Au:Am Kolumbusplatz kehrt keine Ruhe ein

Au: Dialog als Rezept: Brigitte Gans (links) und Miriam Paterson-Wildschek von Akim sprechen mit Müttern auf dem Spielplatz.

Dialog als Rezept: Brigitte Gans (links) und Miriam Paterson-Wildschek von Akim sprechen mit Müttern auf dem Spielplatz.

(Foto: Catherina Hess)

Jugendliche, die Alkohol und Drogen konsumieren oder wild bolzen, stören die Nachbarn. Vom städtischen Konfliktmanagement Akim und dem Bezirksausschuss fühlen sie sich im Stich gelassen

Von Julian Raff, Au

Mit einer lauten Bahnlinie und der Nähe zur Männerunterkunft an der Pilgersheimer Straße gehört die Gegend um den Kolumbusplatz nicht zu den Premiumlagen. Dennoch spricht Hartmut Köhler für die meisten seiner Nachbarn, wenn er betont, wie wohl er sich in der hiesigen Gewofag-Wohnanlage fühlt und dass er nicht mal ans Wegziehen dächte, wenn es auf dem Münchner Wohnungsmarkt Alternativen gäbe. Anders ist kaum zu erklären, mit welch zäher Energie er und weitere Mieter um mehr Aufmerksamkeit für nachbarschaftliche Probleme kämpfen, die aus offizieller Sicht nicht - oder kaum - existieren. Anwohner fühlen sich von herumlungernden, Alkohol und wohl auch Drogen konsumierenden Jugendlichen bedroht, sowie von wildem Ball-Gebolze auf einem beengten Spielplatz inmitten der Wohnanlage.

Polizei und Konfliktmediatoren streiten nicht jede Beobachtung ab, verbuchen das Ganze aber unter normalem städtischem Milieu. Diese konträren Wahrnehmungen hatte Anfang Oktober bereits ein öffentlicher "Aktionsnachmittag" aufgezeigt, zu dem sich Vertreter von Stadtverwaltung, Polizei, örtlichen Sozialeinrichtungen und 60 teils aufgebrachte Anwohner trafen, alles unter Regie des "Allparteilichen Konfliktmanagements in München" (Akim).

Keine Übereinstimmung brachte offenbar auch ein erneutes, diesmal nicht öffentliches Treffen im kleinen Kreis. Akim-Koordinatorin Brigitte Gans sieht sich und die Konfliktparteien dennoch "auf einem guten Weg". Auch die offizielle Pressemitteilung spricht von einem "guten Startpunkt" für weiteren Dialog. Schlicht untergebügelt sehen sich dagegen Köhler und seine Nachbarin Heide Werhahn, die zusammen mit deren Lebensgefährten als dreiköpfige Anwohner-Delegation am Treffen teilnahmen. Der Runde Tisch mit insgesamt zehn Parteien habe den Anwohnern kein faires Forum geboten, die Akim-Moderatoren hätten ihnen das Wort abgeschnitten und sie als Querulanten hingestellt. Ebenso ausdauernd wie vergeblich sucht Köhler nach eigenem Bekunden auch anderswo nach Gehör: Allein sieben Mal habe er, ohne Antwort, Oberbürgermeister Dieter Reiter angeschrieben. Auf der langen Liste der übrigen Adressaten findet sich unter anderem die Bezirksausschuss-Vorsitzende Adelheid Dietz-Will (SPD), der Werhahn und Köhler besonders schwerwiegende Untätigkeit vorwerfen. Die Korrespondenz füllt einen Koffer, darin auch rund 300 Fotos, die tatsächlich Verwahrlosung dokumentieren, von wohl zugedröhnt auf dem Spielplatz liegenden Jugendlichen über Vermüllung, bis hin zu einem älteren Anwohner, der nach einem Ball-Treffer zu Boden ging.

Natürlich ist die Situation am Kolumbusplatz für einen Außenstehenden nicht leicht zu überblicken, allerdings trifft auch der sporadische Besucher zu unterschiedlichen Tageszeiten herumlungernde Jugendliche und junge Erwachsene an, auf den U-Bahntreppen, oder auf dem Spielplatz in der Mitte des lang gestreckten, von den Gewofag-Häusern gesäumten Platzes. An sich noch kein Grund zum Einschreiten, allerdings bezeugen Nachbarn, dass wohl auch gedealt werde. Bei Gefahr im Verzug landeten Drogenpäckchen demnach auch schon im Gebüsch und wurden der Polizei übergeben, was ein Sicherstellungsprotokoll von Anfang Februar belegt. Die Leitung der Jugendpension JuP an der Nockherstraße weist jede Mitverantwortung für die Zustände von sich, sieht sich aber, wie bereits im Oktober, dem Vorwurf ausgesetzt, sie biete der eigenen Problemklientel tagsüber keine sinnvolle Beschäftigung. Ein nachbarliches Angebot, die JuP, etwa mit Hausaufgabenhilfe zu unterstützen, ist zwar in der Akim-Pressemitteilung festgehalten, laut Köhler hätten die Beteiligten aber abgewunken - die Jugendlichen seien hierfür ohnehin nicht erreichbar. Anders, als JuP-Leiter Jochen Lau sehen Köhler und Werhahn die Bewohner der Übergangseinrichtung nach wie vor als maßgebliche Mitverursacher der Probleme und kündigen an, sich mit den Nachbarn für eine Verlegung einzusetzen, falls kein Frieden einkehrt. Den planerisch unglücklich zwischen die Häuserreihen gequetschten Spielplatz wollen sie dagegen ausdrücklich erhalten, wissen, nur eigne er sich halt nicht für Ballspiele. Wozu, fragt Werhahn, habe die Stadt erst vor zwei Jahren neue Bolzplätze an der nahen Wittelsbacherbrücke angelegt? Unverständlich finden die Anwohner auch, warum neue Ruhezeiten für den Platz unter der Woche gelten sollen, nicht aber am Wochenende. Auch wenn die Gewofag-Anlage ursprünglich für ältere Bewohner konzipiert wurde, wohnen hier längst Berufstätige und zunehmend auch junge Familien, was Werhahn und Köhler ausdrücklich begrüßen. Es gehe nicht, wie ihnen unterstellt worden sei, um einen Konflikt Alt gegen Jung.

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