Anonyme Bekenntnisse von Opfern:"Weil mir keiner geglaubt hätte"

Seit dem 3. Mai läuft die Internetaktion #ichhabnichtangezeigt, bei der Opfer sexueller Gewalt berichten, warum sie die Tat nicht angezeigt haben. Ein kleiner Ausschnitt aus den anonymen Beiträgen, die auf Twitter oder Facebook entstehen oder gemailt werden.

#ichhabnichtangezeigt weil ich die Vergewaltigung als Kind verdrängt habe und hinterher meiner Familie nicht mehr wehtun wollte.

#ichhabnichtangezeigt weil ich erst acht war und er sagte, dass ich ins Heim kommen würde, wenn jemand erfährt, dass ich mitgemacht habe. Ich habe das ohne weiteres geglaubt und glaube heute noch, dass irgendeine Strafe mich getroffen hätte. Schweigen und verdrängen war der klügere Ausweg. Jahrelang dachte ich, die Erinnerung verschwindet, irgendwann. Heute bin ich 58 und denke, dass mir meine Jugend geraubt wurde und ich niemals wissen werde, wer ich eigentlich hätte sein können.

#ichhabnichtangezeigt weil ich damals erst vier bis sechs Jahre war, jetzt anzeigen würde, die Taten aber verjährt sind.

#ichhabnichtangezeigtweil mir niemand geglaubt hätte. Meine Mutter hat Jahre später verlangt, ich solle mich bei ihm für die Vergewaltigung und den Kontaktabbruch entschuldigen. Lebt immer noch mit ihm zusammen, als wenn nichts gewesen wäre. Das schwarze Schaf der Familie bin ich.

#ichhabnichtangezeigt Ich habe nicht gewusst, ob es schlimm genug war, was mir passiert ist, beziehungsweise ob das überhaupt eine "richtige" Vergewaltigung war. Jetzt weiß ich: Alles, was gegen meinen Willen passiert, geht gegen mein persönliches Recht.

#ichhabnichtangezeigt weil ich ihn trotz allem nicht verlieren wollte. . .

#ich hab nicht angezeigt weil ich grade mal sechs war und er jetzt tot sein soll. #mein Vater hat nicht angezeigt weil es sein Vater war. #meine Oma hat nicht angezeigt weil es ihr mann war. #meine Mutter hat nicht angezeigt weil sie "Opfer der Familie" ist. #jetzt ist meine Seele tot, weil niemand geholfen hat.

#ichhabnichtangezeigt weil ich dachte, wenn meine eigene Mutter darauf nicht reagiert, wird es wohl der normale Preis sein, den man als Gegenleistung für ein bisschen "Liebe" zahlen muss.

#ichhabnichtangezeigt weil ich zu spät erinnerte, mir dann nicht geglaubt wurde, er immer eine Bedrohung war - mein Vater. Weil ich Angst hatte, er mich bedrohte, ich hätte es wohl nicht überlebt. Ich lebe. Ich bin gesund. Meine Schwester leider nicht.

#ichhabnichtangezeigtw eil meine Mutter, nachdem ich es ihr erzählt hatte, gesagt hat: "Erzähl' doch keinen Quatsch, das hast du bestimmt falsch verstanden. So hat der Onkel H. das bestimmt nicht gemeint. . ." und damals (40 Jahre her) gab es noch kein Internet für mich, um mich zu informieren. Deshalb danke für diese Aktion. . .

#ichhabnichtangezeigt weil ich so klein war, dass ich noch gar keine Worte dafür hatte und auch nicht wusste, was eine Anzeige überhaupt ist, und dass man den eigenen Vater anzeigen kann. . .

#ichhabnichtangezeigt weil ich noch gar nicht sprechen konnte und später, als ich es meiner Mutter erzählt habe, hat sie den Kontakt zu mir abgebrochen und mich für verrückt erklärt.

#ichhabnichtangezeigt weil er mir gesagt hat, es sei meine Schuld.

#ichhabnichtangezeigt weil ich meine gestörte Familie nicht noch mehr zerstören wollte und ich mich geschämt habe.

#ichhabnichtangezeigt weil ich die Tat überhaupt nicht realisieren konnte, weil der Täter mir überlegen war und ich mich ihm ausgeliefert fühlte. Weil ich mich als männliches Opfer geschämt habe. Weil ich zwar nicht erwachsen, aber bereits über 18 Jahre alt war.

#ichhabnichtangezeigt weil ich mit 15 Angst davor hatte, als prüde dazustehen, weil ich noch keinen Sex mit meinem "Freund" wollte und niemandem davon erzählt habe, dass er sich das dann einfach "genommen" hat.

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