Anleitung zum Unvernünftigsein:Mit Lach-Yoga gegen das Über-Ich

Eisiger Wind, grauer Himmel, der Kopf spielt Blues. Es ist Montag, Wochenanfang, Wochenendeweitwegtag. Zeit für eine Einheit Lach-Yoga.

Katharina Böhringer

Zugegeben, Martins Huhnimitation wirkt eher wie ein Rabe mit Stimmbandentzündung. Der Mittvierziger krächzt "hehehe", hat die Hände als Flügel zu den Achseln gezogen und hüpft durch den Raum. Doch bevor ich den Anblick wirken lassen kann, gackert Karina vorbei. Keine Chance, das Lachen hat mich gepackt. Ich gackere zurück und plötzlich befällt es alle.

Anleitung zum Unvernünftigsein: Über das künstliche fällt man ins echte Lachen und schließlich um.

Über das künstliche fällt man ins echte Lachen und schließlich um.

(Foto: Foto: Schäffner)

Denn Lachen steckt schließlich an. Lachyoga macht sich dies zunutze. Michaela Schäffner bietet in München-Haidhausen montags einen Lachmorgen und -abend an. "Schon absichtliches Lachen stärkt das Immunsystem", erzählt Schäffner, "das Gehirn reagiert auch wenn man nur so tut als ob." Ziel ist es, über das künstliche ins echte Lachen zu fallen.

Doch das ist kein Problem, wenn man sich kollektiv so albern und enthemmt geben kann, wie zuletzt im Kindergarten. Ob wir uns mit Kauderwelsch beschimpfen, gegenseitig in die Hände patschen und dazu "hohohahaha" rufen oder uns eine imaginäre Schneeballschlacht liefern - immer endet die Übung in der Lachattacke. Als Michaela Kindergeburtstagströten verteilt, über die wir Stimmungen ausdrücken sollen, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich nun die anderen an- oder mich selbst auslache. Und genau das ist der erste spürbare Lach-Yoga-Effekt: Man nimmt sich plötzlich selbst nicht mehr so ernst.

"Intensives Lachen macht uns zu zu rundum positiv gestimmten Menschen. Wer viel lacht ist gesünder, glücklicher und erfolgreicher", verspricht Schäffner und je später der Abend, desto überzeugter werde ich. Ein weiterer Nebeneffekt: "Durch Konditionierung können wir die positive Stimmung auch im Alltag hervorrufen. Da reicht dann eine Bewegung und man muss unwillkürlich lächeln." Die Mutter von drei Kindern ist eigentlich in den Naturwissenschaften beheimatet. Doch nachdem ihr letztes Forschungsprojekt ausgelaufen war, suchte sie nach einem neuen Betätigungsfeld. "Da stieß ich auf die Lachyoga-Lehre des Mediziners Madan Kataria aus Mumbai."

Auf Enthemmung folgt Entspannung

Als dieser einen Artikel unter dem Titel "Lachen ist die beste Medizin" verfassen wollte, kam ihm die Idee, einen Lach-Club zu gründen. Er ging in einen öffentlichen Park und fragte Jogger, ob sie nicht Lust hätten, einander Witze zu erzählen. Anfangs waren es fünf, nach zwei Wochen fünfzig Anhänger. Doch je länger das Projekt lief, desto zotiger wurden die Witze und Kataria suchte nach neuen Möglichkeiten, das Zwerchfell des Menschen zu stimulieren.

Als Yoga-Lehrer lag natürlich nahe, die indische Lehre mit dem Lachen zu verbinden. So entwickelte er verschiedene Lachübungen, die hauptsächlich auf der Tiefenatmung des Yoga basieren. Dementsprechend einfach sind die Übungseinheiten auszuführen. Atemtechniken, gezielte Lachbilder und pantomimisch-schauspielerische Elemente wechseln sich ständig ab, auf Enthemmung folgt Entspannung. Diese Methode ist eine laute "Sofortmeditation", die vor allem eines bewirken soll: den Intellekt auszuschalten.

Spätestens beim "Löwen" muss mein Intellekt wirklich weit weg sein. Wir knien uns auf Matten gegenüber, lassen die Zunge aus dem Mund hängen, blicken bedrohlich, die Hände zu Tatzen erhoben und lassen uns mit gefährlichen Lauten auf die Hände fallen. Als wir kichernd und glucksend auf dem Bauch liegen, kehrt der Kontrollfreak in mir für einen kurzen Moment zurück. Er schaut von außen auf unsere Gruppe und scheint zu fragen: "Was macht ihr denn da eigentlich? Seid ihr von Sinnen?" Aber plumps - da hat der Löwe nochmal zugeschlagen und das Über-Ich mit einem Tatzenhieb zur Seite gewischt.

Nach einer Stunde fühle ich mich erschöpft wie nach einem Dauerlauf. Gleichzeitig aber entspannt wie nach mehreren Saunagängen. Ich muss auch jetzt noch immer wieder lachen, zu bizarr wirken die erlebten Szenen im Rückblick.

Am nächsten Morgen ist der Himmel noch immer grau, der Wind eisig, aber ich habe meinen Schmunzel-Stein in der Tasche. Den durfte ich mir noch aussuchen, ein Kiesel mit breitem Grinsegesicht. Auch der Blues hallt noch im Hinterkopf. Aber der wird nun hinweg gelächelt und verbindet sich mit den neugewonnenen positiven Schwingungen zu einer angenehmen Melodie.

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