Pilotprojekt in München:Arbeitslose bekommen Vorschüsse künftig im Supermarkt

Supermarktkasse

Im Notfall bekommen Empfänger künftig Geld an der Supermarktkasse ausgezahlt.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Mit einem Gutschein können sich Arbeitslosengeldempfänger Bargeld an Supermarktkassen in München auszahlen lassen.
  • Die neue Regelung betrifft nur Zuschüsse, die in besonderen Notfällen beantragt werden können.
  • Die Arbeitsagentur will damit das Verfahren entbürokratisieren und beschleunigen.

Von Inga Rahmsdorf

Auf dem Zahlschein steht ein Geldbetrag, daneben ist ein Strichcode abgedruckt. Kein Name, kein anderer Hinweis, nur noch ein Gültigkeitsdatum. Mit diesem Beleg können sich Arbeitslosengeldempfänger von Juni an Bargeld an Supermarktkassen in München auszahlen lassen. Bisher wurde das Geld an einem Automaten in der Arbeitsagentur ausgezahlt. Die neue Regelung betrifft allerdings nur Zuschüsse, die in besonderen Notfällen beantragt werden können. Das Arbeitslosengeld wird weiterhin regulär auf die Konten der Leistungsempfänger überwiesen.

Solche Notsituationen können zum Beispiel sein, dass die Waschmaschine eines Hartz-IV-Empfängers plötzlich nicht mehr funktioniert, er aber nicht genügend Geld hat, um sich ein neues Gerät kaufen zu können. Der Betroffene kann dann bei der Agentur für Arbeit einen Vorschuss beantragen. Stimmt der Sachbearbeiter zu, erhält die Person künftig einen Zahlschein, den sie im Supermarkt gegen Bargeld eintauschen kann. Mit diesem Vorgehen will die Arbeitsagentur das Verfahren nach eigenen Angaben entbürokratisieren und beschleunigen.

Pilotprojekt in München: Der Zahlschein ist bewusst anonym gehalten. Screenshot: Arbeitsagentur

Der Zahlschein ist bewusst anonym gehalten. Screenshot: Arbeitsagentur

Der Standort in München ist einer von bundesweit neun Standorten, der an diesem Pilotprojekt teilnimmt. Zudem beteiligen sich sechs Einzelhändler an dem neuen Verfahren: Arbeitslosengeld-Bezieher können die Zahlscheine bei Rewe, Real, Rossmann, Penny, DM und Dr. Eckert eintauschen. Deutschlandweit will die Arbeitsagentur bis Ende 2018 flächendeckend alle ihre eigenen Kassenautomaten abbauen und das Bargeld nur noch an Supermarktkassen auszahlen lassen.

Als Grund für das neue Verfahren nennt die Arbeitsagentur, dass die bisher genutzten Kassenautomaten bereits sehr lange in Betrieb seien. Immer öfter fielen sie aus. Bei einer Ausschreibung hat sich ein privater Anbieter durchgesetzt, der wiederum Kosten spare. Jede Transaktion am Kassenautomaten koste derzeit rund acht Euro. Das Angebot der Berliner Firma Cash Payment Solutions für die Barauszahlungen an den Supermarktkassen soll deutlich günstiger sein als der Unterhalt der Kassenautomaten. Der Zahlungsdienstanbieter verfügt ohnehin schon über ein bundesweites Händlernetz. Dort können Kunden Online-Einkäufe und Stromrechnungen bar an der Ladenkasse bezahlen. Einige Banken bieten ihren Kunden diese Auszahlungsform auch als Alternative zum Geldautomaten an.

Unumstritten sind Bargeldauszahlungen an Supermarktkassen allerdings nicht. Kritiker befürchten, dass die Empfänger von Sozialleistungen diskriminiert und in der Öffentlichkeit bloß gestellt werden könnten. Die Arbeitsagentur sieht diese Gefahr hingegen nicht. Der Zahlschein sei bewusst neutral und anonym gehalten, sagt Anne Beck, Sprecherin der Agentur München. Er enthalte kein Logo der Arbeitsagentur. Anhand des Zettels könne daher niemand im Supermarkt erkennen, ob der Kunde Sozialleistungen bezieht oder ob er beispielsweise den Zahlschein eines Online-Versandhandels eintauscht.

Niemand kann erkennen, dass es sich um staatliche Hilfen handelt

Das neue Verfahren sei zudem unkompliziert, wirbt Arbeitsagentur-Sprecherin Beck. Jeder Zahlschein zähle im Anhang die nächstgelegenen Filialen auf. Der Code auf dem Zahlschein wird dann dort an der Supermarktkasse eingescannt, der Kunde erhält sein Bargeld. Die Kasse versendet umgehend eine Zahlungsbestätigung. Dabei würden keine Namen oder andere Daten der Person sichtbar, versichert Sprecherin Beck. Das garantiere, dass der Kassierer ebenfalls nicht sehen könne, wer den Zahlschein ausgestellt und wer ihn eingelöst habe.

So praktisch das Verfahren ist: Barauszahlungen von Sozialleistungen würden aber die Ausnahme bleiben. Sie machten nur einen sehr geringen Teil der Gesamtauszahlungen aus, sagt Beck. Im vergangenen Jahr wurden im Bereich der Arbeitsagentur München insgesamt 222,5 Millionen Euro Sozialleistungen bewilligt. Davon wurden nur 376 600 Euro an Bargeld an den Automaten der Arbeitsagentur ausgezahlt. Das macht nur knapp 0,2 Prozent der Gesamtsumme aus. Für die meisten Sozialhilfeempfänger wird sich auch künftig nichts ändern.

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