Bayerisches Restaurant Maxvorstadt "Atzinger":Wohlig satt

Auch nach dem Umbau können im Traditionslokal Atzinger nicht nur Studenten wieder bodenständige Küche genießen. Kulinarische Abenteuer sucht man jedoch vergebens.

Ivan Lende

Es war klar, dass ein Aufschrei der Empörung durch die Stadt schallte, als man lesen musste, der Atzinger solle umgebaut werden. Größer noch war das Entsetzen, als die Nachricht aus der Gastro- in die Studentenszene schwappte, der Atzinger solle der Egger-Kneipengemeinde angegliedert werden.

Bayerisches Restaurant Maxvorstadt "Atzinger": Von innen erkennt man den alten Atzinger kaum wieder - doch die Studenten fühlen sich nach wie vor wohl.

Von innen erkennt man den alten Atzinger kaum wieder - doch die Studenten fühlen sich nach wie vor wohl.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Dies bedeute, so die Angst, nicht nur das Ende einer Ära studentischer Nahrungsaufnahme in Uni-Nähe, sondern auch die Nivellierung des kulinarischen Angebots auf das ja nicht allzu hoch gelegene Egger-Niveau von Fürstenegger über Ysenegger bis Egger Schwabing und Alter Simpl (jawohl, auch der). Und wie das in solchen Fälle halt so ist: Da wird die Vergangenheit verklärt zum Paradies, und die Zukunft kann nur Hölle sein. Solcherart Pessimismus ist schließlich einer der typischen Wesenszüge des Münchners.

In dem Bewusstsein, dass nichts so sehr gepflegt werden müsse wie das Vorurteil, betritt man also den neuen Atzinger und erkennt den Laden in der Tat kaum wieder. Dabei ergibt eine erste Inspektion, dass sich an der Raumaufteilung nicht viel geändert hat. Nun gut, die Fenster zur Amalienstraße sind jetzt fast bis zum Boden gezogen, und man kann, umgeben vom Egger-typischen Holzambiente, bequem dabei zuschauen, wie draußen ein Abschleppwagen seine Bestimmung erfüllt. Und schon erschien einer der dienstbaren Geister des Hauses, um sich nach der Lage des Durstes zu erkundigen. Der ist groß, weswegen es zunächst ein Bier gibt - und ein Dankesgebet gen Himmel, dass Löwenbräu mit dem Urtyp aus der Bügelflasche endlich ein trinkbares Gebräu auf den Markt gebracht hat.

Wunderbar schnell

Apropos dienstbare Geister. Man kann gegen die Eggersche Kneipenpandemie sagen, was man will, aber es gibt wenige Läden, in denen das Personal so freundlich ist wie hier. Das gilt auch und gerade für den Atzinger, eine wahrhafte Neuerung, denkt man an manch mürrische Bedienmenschen von früher. Frappant war die Geschwindigkeit, mit der nicht nur das Getränk erschien, sondern auch das Essen. Nun gut, ein Burger (8,40) mit Salat hat eine Grillzeit von etwa zwei Mal zwei Minuten, die Garnierung dürfte zehn Sekunden in Anspruch genommen haben, doch auch Ketchup und Majo waren bereits aufgetragen (in Amerika, dem Land des Burgers und der freien Geschmackswahl übrigens eine Todsünde!).

Und der Schweinsbraten (8,90) muss ja nur noch abgeschnitten werden, Knödel drauf, Soße drüber, her mit dem (labbrigen) Krautsalat und ab auf den Tisch. Unsittengemäß garniert mit einem absolut unknackbaren Stück Haut, verdiente der Braten sonst kaum Klage, obgleich er uns nicht wie ein Stück von der Schulter vorkam. Und der Knödel? Ein Wunderding. Sollte der Teig von Menschenhand gemacht und gerollt worden sein, so sei diese geküsst als Künstlerhand.

Die eigentliche Überraschung galt dem Cordon Bleu (10,20), welches üblicherweise frisch aus der Pfanne kommen sollte, wo es in der Regel bei mittlerer Hitze doch pro Seite an die zehn Minuten zu brutzeln hat. Hier müssen sie eine Turbomethode erfunden haben. Denn trotz der Lichtgeschwindigkeit schmeckte das Stück vom Schwein, das den kräftigen Schinken und den allzu unauffälligen Käse einhüllte, saftig und zart - und kaum nach Fett, also nicht nach Fritteuse, der wir das Geschwindigkeitswunder schon zuschreiben wollten.

Satt wird man garantiert

Ein andermal, als die Wahl auf Schweinefilet (12,80) und Holzfällersteak (10,20) fiel, kam es gar zu lautstarken Äußerungen der Bewunderung. Ein Schweinefilet auf den Punkt zu bringen, ist keine Kunst, beim Rind ist das was anderes. Die jeweiligen Soßen schmeckten, als seien sie wirklich größtenteils in händischer Zubereitung entstanden. Fisch steht übrigens so gut wie nie auf der Karte. Das ist womöglich ein weiser Entschluss, denn das verlangt mehr Einfühlungsvermögen, als es in einer Schnellküche vorhanden ist.

Eines hatten alle Speisen gemeinsam: Es handelte sich um Portionen, die einen armen Studenten, wenn es sein muss, eine Woche am Leben halten. Womit wir bei der Ur-Klientel wären, die ja nach der Schließung des alten Atzinger mit Boykott des neuen gedroht hat. Boykott findet derzeit vielleicht im nahen Audimax statt, jedoch nicht hier im Atzinger (obwohl das Haus der Universität gehört).

Doch es mischt sich jetzt auch ganz normales Schwabinger Volk unter die Heidegger-Leser und W-Lan-Vorlesungsbesucher. Weintrinker sind in der Minderheit, was am Angebot liegen kann. In den Egger-Kneipen scheinen sie nämlich dem Irrglauben anzuhängen, ein Rotwein wäre umso bekömmlicher, je weiter er in der Welt herumkommt. Also schütten sie Durchschnittsware aus Chile, Argentinien oder sonstwo in die Gläser, aber auch ein aus dem vergleichsweise nahen Süditalien stammender Nero d'Avola lag, geradezu tropisch temperiert, arg ermattet in seinem Glas.

Bleibt als Resümee festzustellen: Wer zum Atzinger geht, sucht nicht das kulinarische Abenteuer, sondern will auf angenehme Weise satt werden. Und in 20, 30 Jahren hat der Laden dann wieder jene Patina, die ihn als Studentenkneipe ausweist. Aber bis dahin ist wahrscheinlich das Studium derart verschult, dass nicht mal mehr für einen Kneipenbesuch Zeit ist.

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