Antrittsbesuch auf der Feierbanane:Wenn die Polizei Cocktails ausschenkt

Schnapsverbot, Polizeivisiten und Kontrollbesuche: Die Gewaltexzesse an der Sonnenstraße beschäftigen Politiker und Behörden. Bei einem Rundgang hat sich Kreisverwaltungsreferent Blume-Beyerle in die Welt der Clubs gewagt. Und die Polizei versucht, die Feiernden mit eigenen Cocktail-Kreationen zu überzeugen.

Melanie Staudinger

Antrittsbesuch auf der Feierbanane: Kein Verbot von Schnaps: Auf der Sonnenstraße darf weiter die ganze Nacht getrunken werden. Stattdessen arbeitet die Polizei eng mit den Wirten zusammen, um Gewaltexzesse zu verhindern.

Kein Verbot von Schnaps: Auf der Sonnenstraße darf weiter die ganze Nacht getrunken werden. Stattdessen arbeitet die Polizei eng mit den Wirten zusammen, um Gewaltexzesse zu verhindern.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der junge Mann kommt von hinten, aus dem Halbdunkel des Clubs "Call me Drella" am Maximiliansplatz. Er schaut auf einen silberhaarigen Mann mit Brille, stürmt auf ihn zu und legt den Arm um ihn. "Der Edmund", ruft er freudig und ist überzeugt, gerade Bayerns ehemaligen Ministerpräsidenten im Münchner Nachtleben entdeckt zu haben. Doch der vermeintliche Promi-Politiker lacht nur.

"Das passiert mir öfter mit Angetrunkenen", sagt der Angesprochene, der in Wirklichkeit Münchens Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle ist. Wie Stoiber sieht er zwar nicht aus, aber immerhin die grauen Haare stimmen halbwegs. "Manche verwechseln mich auch mit Franz Beckenbauer", sagt der 63-Jährige. Es ist kurz vor ein Uhr nachts an diesem Freitag. Blume-Beyerle besichtigt eine für ihn eher ungewohnte Welt, die der Diskotheken rund um die Sonnenstraße.

Der Rundgang ist der offizielle Startschuss zu einem Projekt, das Münchens Polizeivizepräsident Robert Kopp als einzigartig in Deutschland bezeichnet. Gemeinsam wollen Stadt, Polizei und Clubbetreiber gegen die zunehmende Gewalt auf der Feiermeile in der Innenstadt vorgehen. Es wird künftig ein umfassendes Hausverbot geben. Wer in einem Club unangenehm auffällt, darf auch die anderen Diskotheken nicht mehr betreten. Auf Flyern, die das Partyvolk an den Eingangstüren erhält, werden Strafen für diejenigen angedroht, die nicht friedlich feiern wollen. Zudem sind Streetworker auf der Sonnenstraße unterwegs, leisten Präventionsarbeit und schreiten bei Problemen mit Alkohol ein. Auch die Polizei zeigt mit uniformierten und Zivilbeamten weiter Präsenz.

Vorerst einmalig ist am Freitagabend die Theke "Pure Pleasure", eine Leihgabe des Polizeipräsidiums Niederbayern, die Jugend- und Gewerbebeamte vor dem Brunnen am Stachus aufgebaut haben. Hier gibt es kostenlose Cocktails, selbstverständlich alkoholfrei mit heißer Schokolade, Eistee oder Saft.

Antrittsbesuch auf der Feierbanane: An der Theke des "Pure Pleasure" gibt es leckere Cocktails - allesamt alkoholfrei.

An der Theke des "Pure Pleasure" gibt es leckere Cocktails - allesamt alkoholfrei.

(Foto: Robert Haas)

Ganz umsonst sind die Getränke aber nicht. Wer eines haben möchte, muss vorher einen Fragebogen ausfüllen und wissen, ab welchem Alter man Aperol-Sprizz trinken darf (18 Jahre) oder wie viel Alkohol der durchschnittliche Mensch in einer Stunde abbaut (0,1 Promille). "Wir wollen gerade Jugendliche für Alkohol und die Folgen sensibilisieren", sagt einer der Beamten.

"Das Problem ist das Vorglühen daheim"

Das Konzept weckt zumindest Interesse, die Bar ist immer mal wieder gut besucht. Und dass Aperol-Sprizz nur an Erwachsene verkauft werden darf, weil der deutsche Aperol mehr Alkohol enthält als sein italienisches Gegenstück, überrascht die meisten dann doch. Gleichzeitig bezweifeln die jungen Besucher aber, ob sie künftig nur wegen dieser Cocktails alkoholfrei feiern wollen. Zum Nachtleben gehöre Bier, Wein und Schnaps auch irgendwie dazu, sagt einer.

"Das Problem ist das Vorglühen daheim", sagt Harry-Klein-Chef David Süß, der sich an der Aktion "Cool bleiben - friedlich feiern in München" beteiligt. Seine Barkeeper seien angehalten, keinen Alkohol mehr an offensichtlich Betrunkene zu verkaufen. "Allerdings ist das manchmal schwierig, weil wir nicht wissen, was die vorher schon getrunken haben. Da kann ein Jägermeister schon zu viel sein", sagt Süß. Seine Türsteher würden Besoffene erst gar nicht hineinlassen.

Antrittsbesuch auf der Feierbanane: Alkohlfreie Cocktails schmecken zwar gut - aber zum Nachtleben gehören Bier, Wein und Schnaps auch irgendwie dazu, sagt einer.

Alkohlfreie Cocktails schmecken zwar gut - aber zum Nachtleben gehören Bier, Wein und Schnaps auch irgendwie dazu, sagt einer.

(Foto: Robert Haas)

"Die 100 Dezibel Bass würde ich schon gerne einmal spüren."

Ähnliches passiert im Pascha. "Allerdings haben wir bei uns kaum Komasaufen", sagt Thomas Porkert. Höhere Getränkepreise und Eintrittsgeld spielten eine Rolle. Die Arbeit der Sicherheitsdienste funktioniert immer besser, wie Jochen Geißer, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion 11 bestätigt. Seine Mitarbeiter sind für die Altstadt zuständig. "Wir haben lange Gespräche gehabt, aber ohne die Hilfe der Gastwirte würde die Situation ganz anders aussehen", sagt er. Mittlerweile würden nahezu keine Jugendlichen mit gefälschten Ausweisen mehr in den Diskotheken erwischt. Durch Taschenkontrollen klärten Türsteher viele Drogendelikte mit auf.

Beim anschließenden Rundgang durch die Clubs muss Blume-Beyerle gestehen, dass die Musik im "Hearts", im "Pascha" oder im "Call me Drella" nicht ganz die seine ist. Das "Harry Klein" aber, wo der Abend noch musiklos angefangen hatte, würde er hingegen erneut besuchen: "Die 100 Dezibel Bass würde ich schon gerne einmal spüren."

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