Arbeitsagentur-Chef:"Die Agentur ist kein Behördenapparat"

Der Offizier Bernd Becking, neuer Chef der Münchner Arbeitsagentur, will mehr Transparenz, mehr Geld für Kurzarbeit und mehr Vermittler.

Michael Tibudd

Bernd Becking, 49, ist seit Anfang Januar Vorsitzender der Geschäftsführung der Münchner Arbeitsagentur. Becking hat zuvor in gleicher Funktion die Agenturen in Passau und Berlin-Süd geleitet. Vor drei Jahren war sein Arbeitgeber noch die Bundeswehr - der neue Chef ist ehemaliger Offizier, hat an der Münchner Bundeswehr-Universität studiert und eine Militärkarriere mit Funktionen im In- und Ausland hinter sich, zuletzt arbeitete er im Bundesverteidigungsministerium. Er ist Berufs- und Wirtschaftspädagoge sowie Politikwissenschaftler. Die SZ sprach mit ihm über seinen Führungsstil, die Zusammenarbeit mit der Stadt München und die Frage, was eine Arbeitsagentur tun kann, um die Folgen der Wirtschaftkrise abzumildern.

Arbeitsagentur-Chef: Arbeitsagentur-Chef Becking:

Arbeitsagentur-Chef Becking:

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Süddeutsche Zeitung: Herr Becking, Sie waren in Berlin auch für Problembezirke wie Neukölln zuständig. Sind Sie ins verwöhnte München gekommen, weil Sie sich lieber mit Luxusproblemen beschäftigen?

Bernd Becking: Berlin hatte im vergangenen Jahr in der Tat immer die rote Laterne bei der Arbeitslosenquote. Allerdings steht Berlin im Bereich der Kurzzeit-Arbeitslosigkeit bis zu einem Jahr recht gut da, und für die ist die Arbeitsagentur hauptsächlich zuständig. Das Problem Berlins ist die hohe Zahl von Langzeitarbeitslosen, die in München deutlich niedriger ist. In unserer Zuständigkeit ist der Unterschied also nicht so groß. Die Leitung der Münchner Arbeitsagentur, des größten Agenturbezirks Deutschlands, hat man mir schon vor drei Jahren beim Wechsel vom Verteidigungsministerium in Aussicht gestellt.

SZ: Auch der Vorsitzende der Bundesagentur Frank-Jürgen Weise war Offizier. Greift in der Bundesagentur jetzt der militärische Führungsstil um sich?

Becking: Noch kann ich das Personal nicht ganz überblicken, ich kenne nur einige wenige andere ehemalige Militärs in der Agentur. Was aber schon zu erkennen ist: Es gibt sehr viele Quereinsteiger aus allen erdenklichen Berufsgruppen. Quereinsteiger zu suchen war Teil der Reform, und man sieht das Ergebnis auf allen Ebenen - vom Vermittler bis zur Führungskraft. Die Agentur ist heute kein abgeschlossener Behördenapparat mehr, sondern ein bunter und kreativer Mix.

SZ: Aber zumindest die Münchner Agentur wird jetzt mehr und mehr nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam funktionieren?

Becking: Jedes Unternehmen hat seine Kultur, und an diese Kultur muss man sich auch anpassen. Nach gut zwei Jahren und nun im dritten Haus in der Bundesagentur ist meine Erkenntnis: Am besten fährt man hier mit einem vertrauensvollen, fairen und ergebnisorientierten Führungsstil. Dinge also, wie Sie in den meisten anderen Unternehmen auch anwendbar sind. Wenn ich mit einem klischeehaften militärischen Stil ankommen würde, dann würden die Leute doch schnell blockieren. Klar ist: Wir müssen Leistung bringen, und da muss ich das Potential der Mitarbeiter ausschöpfen.

Auf der zweiten Seite: Die Zusammenarbeit mit der Stadt und was die Agentur tut, damit die Wirtschaftskrise nicht zu stark durchschlägt.

"Die Agentur ist kein Behördenapparat"

SZ: Gehört dazu auch, ihnen nur noch befristete Verträge anzubieten?

Becking: Die Bundesagentur macht mit den Befristungen nichts anderes als vielen andere Unternehmen - die befristeten Arbeitsverhältnisse sind doch vielerorts üblich. Und durch die Befristung ist auch ein Leistungsdruck da. Was früher gern über Beamtenmentalität gesagt wurde, stimmt heute nicht mehr. Außerdem können wir besser auf die Nachfrage nach unseren Leistungen reagieren. Die vergangenen Jahre gab es etwas weniger zu tun, da liefen einige Verträge aus. Nun können wir aufstocken. Und im Rahmen des Konjunkturpakets werden wir 100 Menschen unbefristete Stellen anbieten können.

SZ: Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit der Stadt? München steckt viel Geld in die gemeinsame Betreuung der Langzeitarbeitslosen und tritt der Agentur gegenüber entsprechend selbstbewusst auf.

Becking: Ich bin froh, dass die Stadt so ein großes Interesse an der Zusammenarbeit in der Arge hat. Sie könnte ihre Millionen auch woanders ausgeben. Ich bin hier von den zuständigen Stellen sehr freundlich aufgenommen worden und sehe einer funktionierenden Zusammenarbeit sehr optimistisch entgegen.

SZ: Was halten Sie von der Münchner Struktur - die Arge ist hier auf die 13 Sozialbürgerhäuser der Stadtviertel aufgeteilt?

Becking: Eine dezentrale Bearbeitung ist von Haus aus ganz gut. Mir ist aber wichtig, dass man die Leistung der einzelnen Häuser vergleichen kann - ein Wettbewerb muss bestehen. Also etwa: Wie viele Jugendliche haben die verschiedenen Stellen in den Arbeitsmarkt integriert? Hier wünsche ich mir Transparenz, damit man Schwierigkeiten schnell erkennen kann.

SZ: Aus der Sicht Ihrer Zentrale ist das Gebäude an der Kapuzinerstraße zu groß für die Agentur. Könnte man die Arge nicht dort zentral aufnehmen?

Becking: Das muss man prüfen, ich kann es mir durchaus vorstellen - konkrete Überlegungen dazu gibt es aber nicht.

SZ: Wie steht es um den geplanten Verkauf des Gebäudes?

Becking: Es gibt einige Interessenten, aber nichts Konkretes. Und in der Krise, in der wir mehr zu tun haben werden als zuletzt, kann ich mir schwer vorstellen, mit einem dann nötigen Umzug Risiken einzugehen.

SZ: Das führt zur wichtigsten Frage: Was tut die Agentur, damit die Krise am Arbeitsmarkt nicht zu stark durchschlägt?

Becking: Die Arbeitslosigkeit ist in den ersten Januarwochen gestiegen, die Quote liegt ersten Schätzungen zufolge bei 4,9 Prozent nach 4,3 Prozent im Dezember. Wir wollen möglichst viele Menschen in Beschäftigung halten, und die gute Nachricht ist: Das Geld dazu ist da. So können wir etwa Kurzarbeit finanzieren, damit unterstützen wir im Moment 8500 Menschen in 170 Betrieben, hauptsächlich in der Automobilwirtschaft und im Maschinenbau. Oder wir qualifizieren ältere Mitarbeiter weiter, um sie gegen Entlassungen abzusichern.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: