Versammlung der Anwohner:Willkommen in der Bayernkaserne

Flüchtlinge in der Bayernkaserne

Zum Nichtstun verdammt: Die Asylbewerber in der Bayernkaserne haben viel Zeit. Weil sie die auch außerhalb des ehemaligen Militärareals verbringen, haben sich immer wieder Anwohner beschwert,

(Foto: Marc Müller/dpa)

Die Aufregung in Freimann war groß zuletzt, nun zeigt sich bei einer CSU-Veranstaltung: Es fallen abfällige Kommentare über die Flüchtlinge, die meisten Besucher aber zeigen Verständnis. Doch auch sie haben noch Informationsbedarf.

Von Bernd Kastner

So plötzlich wie der Gewitterdonner draußen in der Freimanner Nacht kommt er, der Applaus. Und laut ist er. An diesem Abend ersetzt der Beifall jede Abstimmung unter den Besuchern. Die Botschaft der Applaudierenden lautet: Wir sind die Mehrheit, und wir haben nichts gegen die Flüchtlinge in der Bayernkaserne. Im völlig überfüllten Pfarrsaal von St. Katharina ist die sonst schweigende Mehrheit ziemlich laut. Die CSU hat eingeladen, genauer: die beiden Partei-Oberen Ludwig Spaenle, Kultusminister und Mitglied im örtlichen Bezirksausschuss, sowie Johannes Singhammer, Bundestagsvizepräsident und in Freimann zu Hause. Sie kamen mit ihrem "Anwohnergespräch" der SPD-Stadtspitze und deren Infoveranstaltung eine Woche zuvor, was Kopfschütteln im Rathaus auslöste. Was führt die CSU im Schilde? Will sie gar ein bisschen zündeln?

Nein, die beiden Gastgeber tun genau das Gegenteil. Sie übergehen zwar die Verantwortung der CSU-geführten Staatsregierung für die Misere in den Unterkünften. Aber vor allem treten sie als Fürsprecher einer Willkommenskultur auf. Sie berichten sachlich, sie danken für das bürgerschaftliche Engagement, sie hören zu. Nur der Dritte im Bunde auf dem Podium, Christoph Hillenbrand, Präsident der für die Erstaufnahme zuständigen Regierung von Oberbayern und einst Pressesprecher des Asyl-Hardliners Günther Beckstein, nur Hillenbrand übertrifft die Politiker. Längst hat er sich zu einem Kämpfer für die Asylsuchenden entwickelt, auch wenn seine Behörde zuletzt völlig Überblick und Kontrolle über die Kaserne verloren hatte. Kaum ein Abend vergeht, an dem er nicht irgendwo in Oberbayern in vollen Sälen spricht, wie jetzt: 120 Stühle - doppelt so viele Besucher.

Und die Bürger? Die fragen kritisch, aber meist sachlich. Gewiss, es gibt Ausreißer nach unten, wenn eine Frau etwa wissen will, warum "diese Leute immer noch Ausgang haben" - sie meint die Flüchtlinge und ist beunruhigt, weil sie, so befürchtet sie, Krankheiten übertragen könnten. Eine andere Frau echauffiert sich, weil sie immer wieder Flüchtlinge mit Mobiltelefonen sehe: "Woher haben die so supertolle Touch-Handys? Bezahlen die das selber?" Da ist die nächste Frau, mittleres Alter, aufgewühlt und hörbar keine Freundin von Flüchtlingen, die von angeblichen Übergriffen berichtet, verbaler und körperlicher Art, die auf Nachfrage aber nicht konkret werden will. Sie thematisiert, was im Sommer Aufregung in Freimann erregt hatte - aber nie belegt wurde.

Die Bürger haben auch Ideen: Warum nicht eine Gaststätte?

Jenseits diffuser Ängste und Vorurteile geben die Bürger den Behörden auch Ideen mit auf den Weg: Bitte mehr Information, lautet ein Wunsch. Ob man in der Kaserne nicht einen Aufenthaltsbereich schaffen könne, eine Art Gaststätte, wo auch Alkohol ausgeschenkt werde? Dann müssten Flüchtlinge, die ein Bier trinken wollen, nicht mehr auf die Straße. Ob man für die erste Orientierung neu Ankommender nicht ein Video erstellen könne, in dem in diversen Sprachen das Wichtigste erklärt wird, das Procedere in der Kaserne, die Umgebung? Und ob die Polit-Prominenz nicht auch mal nach Freimann kommen könne, um dem rechtsextremen Stadtrat Karl Richter bei dessen Kundgebungen die Stirn zu bieten?

Spaenle versichert, er wäre gerne mal zu Richter kommen, habe aber leider nie Zeit gehabt. Ein Polizist versichert, dass zwar im Sommer "das subjektive Sicherheitsgefühl nicht mehr" gegeben gewesen sei, dass sich die Stimmung in der Nachbarschaft seither aber stabilisiert habe und es in den vergangenen Wochen gar keine Beschwerden mehr gegeben habe. Hillenbrand betont, dass die Gesundheitsversorgung deutlich verbessert werden solle. Und nein, sagt er, längst nicht jeder Flüchtling sei arm, und so teuer seien Handys auch nicht. Der Staat jedenfalls zahle sie nicht.

Betrunkene? Gibt es auch auf der Wiesn

Der Regierungspräsident will über Info-Video und Begegnungsräume nachdenken, beides aber sei schwierig: Wie einen Film konzipieren, der bei jeder Volks- und Sprachengruppe gut ankomme? Und wie mit Alkohol umgehen? "Da haben wir keine abschließende Lösung." Als jemand von hinten dazwischenbrüllt, dass sogar Flüchtlingskinder betrunken auf der Wiese lägen, antwortet Hillenbrand so trocken wie schlagfertig: "Das sehe ich auf dem Oktoberfest leider auch." Lauter Applaus. So anders als die Münchner, soll das heißen, sind Asylsuchende gar nicht, positiv wie negativ.

Für die jungen, unbegleiteten Flüchtlinge macht sich Hillenbrand besonders stark. Er schätzt ihren Willen, ihre Kraft, sonst hätten sie es nicht bis München geschafft: "Ich bin der Überzeugung: Wir brauchen diese Jugendlichen." Wer genau hinhört bei Hillenbrand, hört sogar indirekte Kritik an der Politik über ihm: Ja, es fehle an Dolmetschern in den Unterkünften, ja, es fehle an Betreuung. "Es wäre wünschenswert, wenn wir mehr Geld hätten", sagt er, und: "Eine dichtere Betreuung wäre wünschenswert."

Den kräftigsten Applaus erhalten jene Freimanner, die sich wohlwollend äußern. Oder sich empören über den unguten Ton anderer Redner. Ein Mann, hörbar erregt, beklagt, dass er bei anderen "jegliches Mitgefühl" vermisse. Christine Voit, Lehrerin von Beruf, hält eine kurze Rede: Es betrübe sie, dass das Kommen der Flüchtlinge als so großes Problem gesehen werde. Sie selbst sei froh um jeden, der dem Tod entrinne und es übers Mittelmeer hierher schaffe. Warum sich über Handys in den Händen der Flüchtlinge Gedanken machen, fragt sie. So könnten die Menschen Kontakt zu ihren Familien halten. Es stünde allen gut an, sagt Christine Voit, sich immer wieder bewusst zu machen, wie sicher man in Deutschland lebe, "zu sehen, wie gut es uns geht". Es sind leise Worte, die sie ins Mikrofon spricht - und selten ist der Applaus der Freimanner lauter als für sie.

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