Asylrecht:Gefangen in der Transitzone

Asylrecht: Das Gebäude an der Wartungsallee 6 auf dem Flughafengelände hat die Regierung von Oberbayern angemietet, um Flüchtlinge unterzubringen. Der Iraner Roshan Afarid lebte dort in den vergangenen Wochen.

Das Gebäude an der Wartungsallee 6 auf dem Flughafengelände hat die Regierung von Oberbayern angemietet, um Flüchtlinge unterzubringen. Der Iraner Roshan Afarid lebte dort in den vergangenen Wochen.

(Foto: Dietrich Mittler)

Wer in dieser Flüchtlingsunterkunft bei München landet, gilt offiziell als nicht eingereist. Zurzeit lebt dort ein Iraner, dem in seiner Heimat die Todesstrafe droht. Bis Heiligabend soll er das Land verlassen.

Von Dietrich Mittler

Bleiern liegt der Münchner Himmel über dem weißen Betongebäude in der Wartungsallee Nummer 6. Am verschlossenen Eingangstor hören Besucher linker Hand das Dröhnen startender Flugzeuge und rechter Hand von der Flughafenzufahrt her das Endlos-Rauschen vorbeifahrender Autos. Das ist derzeit die Welt von Roshan Afarid (Name geändert).

Wenn es ihm der Wachmann erlaubt, darf Afarid bisweilen kurz an der Schwelle des Flachdach-Gebäudes frische Luft schnappen und den Maschendrahtzaun betrachten, der das schmucklose Anwesen umgibt. Scheu winkt der 30-jährige Iraner seinem Anwalt Franz Bethäuser hinterher, der ihn davor bewahren soll, nach Bulgarien abgeschoben zu werden. Für Afarid tickt die Uhr - maximal noch bis zum 23. Dezember darf er hier bleiben.

"Er freut sich immer, wenn man ihn besucht", sagt Pfarrer Stefan Fratzscher von der evangelischen Flughafenseelsorge, "aber Hoffnungen darf man ihm nicht machen." Fratzscher gehört - von den Wachleuten abgesehen - zu den wenigen Menschen, die Roshan Afarid in den zurückliegenden Wochen seit seiner Ankunft in der Wartungsallee 6 zu Gesicht bekommen hat. Bis vor wenigen Tagen war Afarid der einzige Flüchtling, der in diesem Gebäude hier festgehalten wurde - mit seinen mehr als 30 Räumen, mit Platz für bis zu 50 Menschen, angemietet von der Regierung von Oberbayern. Rund um die Uhr wurde er bewacht vom Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes.

Kurzzeitig auch mal von zweien. Pfarrer Fratzscher bekam schnell mit, dass es dem 30-Jährigen nicht nur an warmer Kleidung mangelte, sondern auch an menschlicher Begegnung. Roshan Afarids Fluchtursache aus dem Iran ist ohnehin für einen Pfarrer an sich ein Auftrag: "Er ist bereits im Iran zum Christentum konvertiert und kann dies auch belegen", sagt Afarids Anwalt Bethäuser.

Im Klartext heißt das: Sollte das Regime in Teheran jemals Zugriff auf den jungen Bauingenieur bekommen, so droht ihm die Todesstrafe. "Letzte Woche haben wir zusammen in seiner derzeitigen Unterkunft Gottesdienst gefeiert, es war rührend", sagt Fratzscher. Der evangelische Geistliche will Roshan Afarid, wenn er denn noch Gelegenheit dazu bekommt, rituell in die christliche Gemeinschaft aufnehmen. "Ich werde ihn in der Unterkunft taufen", sagt er.

So glanzvoll dem Festgehaltenen diese Aussicht auch erscheinen mag, sie verdeckt nur oberflächlich, wie armselig und zugleich absurd sich sein Aufenthalt gestaltet. "Er gilt rechtlich gar nicht als hier eingereist", sagt sein Anwalt. Kurz nachdem Afarid am 17. November am Flughafen von der Bundespolizei aufgegriffen wurde, sei klar gewesen, dass für ihn das sogenannte Flughafenverfahren Anwendung findet.

Dabei handelt es sich um eine juristische Konstruktion, die 1993 im Zuge des Asylkompromisses im Bundestag durchgewunken wurde. Sie gilt nach Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge "für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten sowie für ausweislose Asylbewerber, die über einen Flughafen einreisen wollen und bei der Grenzbehörde um Asyl nachsuchen". Genau so hat es Afarid gemacht. Mit der Folge, dass er in eine Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich des Flughafens gebracht wurde. Gewissermaßen hat er also keinen Fuß auf deutschen Boden gesetzt - theoretisch zumindest.

Wie der Mann an den Münchner Flughafen gelangte

Auch Anwalt Bethäuser weiß, dass sein Mandant nur bedingt gute Karten in der Hand hat, mal ganz davon abgesehen, dass er bei seiner Ankunft einen stümperhaft gefälschten griechischen Pass mit sich führte. Der verhalf ihm zwar dazu, als Christos Lazaropoulos ins Flugzeug und bis nach München zu gelangen - weiter kam er damit aber auch nicht. Die Überprüfung seiner Fingerabdrücke ergab zudem, dass er bereits in Bulgarien als Asylbewerber registriert worden war.

In der nüchternen Sprache der Juristen ist der 30-Jährige somit "ein Dublin-Fall" - also jemand, der mit großer Wahrscheinlichkeit wieder in jenem Land landen wird, von dem aus er zuletzt nach Deutschland aufgebrochen war.

Bethäuser hat dennoch Hoffnung, dass sein Mandant regulär in Bayern einen Asylantrag stellen darf. Bulgarien zählt auch nach Auffassung einiger deutscher Gerichte zu jenen Ländern, in denen - wie Bethäuser es ausdrückt - "Systemmängel" Flüchtlingen das Leben zur Hölle machen. Was Bethäuser damit meint, geht aus einer mehr als 50-seitigen Studie hervor.

Die Organisation "Pro Asyl" hat darin ihre Erkenntnisse unter dem Titel "Erniedrigt, misshandelt, schutzlos" zusammengefasst. Flüchtlinge hätten "von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung bis hin zur Folter" berichtet. Bethäuser befürchtet überdies, dass Bulgarien seinen Mandanten zurück nach Teheran schickt. Und das wäre für Afarid fatal.

Der Anwalt stößt sich indes auch an der Art und Weise, wie Roshan Afarid untergebracht ist. "Menschenunwürdig" nennt er die Unterkunft. Die gesamte Anlage sei "in einem heruntergekommenen und ziemlich verdreckten Zustand". Sein Mandant habe darin gar die Krätze bekommen. Der 30-Jährige selbst versucht indes, aus seiner Situation das Beste zu machen. Seit einigen Tagen ist er zumindest nicht mehr alleine. Ein Senegalese ist dazugekommen.

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