Menschen am Fluss:Der Überzeugungstäter

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Jakob Assmann liebt die Isar. Wer sie nutzt, muss auch etwas zurückgeben, findet der Betriebswirt. Er selbst hält sich daran und sammelt den Kleinmüll ein - bevor er in die Ozeane gespült wird

Von Hannah Knuth, Au-Haidhausen

"Auf den ersten Blick sieht es hier immer sehr sauber aus", sagt Jakob Assmann, während er über das steinige Ufer an der Isar stapft. Es ist früh am Morgen, noch ist es an dem Ufer zwischen Ludwigsbrücke und Maximiliansbrücke menschenleer. "Wer aber genau hinschaut", sagt der 34-Jährige, "der findet hier eine Unmenge an Kleinmüll". Er bückt sich und greift zwischen die Steine. "Das hier", sagt er und zeigt auf die Zigarettenstummel und Kronkorken in seiner Hand, "das hier räumt niemand weg."

Dabei sei gerade dieser Kleinmüll ein großes Problem der Isar, meint Assmann, der vor fünf Jahren mit zwei Mitstreitern den Münchner Ökoenergieversorger Polarstern gründete; ein Energiehändler, der ausschließlich Gas aus Abfallstoffen und Strom aus Wasserkraft verkauft. "Die Isar hat nämlich so oft Hochwasser", erklärt Assmann, "dass jedes Mal, wenn der Fluss über die Ufer tritt, der Kleinmüll mitgerissen wird." Das verschmutze nicht nur die Isar, sagt er, es führe auch dazu, dass die Ozeane mehr und mehr zu Müllhalden würden. "Jeder weiß doch von den riesigen Müllbergen in unseren Meeren", klagt Assmann, " aber kaum jemand, der abends an der Isar sitzt und seine Bierdeckel liegen lässt, sieht sich selbst dafür in der Verantwortung."

Assmann allerdings tut das. Als Ökoenergieversorger und gebürtiger Münchner scheint ihm der Schutz der Isar besonders am Herzen zu liegen. Die Isar mache für ihn 50 Prozent der Lebensqualität von München aus. "Sie ist eine Lebensader, die sich durch die ganze Stadt zieht", sagt er. Jeder, der sie nutze, sollte auch ein Bewusstsein dafür kriegen, wie man mit ihr achtsam umgeht.

Um ein solches Bewusstsein zu wecken, rief der promovierte Betriebswirtschaftler mit seinem Unternehmen Polarstern und weiteren Partnern wie Viva Con Agua oder der Surf-Rider-Foundation eine jährliche Isar-Aufräumaktion ins Leben. Etwa einhundert Leute kamen in diesem Jahr zusammen, um auf dem drei Kilometer langen Ufer zwischen der Kapuzinerbrücke und dem Friedensengel den kleinteiligen Müll zwischen den Steinen aufzupicken. Mehr als 150 Kilogramm Kleinmüll wurde gesammelt, vor allem leichter Abfall wie Plastikschnipsel, Zigarettenstummel und Kronkorken. Natürlich sammelte sich auf dem Müllhaufen auch viel Absurdes an: ein verrotteter Einkaufswagen etwa, Schmuck, benutzte Kondome - sogar eine eingetretene Fahrradkette zog Assmann aus dem Ufer-Matsch.

Für die Aktion hatte Polarstern von der Stadt einen großen Müll-Container gestellt bekommen, freiwillige Lastenradler brachten den Müll von der jeweiligen Uferstelle zum Container. Assmann erzählt, dass viele Passanten, die gerade einen Spaziergang machten, stehen blieben und nachfragten. "Einige griffen sogar spontan zu Müllbeuteln und haben mitgemacht", erzählt er. "Einige für ein paar Minuten, andere blieben den ganzen Tag!"

Die Ramadama-Kultur, das Zusammenkommen, um Müll zu sammeln, hat in Assmanns Leben eine lange Tradition. Schon als Kind wurde ihm das Konzept in der Schule nahe gebracht: "Wir mussten damals einmal die Woche in nahe gelegene Wälder gehen und nach Müll suchen", erzählt er. Schon als Kind fand er es beeindruckend, dass man als Gemeinschaft einfach losziehen und die Natur aufräumen kann. Jakob Assmann wünscht sich, dass solche Aktionen künftig noch häufiger gestartet werden, auch in anderen deutschen Städten. Institutionalisieren will er die Aufräumaktion allerdings nicht. "Wenn einmal die Woche jemand kommt, um den Kleinmüll wegzuräumen, würde doch jeder seinen Müll nur noch eher liegen lassen", befürchtet er.

Mit der Aktion möchte Jakob Assmann vielmehr ein Schlaglicht setzen, die Münchner für den Schutz ihrer Isar sensibilisieren. Assmann ist kein Fan des moralischen Zeigefingers, er will lieber Vorbild sein, den Beweis erbringen, dass es anders geht. Auch von den klassischen Umweltverbänden distanziert er sich: "Die kommen aus ihrer moralischen Oppositionsecke nicht heraus", sagt er. "Sie würden die Isar am liebsten absperren und sie zum Naturschutzgebiet erklären." Genau das dürfe man aber nicht - im Gegenteil, meint Assmann. Er sieht das Problem vor allem darin, dass vielen Münchnern der emotionale Bezug zur Isar fehle und sie dadurch aus ihren passiven Beobachterrollen gar nicht herauskämen. "So wird nie ein kollektives Verantwortungsbewusstsein entstehen", meint Assmann. "Wer aber einmal mit dem Boot oder Floß aufs Wasser raus ist, wer die Isar einmal richtig gespürt hat - dem wird sie lieb und teuer", sagt er. "Und wenn dir etwas lieb und teuer ist, dann kümmerst du dich darum."

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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