Arbeitsmarkt in München:"Wir wollen Hunderte einstellen"

Fachkräfte dringend gesucht: 2009 wird es auch in München Entlassungen geben - und doch bieten viele Firmen noch attraktive Jobs.

M. Tibudd und A. Jaax

Der Münchner Arbeitsmarkt bleibt trotz der Finanzkrise vorerst stabil. Im Jahresverlauf befürchtet die Arbeitsagentur zwar weitere Jobverluste, Fachkräfte bleiben allerdings gesucht. Der Autobauer BMW sucht gleich mehrere hundert Spezialisten für die Entwicklung der Autos der Zukunft - also Wagen mit reinem Elektro- oder Hybridmotor.

Arbeitsmarkt in München: Bei BMW stehen die Bänder zwar immer noch still - damit in Zukunft wieder Autos gekauft werden, will der Konzern seine Forschungsabteilung aber ausbauen.

Bei BMW stehen die Bänder zwar immer noch still - damit in Zukunft wieder Autos gekauft werden, will der Konzern seine Forschungsabteilung aber ausbauen.

(Foto: Foto: ap)

50.300 Menschen waren im Dezember bei der Münchner Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet. Das entspricht einer Quote von 4,3 Prozent oder einem Anstieg um 0,2 Prozentpunkte im Vergleich zum November, in dem 48700 Menschen ohne Job waren.

"Der Anstieg ist größtenteils saisonal bedingt", sagt Ulrich Viertl, Geschäftsführer der Arbeitsagentur. Entlassungen in der Baubranche etwa oder in Gärtnereiberufen sind in der kalten Jahreszeit üblich. Allerdings wird es bei diesem alljährlichen Effekt nicht bleiben: "Wir gehen davon aus, dass wir die Konsequenzen der konjunkturellen Entwicklung im Lauf des Jahres zu spüren bekommen", sagt Viertl.

Diese Konsequenzen werden allerdings unterschiedlich ausfallen. Denn eine Sache hat sich durch die Krise nicht geändert: der Mangel an Fachkräften in einer Reihe von Branchen. Ursula Landeck, Arbeitsvermittlerin der Arbeitsagentur, kann eine lange Liste von Wirtschaftszweigen aufzählen, in denen die größere Sorge bei den Arbeitgebern liegt, die nicht genügend Mitarbeiter finden. Darunter sind bei weitem nicht nur die ganz hochqualifizierten Tätigkeiten: Kommunikationselektroniker etwa sind sehr gefragt oder Industriemechaniker, Dreher und Fräser oder Anlagenmechaniker für Heizungen.

Am begehrtesten sind indes IT-Fachleute. "Dort suchen die Unternehmen händeringend etwa nach Software-Entwicklern", sagt Landeck. "Viele Unternehmen finden überhaupt keine deutschen Mitarbeiter und suchen deswegen im Ausland." Den Aufwand für Arbeitsgenehmigungen und andere Papiere nehmen die Unternehmen dabei gern in Kauf, "und es ist auch meistens kein Problem, die zu bekommen, weil es eben kaum deutsche Bewerber gibt."

Ein Zustand, der insbesondere mittelständischen Softwareunternehmen große Schwierigkeiten bereitet. "Wir brauchen dringend muttersprachliche Software-Entwickler", sagt Martin Hager, Geschäftsführer bei der Firma Retarus, die von Berg am Laim aus Sicherheitslösungen für den E-Mail-Verkehr von Unternehmen anbietet oder Programme für massenhaften Faxversand schreibt. Von seinen 180 Mitarbeitern sind derzeit 20 Entwickler, "aber wir könnten sofort fünf bis zehn weitere brauchen", sagt Hager.

Im zweiten Teil lesen Sie, was das Problem bei der Sache ist.

"Wir wollen Hunderte einstellen"

Das Problem: Auch konkurrierende Großunternehmen sind auf der Suche nach Leuten, und die können mit ihren großen Personalabteilungen oft effizienter um Hochschulabgänger werben. Mittelständler Hager wirbt denn auch mit Qualitäten für sein Unternehmen als Arbeitsplatz. Er glaubt sich sogar im Vorteil: "Wir bieten eine langfristige Perspektive", sagt Hager, "und wir haben familienfreundliche Arbeitszeiten - bei uns kann man abends nach Hause gehen."

Doch offene Stellen gibt es nicht nur in der zukunftsträchtigen Computerbranche. Auch in der akut krisengeschüttelten Automobilindustrie gibt es Pläne für neues Personal. So stehen bei BMW die Bänder zwar immer noch still in Folge der Absatzkrise. Damit in Zukunft wieder Autos gekauft werden, will der Konzern seine Forschungsabteilung ausbauen. "Wir wollen in München einige hundert Ingenieure neu einstellen", sagt Konzernsprecher Michael Rebstock. Diese sollen nicht weniger als das Auto der Zukunft entwickeln. Die besten Karten haben dem entsprechend Experten für alternative Antriebstechnologien mit zwei bis drei Jahren Berufserfahrung.

Von einem Ende des Fachkräftemangels kann auch bei Siemens nicht die Rede sein. "In den naturwissenschaftlich-technischen Fächern haben wir einen ganz erheblichen, eher wachsenden Bedarf", sagt Pressesprecher Karlheinz Groebmair. Der Konzern sucht für 2009 mehr als 1000 Ingenieure, wobei allerdings nur ein Teil am bisher größten Forschungsstandort des Unternehmens in Perlach angesiedelt werden dürfte. Stärker profitieren wird Erlangen. In der Münchner Konzernverwaltung hingegen wird 2009 noch Personal abgebaut. Doch Groebmair betont: "Insgesamt stellen wir mehr ein, als wir entlassen."

Für Hochqualifizierte kann auch die Fraunhofer-Gesellschaft ein weiterer möglicher Arbeitsplatz sein. Bundesweit sucht die Forschungseinrichtung für ihre 57 Institute in diesem Jahr 1100 neue Mitarbeiter. Wie viele davon in München tätig sein sollen, darüber schweigt die Gesellschaft. Immerhin 20 neue Stellen sollen dabei in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit der Technischen Universität in Garching entstehen. Deren Thema soll die IT-Sicherheit sein, und somit ist klar: Auch die Fraunhofer-Gesellschaft wird um Informatik-Absolventen mitbuhlen.

Bei all diesen guten Nachrichten aus einigen Bereichen der Arbeitswelt - es bleibt die Aussicht auf einen erheblichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Besonders hart dürfte es etwa Bürokaufleute treffen, wo es schon "auch mal100 Bewerbungen oder mehr auf eine Stelle" gibt, wie Arbeitsvermittlerin Landeck berichtet. Allerdings, diesen Trost kann ihr Chef Ulrich Viertl spenden: "Die Arbeitsagentur ist gut vorbereitet, auch mehr Arbeitslose intensiv betreuen zu können."

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