Anstich:Schlag auf Schlag

Zweimal muss der Oberbürgermeister draufhauen, dann ist das erste Fass angezapft. Christian Ude ist voll des Lobes über die Fertigkeiten seines Nachfolgers - nur Ministerpräsident Horst Seehofer ist nicht in Feierstimmung

Von Franz Kotteder und Frank Müller

Erst einmal herrscht ungläubiges Staunen im Schottenhamelzelt bei all jenen, die nicht in die Anzapfbox sehen können. "Ozapft is!", hört man Oberbürgermeister Dieter Reiter schon rufen, als BR-Moderator Christoph Deumling kaum mit seinem Countdown fertig ist. Nur ein Schlag? Kann das sein? Nein, kann natürlich nicht sein, Deumling klärt auch gleich auf: "Er hat zwei Sekunden zu früh angefangen, aber er hat dafür auch nur zwei Schläge gebraucht."

Im vergangenen Jahr waren es noch vier gewesen, Reiter hat damit überraschend schnell seinen Vorgänger Christian Ude eingeholt. Und es lässt sich festhalten, dass Münchens Oberbürgermeister über die Jahre hinweg ihre Anzapftechnik perfektioniert haben. Thomas Wimmer brauchte beim ersten Mal 1950 immerhin noch stolze 17 Schläge. Damit ist die für viele wichtigste kommunalpolitische Frage des Jahres auch wieder geklärt: Wie oft muss der OB auf den Wechsel hauen, bis Bier fließt?

Reiter war bereits eine gute halbe Stunde vor dem Anzapftermin vor dem Schottenhamel vorgefahren, mit Ehefrau Petra und seinem gesammelten Tross, ebenso wie sein Stellvertreter Josef Schmid. Reiter machte auf entspannt, blieb vor dem Zelt stehen, zog sich die Jacke aus und ließ sich von den aufkommenden Sonnenstrahlen wärmen. Als ihm Reporter mit Handzeichen entlocken wollten, auf wie viele Schläge er sich einstelle, zeigte er kurz drei Finger. Da waren es noch neun Minuten.

Auch zu einem der seltenen Treffen Reiters mit seinem Vorgänger kam es vor dem Zelt. Daueranzapfer Christian Ude, der eigentlich wie im Vorjahr mit der U-Bahn auf die Festwiese kommen wollte, wurde nämlich dann beim Wiesneinzug von der Kuffler-Entourage (Weinzelt) mitgenommen. Die machte einen Extrahalt vorm Schottenhamel und ließ Ude aussteigen. Es gab einen ganz kurzen Händedruck mit Reiter, dann machte sich Ude davon. Er wolle den Eindruck vermeiden, sich ins Rampenlicht zu drängen, sagte er, und: "So gelassen bin ich noch nie zur Wiesn gekommen."

Während Reiter anzapft, sitzt Christian Ude oben in der Ratsboxe und schaut als einer der wenigen ganz in die andere Richtung - um alles genauer zu sehen. Denn an der Pergola über der Boxe ist auf einem Monitor das Livebild zu sehen. Danach ist er des Lobes voll über seinen Nachfolger. "Es war ein sehr souveräner Auftritt", sagt der Alt-OB. Reiters Bewegungsablauf, sein entschlossener Schwung, das hat Ude gefallen.

Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle ist sichtlich wehmütig. Für ihn ist es die letzte Wiesn als Sicherheitschef, die nächste wird schon sein designierter Nachfolger Thomas Böhle managen. Im Kopf sei ihm der Abschied schon klar, sein Herz aber hänge schon sehr an dem Betrieb. Im nächsten Jahr will er dann als Privatmann kommen, sagt er. "Aber sicher nicht am ersten Tag."

Ministerpräsident Horst Seehofer gehört nicht zu denen, die den Auftakt entspannt genießen. Als er nach der Anzapfzeremonie in die Ratsboxe kommt, ist er schon wieder in Eile. "Ich kann nur kurz bleiben", sagt er. Es gebe so viele Probleme, die ihn an diesem Tag noch forderten. Aber er wolle ja nicht jammern, meint er noch und tut es doch ein wenig.

Der Schnellste aus den Reihen der Politprominenz war diesmal nicht Kultusminister Ludwig Spaenle, sondern SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher. Er saß schon eineinhalb Stunden vor dem Anstich in der Ratsboxe und hatte somit genügend Zeit, noch seine Mails auf dem Smartphone zu checken. Spaenle hatte vom vergangenen Jahr, als er zwei Stunden zu früh da war, gelernt und kam wie Wirtschaftsministerin Ilse Aigner gegen halb zwölf zum Tisch von Bürgermeister Schmid. Wie schon 2014 wieder nicht dabei war Claudia Roth: Die grüne Vizepräsidentin des Bundestags feierte den Anstich in Kufflers Weinzelt.

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