Annett Louisan auf dem Tollwood:Wenn Lolita vom Flachlegen singt

Annett Louisan gilt als laszive Poplolita mit einer Elfenstimme. Und in der Tat: Ihr Konzert auf dem Münchner Tollwood war so prickelnd und leicht wie Schaumwein.

Marita Stocker

Annett Louisan mag es schlicht. Die Bühne ist schwarz in schwarz gehalten, an den Instrumenten sitzen sechs freundlich dreinblickende Männer in Anzügen und im Licht eines einzelnen Scheinwerfers steht die Sängerin im kleinen Schwarzen und singt über das Leben. Etwas unsicher wirkt sie - und herrlich normal mit ihren locker zurückgebundenen Haaren.

Annett Louisan auf dem Tollwood: Gilt als singende Lolita: Annett Louisan.

Gilt als singende Lolita: Annett Louisan.

(Foto: Foto: dpa)

Nicht wie die laszive Lolita, die sich im Video zu ihrer ersten Single "Das Spiel" unter der Bettdecke räkelt. Über Nacht hatte das Lied Louisan Ende 2004 berühmt gemacht, und einmal zur erotischen Kindfrau gestempelt, hat sie dieses Image nie wieder losbekommen. So sehr sie sich auch gegen das Bild wehrt, sie singt gerne von Liebe und Leidenschaft, vom Fremdgehen und der Magie eines Augenblicks.

"Ich bin ein klassischer One-Night-Stand, entstanden in einer lauen Sommernacht", sprichts, zuckt mit den Schultern, lächelt verschmitzt und beginnt mit ihrer glockenhellen Stimme zu singen. In ihren Texten nimmt sie kein Blatt vor den Mund, singt vom Flachlegen, von Magengeschwüren und von ehrlichen Frauen und schaut dabei, so kokett und unschuldig aus blauen Kulleraugen, dass man ihr alles glauben möchte.

Annett Louisan ist eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschen Musikern. Eine, die unbeirrt ihren Weg geht und sich schwer einordnen lässt. Klein, süß und irgendwie sexy: so kennt man die 31-Jährige aus den Medien. Und wenn sie an diesem Abend durch die Stuhlreihen in dem großen Konzertzelt geht und über das kleine Mädchen singt, das im Sport immer zuletzt in die Mannschaft gewählt wurde, würde man ihr am liebsten übers Haar streichen. Aber Louisan kann mehr.

Ihre Texte, die sie gemeinsam mit einem Songwriter erarbeitet, sind mal traurig, mal tiefsinnig, mal lustig und oft belanglos. Genauso wie auch ihre Lieder sich keiner genauen Stilrichtung zuordnen lassen. Mal sind sie Pop-, mal Jazzsongs, mal Schlager, aber am ehesten sind es doch Chansons. Und wenn Louisan, wie auf dem Tollwood Festival, über "Die ehrliche Haut", den "Menschen, vor dem allen am meisten graut", singt, dann erinnert sie ein bisschen an Edith Piaf oder Hildegard Knef. Nur etwas sphärischer und vielleicht auch blasser klingt ihre Stimme.

Für das Publikum im großen Musikzelt gehört Louisan auf jeden Fall schon jetzt zur Riege der Großen. Viele Paare sind gekommen, einige Familien, beste Freundinnen um die 40. Es ist eine ruhige Veranstaltung, wenngleich die Chemie zwischen Sängerin und Publikum von Anfang an zu stimmen scheint. Aber erst mit den Zugaben tauen die Zuschauer auf. Sie fordern lautstark weitere Lieder, feiern Louisan mit Standing Ovations, verlassen ihre Stuhlreihen und strömen Richtung Bühne und am Schluss wird sogar ein bisschen getanzt.

Ein ziemlich lässiger Jugendlicher tritt an den Bühnenrand und überreicht Louisan einen Zettel. "Wie süß", denkt sich der Zuschauer. "Was wohl darauf stehen mag?" Die Sängerin schaut etwas irritiert, zögert und liest dann laut vor: "Basti liebt Steffi." Vielleicht der Stoff für einen neuen Louisan-Song.

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