dann müsste der Grünstreifen über der Autobahn nicht weichen.

Kritisch beurteilen die Anwohner die Einfahrt an der Eichenauer Straße. Diese Straße, die von der Gemeinde Puchheim nach Aubing führt, sei "zu eng" für große Verkehrsmengen, sie würde "kollabieren". In der Nähe befinde sich die Gotzmann-Grundschule, außerdem fehlten teils Geh- und Radwege. Am besten sollte die Eichenauer Straße daher aus Bürgersicht künftig nur noch als reine Anliegerstraße gelten.

Eine "goldene Lösung" für die Anbindung Aubings an Freiham, machen die Planer den Bürgern klar, gibt es nicht. "Dafür ist einfach zu viel Verkehr." München wächst in den nächsten Jahren um die Größe einer Stadt wie Augsburg, "wir werden aber im Wesentlichen mit dem derzeitigen Verkehrsnetz klarkommen müssen", sagt Georg Dunkel, Leiter der Verkehrsplanung für Freiham. Für neue Siedlungen sei deshalb eine "hohe Nutzungsmischung" unter dem Motto "Stadt der kurzen Wege" wichtig: Wohnen und Arbeiten an einem Ort, Kitas in der Nähe, die Nahversorgung nebenan. Auch viele Fuß- und Radwege müssten gebaut werden, damit man sich gerne im Quartier aufhalte.

Die Aubinger fordern, eben weil sie sich dessen bewusst sind, seit Jahren ein Gesamtkonzept für den Verkehr. Auch diesmal äußern sie die Bitte, doch etwas großräumiger zu denken. Insbesondere die Bodenseestraße hätte man, monieren sie, in die Planung einbinden müssen. Der Schwerlastverkehr aus der Bodenseestraße belastet immens Aubings Straßen.

Dass das eigentliche Rückgrat einer Stadt der öffentliche Nahverkehr sein muss, darin sind sich Verwaltung, Politiker und Bürger einig. Deshalb müsse, so die Forderung der Aubinger, die S 4 endlich einen Zehn-Minuten-Takt bekommen, und statt einer Tram müsse die U-Bahn gebaut werden. Am besten nicht nur bis nach Freiham, sondern gleich bis Germering. Nächstes Jahr, kündigt Planer Georg Dunkel an, soll dem Stadtrat eine Vorlage zum städtischen U-Bahn-Verkehr vorgelegt werden. Aufgabe der Politiker sei es dann, Linien zu priorisieren.

"Die Frage im Stadtrat wird nicht sein, können wir uns die U-Bahn leisten", meinte dazu am Ende der Veranstaltung CSU-Stadtrat Johann Sauerer, der auch im Aubinger Bezirksausschuss sitzt. "Sondern, können wir uns sie nicht leisten." Der Münchner Westen sei eine stark wachsende Metropolregion, "und die S 4 ist jetzt schon voll, wenn sie hier ankommt". Mit einer U-Bahn, rechnete Sauerer vor, würde viel Individualverkehr auf der Straße eingespart. "76 000 Kilometer pro Tag."

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