Asyl-Unterkünfte:München fehlen mehr als 5000 Plätze für Flüchtlinge

Asyl-Unterkünfte: Zum Jahresende gibt der Freistaat seine Asyl-Erstaufnahme in der Bayernkaserne auf. Die 1500 Plätze dort wurden der Stadt bislang bei der Unterbringung angerechnet.

Zum Jahresende gibt der Freistaat seine Asyl-Erstaufnahme in der Bayernkaserne auf. Die 1500 Plätze dort wurden der Stadt bislang bei der Unterbringung angerechnet.

(Foto: Christof Stache/AFP)
  • Bis zum Jahresende fehlen der Stadt München laut Regierung von Oberbayern 5883 Plätze für Flüchtlinge.
  • Im kommenden Jahr wird das Loch wohl nochmals wachsen, wie es aus einem Strategie-Papier von Sozialreferentin Dorothee Schiwy hervorgeht.
  • Die Ursache: Bund und Freistaat behindern den Neubau von Plätzen, so der Vorwurf. Gleichzeitig wurde der Verteilungsschlüssel für Bayern zum Nachteil Münchens verändert.

Von Heiner Effern

Der Stadt fehlen weit mehr Plätze für Flüchtlinge als bisher bekannt. Bis zum Jahresende wird das Defizit laut der Regierung von Oberbayern auf 5883 Plätze wachsen. So steht es in einem Strategie-Papier zur Planung und zum Betrieb von Unterkünften, das Sozialreferentin Dorothee Schiwy dem Stadtrat am Mittwoch vorlegen wird. Im kommenden Jahr wird das Loch demnach nochmals wachsen. Bis Ende September 2017 wird die Stadt 1069 Plätze mehr auflösen, als sie im gleichen Zeitraum schafft.

Als erste Reaktion übernimmt München 500 Flüchtlinge in der Bayernkaserne, die nach dem Auszug der Regierung von Oberbayern am 31. Dezember 2016 nun von der Stadt betreut werden. Darüber hinaus wird die Sozialreferentin dem Stadtrat vorschlagen, "alle bisher geplanten Unterkünfte" zu realisieren und zusätzlich 1069 neue Plätze auf den Weg zu bringen. Schiwy spricht aber von einem "theoretischen Defizit". Denn München bringt derzeit zwar knapp 6000 Asylbewerber weniger unter, als es nach dem Verteilungsschlüssel müsste. In Bayern stehen derzeit aber keine Flüchtlinge auf der Straße - sie werden anderswo beherbergt.

Dass München nicht genug Unterkünfte bereitstellt, daran seien aber auch der Bund und der Freistaat schuld, sagt Schiwy. Ersterer belaste mit seinem Verteilungsschlüssel einseitig Ballungsräume, "das ist eine Katastrophe". Das Land Bayern wiederum habe in diesem Jahr den Neubau von Plätzen gehörig gebremst. In zwei Schreiben der zuständigen Regierung von Oberbayern vom März und vom Juni 2016 seien die Kommunen angehalten worden, "ab sofort Neueröffnungen, Neuanmietungen, Vertragsabschlüsse, Ausschreibungen und Vergaben" vorher mit der Regierung abzustimmen. Andernfalls übernähme der Freistaat die Kosten nicht, steht in Schiwys Papier. Die Verhandlungen seien schwierig. "De facto bedeutete dies einen weitgehenden Planungs- und Baustopp für zahlreiche, auch bereits vom Münchner Stadtrat beschlossene Unterkunftsprojekte." Ein Abbau des "rechnerischen Defizits" sei deshalb nicht möglich gewesen.

Die Regierung scheint der Unmut der Stadt aber wenig zu beeindrucken. Die Behörde des Freistaats wird ihre Erstaufnahme in der Bayernkaserne wie vorgesehen am 31. Dezember schließen. Damit fallen mit einem Schlag 1500 Plätze weg, die bisher der Stadt angerechnet wurden. Die dort noch lebenden Flüchtlinge müsse die Stadt München übernehmen, teilte Regierungspräsidentin Brigitta Brunner am 25. November 2016 Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mit. Sie habe dabei Bezug auf das Münchner Defizit genommen, so steht es in der Vorlage für den Stadtrat.

Das bisherige Defizit beruhe auf der dramatischen Platz- und Wohnungsnot

Dieser wird Schiwys Vorschlägen aller Voraussicht nach zustimmen. Die Fraktionen von SPD und CSU sprachen sich in ihren Sitzungen am Montag dafür aus. Doch nicht nur SPD-Sozialsprecher Christian Müller fragt sich, warum die "theoretische Diskussion" plötzlich so Fahrt aufnimmt in einer Zeit, in der die Zahl der Neuankünfte konstant niedrig ist. Auch Sozialreferentin Schiwy klagt, der Freistaat schließe seine eigene Unterkunft und laste das München an. Außerdem habe das Land den Verteilungsschlüssel für Bayern im Sommer nochmals zum Nachteil Münchens verändert. Allein damit sei das Loch der Stadt um 866 Plätze gewachsen, ohne dass mehr Flüchtlinge angekommen seien. "Das ist in einer Boomtown wie München grotesk." Das bisherige Defizit beruhe auf der dramatischen Platz- und Wohnungsnot, nun werde es durch den Freistaat vergrößert. Die Stadt werde trotzdem viel Arbeit in neue Unterkünfte stecken, verspricht Schiwy.

SPD-Sozialsprecher Müller ärgert sich über den Druck der Regierung von Oberbayern. Der könne dazu führen, dass die Stadt "Steuergeld ohne Ende verbrennen" müsse. Denn der Freistaat zahle maximal für 300 leere Reservebetten. Für jeden weiteren Platz, der zwar das rechnerische Defizit verringert, faktisch aber nicht belegt ist, müsse die Stadt selbst aufkommen. "Wenn es gut geht, haben wir dann 2000 neue Plätze, und wir erhalten dafür keinen Cent." Die Regierung solle doch sagen, wie die Stadt weiter vorgehen solle. Die Behörde ihrerseits will den Kommunen nun offenbar wieder Flüchtlinge zuweisen, weil ihre eigenen Unterkünfte voll sind. Dabei handelt es sich meist um sogenannte Fehlbeleger, also Flüchtlinge, die anerkannt sind und ausziehen müssten, aber keine Wohnung finden. München übernimmt solche Personen erfolgreich in sein Programm für Wohnungslose. Dort werden sie, anders als in einer Asyl-Unterkunft, nicht auf die Quote angerechnet.

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