Au:Unfall als Weckruf

"Welfenhöfe" in München, 2017

Runter vom Gas: Viele Kinder müssen täglich die Welfenstraße überqueren, weshalb sich viele Eltern ein Tempolimit wünschen.

(Foto: Florian Peljak)

Weil ein Auto einen Buben angefahren hat, fordern Eltern in der Welfenstraße ein Tempo-30-Limit. Zudem sollen an den Querungen mit Senftl- und Aurbacherstraße die Zebrastreifen durch Ampeln ersetzt werden

Von Johannes Korsche, Au

Am vergangenen Dienstagnachmittag kündigt die Schulklingel an der Weilerschule das Ende der Hortzeit an. Der achtjährige Paul macht sich auf den Nachhauseweg, der über die Welfenstraße führt. Dort, auf dem Zebrastreifen auf Höhe der Senftlstraße, reagiert ein Autofahrer zu spät und erfasst den Buben.

Als Thilo Böhnisch wenig später zur Welfenstraße kommt, ist die "für 30 Minuten komplett gesperrt" gewesen, erinnert er sich. Er sieht noch die verbeulte Autofront und wie Sanitäter den Jungen verarzten. Später werden sie Paul ins Krankenhaus bringen und den Fuß bandagieren. Böhnisch weiß da schon, dass er die Situation an der Welfenstraße ändern will. Sein Sohn besucht die Weilerschule, so wie auch Paul, der die nächste Zeit auf Krücken gehen muss. Außerdem ist seine kleine Tochter im Kindergarten an den Welfenhöfen. Sie gehen deswegen täglich über diese Kreuzung. Für ihn und alle Eltern, die sich nun organisiert haben, sei der Unfall der "letzte Weckruf", dass sich auf der Straße etwas ändern müsse, sagt Böhnisch. Er fordere schon seit Jahren, dass die Welfenstraße für Kinder und Senioren sicherer wird. Und damit sich solche Szenen wie an jenem Dienstag nicht mehr wiederholen, haben Böhnisch und seine Mitstreiter konkrete Forderungen: Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit soll auf 30 Stundenkilometer reduziert werden, zudem sollen an den Querungen der Welfenstraße mit der Senftl- und der Aurbacherstraße die bisherigen Zebrastreifen durch Ampeln ersetzt werden. Denn bisher, so Böhnischs Beobachtung, nimmt kaum ein Autofahrer Rücksicht auf diese beiden Zebrastreifen. Außerdem halte sich kaum einer an die derzeit vorgeschriebenen 50 Stundenkilometer. Wenn sich an der Welfenstraße nichts ändere, "ist es nur eine Frage der Zeit, bis wieder etwas Schlimmes passiert", sagt Böhnisch.

Es gehe dabei nicht nur um den Unfall vom vergangenen Dienstag, sondern allgemein um die sehr hohe Unfallwahrscheinlichkeit auf der Straße. Auf dem Schulweg vieler Kinder der Grund- und Mittelschule an der Weilerstraße herrsche eine "permanente Gefahr". Das Viertel sei wegen der Welfenstraße "zerrissen", wie Böhnisch sagt. Und der Verkehr, so erwarten es die Eltern, wird in München und insbesondere in der Au noch mehr werden. Alleine mit den neuen Wohnungen auf dem ehemaligen Paulaner-Areal, das in Sichtweite des Unfallorts liegt, werden etwa 3500 Neue ins Viertel ziehen. Böhnisch erwartet, dass die Stadt auf solche Entwicklungen verkehrsplanerisch reagiert.

Akuten Handlungsbedarf sieht man unterdessen beim Kreisverwaltungsreferat (KVR) derzeit aber nicht. Die Welfenstraße ist mit "jährlich bisher drei Unfällen absolut unauffällig", teilt das KVR mit. In die Behördensprache übersetzt, heißt das weiter: Es gebe dort "keine Unfallhäufungsstelle". Zudem habe man gute Erfahrungen mit Zebrastreifen in der Stadt gemacht, weshalb das Kreisverwaltungsreferat einen dritten Zebrastreifen an der Welfenstraße auf Höhe des Tassiloplatzes "in Kürze" einrichten wird. Diese drei Zebrastreifen durch drei Ampeln auszutauschen, sieht das KVR kritisch. Das "brächte erhebliche Probleme beim Verkehrsfluss und zusätzliche Wartezeiten für Fußgänger".

Unterstützung bekommen die Anwohner dagegen vom Bezirksausschuss Au-Haidhausen (BA). Die Bürgervertreter forderten auf ihrer Junisitzung, dass die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer reduziert wird. "Die Welfenstraße ist uns allen ein Dorn im Auge, da wird zu schnell gefahren", sagte BA-Vorsitzende Adelheid Dietz-Will (SPD). Trotzdem wollen sie weitere Forderungen wie neue Ampeln erst mit Vertretern der Stadtverwaltung und den Münchner Verkehrsbetrieben, deren Buslinien X30 und 48 die Welfenstraße befahren, diskutieren. Deshalb laden sie Vertreter aller Seiten zur kommenden Sitzung des Unterausschusses Verkehr am Montag, 9. Juli, von 19 Uhr an in der Aula der Weilerschule ein. Dabei soll auch abgewogen werden, was "realisierbar" ist, wie Lydia Dietrich (Grüne) sagte. Denn bei einem sind sich die Lokalpolitiker einig: "Je vernünftiger die Forderung, desto wahrscheinlicher ist, dass wir etwas erreichen", fasste Andreas Micksch (CSU) zusammen.

Thilo Böhnisch wartet dieses Treffen ab. Sollte sich nichts auf der Welfenstraße ändern, wird er weiterkämpfen. Bis er und seine Kinder wieder ein sicheres Gefühl beim Überqueren der Welfenstraße haben. "Wir meinen es ernst." Auch wenn Paul seine Krücken dann nicht mehr braucht.

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