Arbeitsmarkt:Sieben Fragen und Antworten zur Arbeitslosigkeit in München

Arbeitsmarkt: In München gibt es viele offene Stellen. Trotzdem kommen Arbeit und Arbeitsuchende häufig nicht zusammen.

In München gibt es viele offene Stellen. Trotzdem kommen Arbeit und Arbeitsuchende häufig nicht zusammen.

In der Stadt gibt es mehr offene Stellen als Menschen ohne Job. Trotzdem finden Tausende einfach keine Beschäftigung. Wie kann das sein?

Von Pia Ratzesberger

Erst diese Woche hat die Münchner Arbeitsagentur wieder einmal gute Nachrichten verschickt: Immer weniger Arbeitslose! Arbeitskräfte gefragt wie nie! Rekordjahr! Trotzdem aber haben Zehntausende Menschen in der Stadt, die eigentlich arbeiten wollen, nach wie vor keinen Job, fast ein Viertel der Leute sucht schon mehr als ein Jahr vergeblich. Sieben Fragen und sieben Antworten zur Arbeitslosigkeit in München.

Warum sind viele Menschen ohne Job, obwohl es der Wirtschaft in Stadt eigentlich so gut geht?

Viele Firmen in München suchen Leute, die bei ihnen arbeiten wollen; allein im vergangenen Jahr haben Unternehmen mehr als 47 000 Stellenangebote bei der Arbeitsagentur gemeldet. Im gleichen Jahr waren im Schnitt etwa 40 000 Menschen in der Stadt ohne Arbeit, man könnte also meinen, die müssten alle sofort eine Stelle finden - die Firmen in München klagen immer wieder über Fachkräftemangel. Was in den Jobs verlangt wird und was die Leute mitbringen, passt aber nicht immer zusammen. Um die 60 Prozent der Menschen ohne Arbeit, die das Münchner Jobcenter betreut, haben zum Beispiel keine Ausbildung abgeschlossen, für sie kämen erst einmal vor allem Hilfsjobs in Frage, von denen es aber nicht so viele gibt. "Wir haben zwar einen guten Mix aus verschiedenen Branchen, aber in diesem Bereich haben wir nicht genügend Stellen", sagt Sabine Schultheiß, stellvertretende Geschäftsführerin des Jobcenters.

Wie groß ist das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit in München?

Von den 40 000 Menschen, die in der Stadt keinen Job haben, sind um die 8800 länger als ein Jahr auf der Suche, also in etwa ein Viertel. In Hamburg zum Beispiel liegt die Quote höher, dort sucht jeder dritte seit mehr als einem Jahr einen Job, ebenso in Berlin. Schaut man sich die vergangenen Jahre an, waren in München zum Beispiel im Dezember 2006 besonders viele Menschen ohne Job, kurz vor Beginn der globalen Finanzkrise galten mehr als doppelt so viele Menschen als langzeitarbeitslos wie heute. Bis zum Jahr 2012 ging die Zahl der Langzeitarbeitslosen in der Stadt dann deutlich zurück, stagnierte anschließend ein paar Jahre und seit 2016 nimmt sie aufs Neue wieder ab. Das Problem ist also kleiner als früher, aber immer noch groß.

Welche Menschen laufen vor allem Gefahr, lange Zeit ohne Job zu bleiben?

Es trifft Akademiker genauso wie Handwerker, Männer genauso wie Frauen. Unter den Menschen, die seit mehr als einem Jahr keine Arbeit haben, sind allerdings besonders viele, die keine Ausbildung abgeschlossen haben (mehr als 61 Prozent) und die schon älter sind als 50 Jahre (mehr als 43 Prozent). Außerdem hat ein höheres Risiko, wer nur schlecht Deutsch spricht, wer nicht ganz gesund ist oder zeitlich sehr gebunden ist, weil er zum Beispiel die Kinder oder die Eltern betreut. Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, desto geringer die Chance auf eine neue Stelle - um die 22 Prozent der Langzeitarbeitslosen in München haben schon seit vier Jahren oder länger keinen Job mehr.

Was wird in der Stadt dagegen getan?

In München gibt es verschiedene Ideen, damit diese Menschen wieder eine Arbeit finden. Das Jobcenter zum Beispiel bietet unter anderem Coachings und Weiterbildungen an, pro Jahr beginnen dort 8000 Menschen mit irgendeiner Art von Förderprogramm. Die Stadt München hat zudem ein eigenes Programm namens MBQ (Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm), das auch die Langzeitarbeitslosen miteinbezieht. Zum Beispiel bezuschusst die Stadt damit mehr als 30 soziale Betriebe, in denen die Menschen mitarbeiten und wieder lernen, in Cafés oder Werkstätten, in Verwaltung und Verkauf.

Wie viele Leute bekommen nach so langer Zeit wieder einen Job?

Von den um die 8800 Langzeitarbeitslosen hat das Jobcenter im vergangenen Jahr etwa 1400 in eine neue Arbeit vermittelt. "Klar ist das in der Summe zu wenig", sagt Sabine Schultheiß vom Jobcenter, gerade weil eigentlich so viele Unternehmen Leute suchten. Es brauche allerdings auch von deren Seite mehr Offenheit, manchmal gebe es den Arbeitslosen gegenüber noch immer Vorurteile, auch zu starre Stellenbeschreibungen seien oftmals ein Problem.

In welchen Branchen finden die Menschen wieder Arbeit?

Besonders oft arbeiten die Leute, die lange ohne Job waren, im Verkehr und in der Logistik, im Handel oder auch in der Gastronomie. Besonders selten sind dagegen Jobs im Bereich der IT, in der Medizin sowie in der Fertigung.

Wie versucht man zu verhindern, dass die Menschen erst gar nicht so lange ohne Arbeit bleiben?

Es gibt seit einem Jahr ein eigenes Programm, um zu vermeiden, dass Menschen für lange Zeit ohne Arbeit bleiben, das sogenannte Passgenaue Kompetenztraining, kurz Pakt. Für sechs Monate bekommen die Leute dort unter anderem einzelne Coachings, Bewerbungstrainings, Sprachkurse, Computerkurse. In dieser Zeit gehen sie jeden Tag zu diesem Programm, zu festen Zeiten, haben wieder Struktur im Tag. Die Leute fänden es gut, erst einmal alleine beraten zu werden und nicht gleich zu einer Gruppe zu müssen, sagt Barbara Winter vom Bfz, kurz für die Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft. "Das wird von vielen sonst als Stigma erlebt." Das Bfz, die Arbeitsagentur und die Deutschen Angestellten Akademie tragen dieses Programm gemeinsam, 248 Leute haben das Ganze bisher beendet - von denen hat etwa die Hälfte nun wieder einen Job. Wenn es klappt, klappt es meistens innerhalb der ersten drei Monate.

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