Arctic Monkeys in München:Mach' mir den Elvis

BESTPIX  Falls Music Festival - Day 3

Die Schmalztolle als neues Markenzeichen: Sänger Alex Turner von den Arctic Monkeys beim Falls Music Festival in Australien.

(Foto: Getty Images)

Einst galten die Arctic Monkeys als "Internetwunderband". Sieben Jahre und fünf Alben später schafft es die britische Band noch immer, das Münchner Publikum zum Kreischen zu bringen. Dabei ist Alex Turner als Elvis-Imitator nicht die beste Besetzung.

Von Anna Fischhaber

Ein wenig wirkt Alex Turner immer noch wie der schüchterne Junge von damals, der über Nacht bekannt wurde. Auch wenn er sich alle Mühe mit seinen Stadionposen gibt. Er reißt den Arm in die Luft, wirft seine Tolle nach hinten, reckt die Gitarre in die Luft, zuckt mit der Hüfte.

Die Band verschwindet hinter diesen Posen. Dieser Auftritt ist eine Ein-Mann-Show. Die Show eines Mannes, der sich als junger Elvis präsentiert. Nur: Dieser Mann ist nicht Elvis. Selbst in seiner Heimatstadt, der britischen Arbeiterstadt Sheffield, gibt es wahrscheinlich bessere Elvis-Imitatoren. Spaß macht das Konzert der Arctic Monkeys an diesem Dienstagabend in München trotzdem - und das liegt vor allem am Publikum, das die Band wie eine Boygroup feiert.

Als das Licht aus- und wieder angeht, ist minutenlang nur Kreischen zu hören. Handys werden in die Höhe gehalten. Dabei ist die Bühne im Zenith zu diesem Zeitpunkt noch leer. Die Arctic Monkeys galten einst als "Internetwunderband". Über das Online-Netzwerk Myspace erspielten sich die Teenager mit ihrem ungehobelten und zugleich so überschwänglichen Schrammelsound schon vor dem ersten Plattenvertrag eine Fangemeinde.

Ihr Debüt "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not" (2006) mit dem großartigen Aschenbecher-Design und den Texten über erfolglose Discoabende verkaufte sich allein in der ersten Woche fast 400.000 Mal - ein Rekord in der britischen Popgeschichte. Und während Myspace inzwischen um ein Comeback ringt, schaffen es die Arctic Monkeys fünf Alben und sieben Jahre später noch immer, das gut gefüllte Zenith zum Tanzen zu bringen.

Das neue Album samt Hip-Hop-Beats, Huldigungen an die Rockgeschichte und R'n'B-Ballade wurde von Kritikern wohlwollend aufgenommen. Die Indieschublade sei längst zu eng geworden für diese britische Band. Sie habe sich entwickelt. Man merke ihr an, dass sie nicht mehr in Sheffield, sondern in L.A. lebe und ihre Alben mit Josh Homme von Queens Of The Stone Age aufnehme.

Die Arctic Monkeys wollen inzwischen erwachsen sein - auch äußerlich: Sie tragen schnieke Anzüge statt Trainingsjacken und machen auf Megaband. An die britische Heimat erinnert nur noch die Nummer auf der Bassdrum. 0114, die Vorwahl von Sheffield.

Turner ist jetzt nur noch Sänger

Es ist ein reduziertes Konzert. Im Hintergrund stehen zwei große Buchstaben, die wie bei einer Revue-Show leuchten. A und M, der Titel des neuen Albums und die Initialen der Band. Die Musiker tragen schwarz, für Effekte sorgen allein die zahllosen Scheinwerfer, die bei jedem Song die Farbe wechseln. Mal rot, mal lila, mal grün zerteilen die Strahlen die Dunkelheit. Sonst soll sich alle Aufmerksamkeit auf Frontmann Turner richten - und der hat sich gewaltig verändert.

Gerade 20 Jahre alt war er, als die Band erfolgreich wurde. Seine einst zotteligen Haare trägt er nun kurz samt Schmalztolle, die er zwischen den Songs mit einem Kamm in Form bringt. Seine Gitarre gibt er immer wieder an einen Ersatzmusiker ab, er ist jetzt nur noch Sänger. Entertainer. Konzentriert sich ganz auf die Posen. Nur, dass die bei ihm ein wenig einstudiert wirken.

Zum Kreischen bringt er die Indiemädels - die älteren tragen inzwischen Perlenohrringe, doch es sind auch ein paar jüngere dazugekommen - trotzdem noch. Das Publikum in München würde die Konzerthalle bisweilen mit einem Fußballstadion verwechseln, hatte Gitarrist Jamie Cook einmal erzählt. Aber er liebe Fußball. Die Zuschauer enttäuschen ihn auch diesmal nicht.

Wenn die Arctic Monkeys ihre alten Songs wie "Dancing Shoes" und "I bet you look good on the dancefloor" spielen, singen sie jede Zeile mit. So laut, dass Turner kaum noch zu hören ist. Die aktuellen Songs werden freundlich angenommen - "One for the Road" etwa, die Single vom neuen Album, oder "Fireside", das Turner über eine Exfreundin geschrieben haben soll. Doch zwischendurch bekommt man das Gefühl: Egal, wie viel Mühe sich die Band mit der eigenen Entwicklung gegeben hat, hier warten alle nur auf die Indiehits von einst.

Zum Glück gibt es die Momente, in denen Turner zwischen seinen Posen innehält, wie eingefroren steht er dem Publikum dann gegenüber, sieht fast ungläubig aus. So als könnte er den Erfolg der Arctic Monkeys noch immer nicht glauben. Als wäre das ganze Erwachsensein nur eine große Show. Eine Frage bleibt, sagt er, bevor er die letzte Zugabe ankündigt: "R U Mine?" Es klingt tatsächlich wie eine Frage.

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