Anwalt soll Frau getötet haben:Dreißig Stiche mit dem Küchenmesser

Geldsorgen und Beziehungsprobleme: Ein Rechtsanwalt aus Schäftlarn soll seine Frau "aus krasser Eigensucht" heimtückisch ermordet haben. Die jüngste Tochter bekam die Tat mit. Nun hat in München der Prozess gegen den Vater von vier Kindern begonnen.

Von Christian Rost

Ein 47-jähriger Rechtsanwalt muss sich seit Mittwoch wegen Mordes an seiner Ehefrau vor dem Münchner Schwurgericht verantworten. Der Vater von vier Kindern soll die 37-Jährige am 25. Juni 2012 mit zahlreichen Messerstichen in ihrem Wohnhaus in Schäftlarn getötet haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Michael N. aus "krasser Eigensucht" handelte. Er vermutete demnach eine Affäre bei ihr und wollte seine Frau mit keinem anderen Mann teilen. Am Ende des auf 16 Verhandlungstage angesetzten Prozesses dürfte die zentrale Frage stehen: War es Mord oder Totschlag?

Die Angehörigen des Opfers konnten ihre Tränen nicht zurückhalten, als Staatsanwältin Nicole Selzam die Anklage mit all den grausamen Details verlas. Die Mutter und der Bruder des Opfers sitzen als Nebenkläger im Gerichtssaal, die vier Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren vertritt eine Anwältin. Die jüngste Tochter hatte an jenem Junitag von einem Nebenzimmer aus mitbekommen, wie der Vater mit einem Küchenmesser 30 Mal auf die Mutter einstach. Dem Kind soll er die Tat anschließend mit den Worten erklärt haben, die Mutter habe ihn "geärgert".

Das Ehepaar hatte seit eineinhalb Jahren Beziehungsprobleme. Trotz seines Verdienstes von zuletzt 185 000 Euro im Jahr reichte das Einkommen des Juristen, der für eine Frankfurter Kanzlei in München arbeitete, nicht für den Lebensunterhalt der Familie aus. "Wir haben aber nicht im Luxus gelebt", sagte der Angeklagte. Er habe versucht, mit seiner Frau über die Geldsorgen zu sprechen, sei dabei aber nicht weit gekommen. Auch am Tattag war es so: "Sie ließ mich einfach stehen." Auch hinsichtlich ihrer sexuellen Probleme konnten sich die beiden offenbar nicht aussprechen. Die intimen Details erörterte das Schwurgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Nach den Ermittlungen der Polizei hatten sowohl die Frau als auch der Mann Affären. So soll Michael N. zehn Tage vor der Tat auf einem Online-Portal nach einer Sexualpartnerin gesucht und sich mit der Frau auch getroffen haben. Über eine Scheidung von seiner Frau hatte er bereits mit einem Anwalt gesprochen. Die Vorstellung, im Fall einer Trennung tatsächlich aus dem gemieteten Haus in Schäftlarn ausziehen zu müssen, habe ihn aber "stinkig" gemacht. "Ich hatte mich krumm gelegt, diesen Traum zu erfüllen", sagte N., der angab, depressiv in "dieser vergifteten Atmosphäre zu Hause" geworden zu sein. Ein Jahr vor der Tat war er mit dem Auto einen Abhang hinunter gerast, ein weiterer Suizidversuch in der Untersuchungshaft nach seiner Festnahme misslang ebenfalls. Mit seinem Blut hatte er noch eine Nachricht an seine tote Frau an die Zellenwand geschrieben: "Bis gleich".

N. hatte nach der tödlichen Attacke auf seine Frau selbst die Polizei gerufen und erklärt, er könne sich an den genauen Tathergang nicht mehr erinnern. Er habe aber ständig die Bilder seiner in einer Blutlache liegenden Frau vor Augen. Vor Gericht schilderte er am ersten Verhandlungstag eloquent und detailreich seine glückliche Kindheit in Hessen, seine beruflichen Stationen im Journalismus und den Einstieg ins Anwaltsgeschäft. Der Vorsitzende Richter Michael Höhne musste den Angeklagten mehrfach bitten, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Verstörend wirkte, dass N. zeitweise regelrecht munter über seine früheren Jobs und Freundinnen plauderte. Zur Tat selbst will er kommende Woche aussagen. In Richtung seiner Schwiegermutter gewandt sagte er schließlich mit tränenerstickter Stimme: "Es tut mir leid. Ich habe das nicht gewollt."

Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst wegen Totschlags gegen N. ermittelt, den Vorwurf dann aber doch auf Mord verschärft. Die Anklage geht nun davon aus, dass der Mann seine Frau heimtückisch erstochen hat. Der erste Messerstich traf sie demnach von hinten in den Rücken, während sie gerade in der Küche im Stehen eine Semmel aß.

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