Anti-Islam-Kampagne in München:Extremisten benutzen Weiße Rose

Die Weiße Rose ist zum Symbol des Widerstands gegen das Dritte Reich geworden. Nun versuchen Extremisten in München den Namen für ihre Zwecke zu missbrauchen - und den Islam mit dem Nationalsozialismus gleichzusetzen. Angehörige der damals Hingerichteten sind empört.

Von Bernd Kastner

Die Weiße Rose verbindet jeder mit den Geschwistern Scholl, mit Flugblättern und dem Kampf gegen Hitler-Deutschland. Die Weiße Rose ist zu dem Symbol des Widerstands gegen den Nationalsozialismus geworden. Und nun ist auf den Straßen Münchens wieder von der Weißen Rose zu hören, wieder von Widerstand, diesmal aber gegen eine Weltreligion. Es sind extremistische Islamfeinde, die die Weiße Rose wiedergegründet haben wollen und diesen so positiv besetzten Namen für ihre politischen Ziele nutzen. Diejenigen, die das Erbe der echten Weißen Rose bewahren wollen, sprechen von Missbrauch und prüfen rechtliche Schritte.

Politische Extremisten lieben die Provokation, sie gieren nach der Aufmerksamkeit, die sie dadurch erfahren. Diese Strategie verfolgen auch jene, die über die Gefahr "aufklären" wollen, die angeblich vom Islam ausgehe, und zwar pauschal. Die Partei "Die Freiheit" ist auf diesem Feld ebenso aktiv wie die "Bürgerbewegung Pax Europa" und die Autoren des Web-Blogs "Politically Incorrect" (PI). Vor ein paar Wochen hat der bayerische Verfassungsschutz den bayerischen Landesverband der "Freiheit" und die Münchner PI-Gruppe als extremistisch eingestuft, er beobachtet seither ihr Agieren.

Schon lange können das Bürger tun, wenn sie in der Fußgängerzone Michael Stürzenberger reden hören. Er ist der lauteste der Münchner Islamgegner, er sammelt mit ein paar Unterstützern seit vielen Monaten Unterschriften gegen den geplanten Bau einer Moschee in München. Und er stellt sich als Mitglied der "wiederbegründeten Weißen Rose" vor, im Internet, am Stachus, im Gerichtssaal.

Stürzenberger beruft sich dabei auf Susanne Zeller-Hirzel, die als junge Frau selbst der Weißen Rose angehörte. Wenige Monate vor ihrem Tod Ende 2012 mit 91 Jahren habe er mit ihr und ein paar Mitstreitern die Weiße Rose neu gegründet. Deren Kernbotschaft ist krude: Der Nationalsozialismus sei eine "linke Bewegung" gewesen; die heutige Antifa wird dagegen mit Nazis gleichgesetzt.

"Versuch einer Pervertierung"

Seit Monaten lässt Stürzenberger keine Gelegenheit aus, mit Bezug zur "neuen Weißen Rose" den Islam mit dem Nationalsozialismus gleichzusetzen: Beides seien totalitäre Ideologien. Und wie die Weiße Rose damals gegen das NS-Regime gekämpft habe, so kämpfte er gegen den Islam. Auch als Stürzenberger kürzlich vor Gericht stand, weil er für eine Kundgebung ein Plakat des Holocaust-Organisators Heinrich Himmler verwendet hatte, stellte er sich zu Beginn als Vertreter der "wiedergegründeten" Weißen Rose dar. Dabei präsentierte er Richter und Publikum ein großes Foto, das ihn mit Susanne Zeller-Hirzel zeigt.

"Versuch einer Pervertierung"

Sie und auch ihr Bruder Hans gehörten tatsächlich der Weißen Rose an. Das Geschwisterpaar näherte sich im Alter politisch den Republikanern an: Hans Hirzel kandidierte 1994 für die Rechtsaußen-Partei für das Amt des Bundespräsidenten, seine Schwester ließ sich 2009 für die Republikaner bei der Kommunalwahl in Stuttgart aufstellen.

"Mit großem Entsetzen" registriere man die Aktivitäten der Islamhasser, sagt Hildegard Kronawitter. Die Frau des früheren Oberbürgermeisters steht der Weiße Rose Stiftung vor, die etwa mit Ausstellungen das Andenken an die Widerstandsgruppe wachhalten will. Dass Anti-Islam-Agitatoren den Namen von Widerstandskämpfern aus der NS-Zeit verwenden, sei "der Versuch einer Pervertierung". Ähnlich sieht das Michael Kaufmann, Historiker und geschäftsführender Vorstand des Weisse-Rose-Instituts, das den Aufbau eines Archivs anstrebt. Der Name der Gruppe um die Geschwister Scholl stehe für eine bestimmte Werteordnung, die durch die Islamfeinde "auf den Kopf gestellt werde", sagt Kaufmann. Er lasse nun juristisch prüfen, ob man Stürzenberger die Verwendung des Begriffs verbieten lassen könne. Das Institut besitzt die Namensrechte an der "Weißen Rose".

Während sich die Ludwig-Maximilans-Universität, in deren Lichthof die Geschwister Scholl festgenommen wurden, nicht zu den islamfeindlichen Aktivitäten äußert, sind Angehörige der damals Hingerichteten empört. Sebastian Probst, Enkel des Widerstandskämpfers, betont, dass sich die Weiße Rose für eine tolerante Gesellschaft eingesetzt habe, gegen die Ausgrenzung bestimmter Gruppen. So sieht es auch Markus Schmorell, Neffe von Alexander Schmorell: "Das ist nicht im Sinne der Weißen Rose." Er bekennt, dass er sich in einem "Zwiespalt" befinde: Je mehr man sich auf die Islamhasser einlasse, desto mehr Aufmerksamkeit schenke man ihnen. So sehr er eine juristische Klärung der Namensrechte begrüße, die politische Auseinandersetzung mit Islamfeindschaft dürfe nicht fehlen: "Ich halte beides für wichtig."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: