Artenschutz:Tierpark Hellabrunn unterstützt Auswilderungsstation auf Sumatra

Artenschutz: Sechs Orang-Utans leben im Tierpark Hellabrunn.

Sechs Orang-Utans leben im Tierpark Hellabrunn.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Orang-Utans sollen auf der indonesischen Insel auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden. Ihre Münchner Artgenossen auszuwildern macht aber keinen Sinn.

Von Christina Hertel

Dara klammert sich mit ihren brauen Händen an den Gitterstäben fest und zieht eine Schnute. So sieht sie fast ein bisschen aus wie ein Mensch, der sich denkt: "Ach, lasst mich doch alle in Ruhe."

Aber Dara ist kein Mensch, sie ist ein Orang-Utan und bis sie tun und lassen kann, was sie möchte, dauert es noch eine Weile. Sie lebt auf der indonesischen Insel Sumatra in einer Auswilderungsstation. Vorher wurde sie illegal als Haustier gehalten, jetzt soll sie langsam auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden.

Orang-Utan Bruno sitzt hinter einer Scheibe. Aber nicht auf Sumatra, sondern 12 000 Kilometer westlich im Münchner Tierpark Hellabrunn. Er wurde vor 47 Jahren im Schwabinger Krankenhaus geboren und wird wohl auch in München sterben. Ihn auszuwildern ergebe keinen Sinn, in der Natur sei er gar nicht überlebensfähig, er habe sich zu sehr an die Menschen gewöhnt, sagt Tierpfleger Walter Gebhardt, der sich seit mehr als 30 Jahren um die Affen in Hellabrunn kümmert.

Auch wenn keine Münchner Orang-Utans ausgewildert werden, unterstützt der Tierpark das Projekt auf Sumatra. Mit Ausstellungen und Vorträgen macht der Zoo darauf aufmerksam - und mit Filmen. Einer davon zeigt Daras Geschichte, zum "Welt-Orang-Utan-Tag" am Freitag war er in Hellabrunn zu sehen. Außerdem fördert der Tierpark das Programm finanziell. Es ist eines von 13 Artenschutzprojekten, für die Hellabrunn im vergangenen Jahr insgesamt 25 600 Euro gespendet hat.

Dara bereitet sich schon seit einem Jahr auf ihr Leben in Freiheit vor. Auf ihrem Stundenplan steht zum Beispiel Kletterunterricht. "Im Käfig ist ja alles stabil. Die Affen müssen erst lernen, dass Äste nicht alles aushalten", sagt Peter Pratje. Vor fast 20 Jahren hat er die Auswilderungsstation, die von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt betrieben wird, auf Sumatra aufgebaut. Sie liegt im Nationalpark Bukit Tigapuluh, wo eigentlich schon seit etwa 150 Jahren keine Orang-Utans mehr leben. Doch das hat sich inzwischen geändert. Seit Beginn des Programms konnten mehr als 160 der Affen ausgewildert werden.

Artenschutz: Das Personal im Tierpark hält die Orang-Utangs auf Trab, nicht um sie auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten, sondern um sie zu beschäftigen.

Das Personal im Tierpark hält die Orang-Utangs auf Trab, nicht um sie auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten, sondern um sie zu beschäftigen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Insgesamt leben auf Sumatra noch etwa 6000 Orang-Utans. Die, die in die Auswilderungsstation kommen, haben oft schon viel hinter sich: Entweder sie wurden so wie Dara illegal als Haustiere gehalten - oft in winzigen Käfigen. Oder sie haben schon früh ihre Eltern verloren, oft weil sie den Palmölplantagen zu nahe kamen.

Denn der Lebensraum für Orang-Utans wird immer kleiner. 80 Prozent des Regenwaldes ist laut Pratje in den vergangenen 50 Jahren gerodet worden - zum Großteil, um Palmöl zu gewinnen, das in vielen Lebensmitteln - von Margarine bis Schokolade - enthalten ist.

Der Aufwand, ausgewachsene Orang-Utans auszuwildern, ist größer

Nach dem Kletterunterricht ist für Dara Nahrungskunde dran. Sie muss erst lernen, was ein Affe alles essen darf - und wie viel. Die Früchte, die direkt aus dem Wald kommen, sind nämlich weniger süß und nicht so nährstoffreich wie die gezüchteten. Außerdem soll sie sich daran gewöhnen, dass sie Nahrung nicht mehr einfach so bekommt. In der Aufzuchtstation geben ihr die Pfleger Früchte, die in Bananenblätter eingeschnürt sind, die sie also erst einmal auspacken muss.

Auch in München macht Walter Gebhardt aus der Nahrungsaufnahme eine kleine Aufgabe, aber nur, wenn es um kleine Leckerbissen geht. An der Scheibe sind Kästen mit Schlitzen angebracht. Mit Stöcken können die Orang-Utans da Sonnenblumenkerne rausholen. Gebhardt gibt ihnen auch Hölzer, in denen Rosinen stecken, und Röhren, die mit Honig, Senf oder Joghurt gefüllt sind.

Das Auswilderungstraining dauert mindestens ein Jahr

"Da popeln sie dann schon eine Weile dran herum", sagt er. Nur ist das bei den sechs Münchner Orang-Utans keine Vorbereitung auf die Freiheit, sondern Beschäftigungstherapie. Gebhardt ist sich sicher, dass sie es auch es in Hellabrunn gut haben. Zum Beispiel respektiere er ihren Willen. Wenn sie nicht in ihren Käfig für die Nacht wollen, damit er sauber machen kann, zwinge er sie nicht dazu. "Dann muss ich halt ein paar Tage warten", meint der Tierpfleger.

Zwar sei es aus ihrer Sicht nicht unmöglich, auch ausgewachsene Orang-Utans auszuwildern. Doch der Aufwand sei natürlich größer, meint Julia Pogerth, die in Hellabrunn für die Umweltbildung zuständig ist. Münchner Affen dorthin zu schicken, mache für sie deshalb keinen Sinn.

Tatsächlich ist der Aufwand auch bei indonesischen Affen groß. Zuerst müssen sie einen Monat auf einer Quarantänestation verbringen. Dort wird ihr Blut auf Krankheiten getestet, dann beginnt das Training. "Ich schätze, dass es immer mindestens ein Jahr dauert, bei manchen Affen bestimmt mehrere Jahre", sagt Pogerth.

Für Dara ist der große Tag gekommen. In einer großen Kiste bringen sie ihre Pfleger mehrere Kilometer tief in den Urwald hinein. Dort öffnen sie die Klappe und locken Dara mit Obst heraus. Lange müssen sie nicht warten, bis sie sich blicken lässt. Dara springt gleich heraus auf einen Baum - ihr Leben in Freiheit hat begonnen.

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