Ankunftszentrum:Flüchtlinge erpresst - Sicherheitsbranche gerät ins Zwielicht

Ankunftszentrum: Im Ankunftszentrum im Euro-Industriepark sollen Wachmänner Flüchtlinge erpresst haben.

Im Ankunftszentrum im Euro-Industriepark sollen Wachmänner Flüchtlinge erpresst haben.

(Foto: Catherina Hess)
  • Mitarbeiter der Firma Siba Security Service GmbH sollen Flüchtlinge erpresst haben.
  • Das ist besonders pikant, da die Firma seit einigen Wochen auch für die Sozialbetreuung im Ankunftszentrum zuständig ist.
  • Grüne und SPD fordern, wieder Wohlfahrtsverbände mit dieser Aufgabe zu beautragen.

Von Martin Bernstein und Inga Rahmsdorf

Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma sollen über Monate hinweg Flüchtlinge erpresst haben: Das sind schwere Vorwürfe gegen Wachpersonal in einer Münchner Flüchtlingseinrichtung, aber nicht die einzigen. Sie rücken eine Branche in den Fokus, die einen schlechten Ruf hat, derzeit aber gute Geschäfte macht. Mit der stark gestiegenen Zahl der Flüchtlinge ist auch der Bedarf an Sicherheitspersonal in den Unterkünften deutlich gestiegen.

Im Ankunftszentrum im Euroindustriepark sollen Mitarbeiter der Firma Siba Security Service GmbH Flüchtlinge erpresst haben. Haben Asylsuchende mehr als 750 Euro bei sich, müssen sie dieses Geld abgeben. Die Wachleute sollen ihnen angeboten haben, dass sie die höheren Beträge nicht deklarieren müssten, wenn sie ihnen Schweigegeld zahlen.

Zudem sollen sie ihnen angedroht haben, andernfalls abgeschoben zu werden. Die Vorwürfe sind laut Polizei seit Dezember bekannt. Vier Flüchtlinge hätten ausgesagt, sie hätten sich von sich aus bei der Bundespolizei gemeldet. Drei Siba-Mitarbeiter seien festgenommen worden: ein Syrer, ein Syrisch-Deutscher und ein Iranisch-Österreicher. Mindestens drei weitere seien verdächtig.

Unerlaubter Waffenbesitz, Drogenhandel, Gewalt gegen Flüchtlinge: Auch in München werden immer wieder Vorwürfe gegen Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen laut. Oft ist es jedoch sehr schwierig zu belegen, was davon der Wahrheit entspricht. Manches wird laut Polizei nur vom Hörensagen wiedergegeben, oft fehlen auch Opfer und Zeugen.

Wie die Geschäftsführung auf die Vorwürfe reagiert

Die Vorwürfe im Ankunftszentrum (AZ) seien eine Katastrophe für seine Firma, sagt Joachim Feldhaus, einer der Siba-Geschäftsführer. Allerdings gebe es auch viele offene Fragen und Ungereimtheiten. Die Flüchtlinge seien schließlich nicht blöd und wüssten genau, dass die Security-Mitarbeiter nicht über ihren Asylantrag entscheiden.

Insgesamt 150 Siba-Mitarbeiter arbeiten nach seinen Angaben im AZ. Sie sorgen dort offenbar nicht nur für Sicherheit, sondern sind zumindest teilweise auch am mehrstufigen Registrierungsverfahren der Asylsuchenden beteiligt. Wie genau, dazu nahmen Polizei und Regierung von Oberbayern, die das AZ betreibt, am Donnerstag nicht Stellung.

Siba-Chef Feldhaus betonte, seine Mitarbeiter seien dafür nicht zuständig. Deshalb frage er sich auch, wie sie einzelne Asylsuchende aus dem Computersystem gelöscht haben sollen, wie es die Polizei ihnen vorwirft. Demnach sollen die Wachleute so versucht haben, Fälle von Erpressung zu vertuschen.

Was die Regierung von Oberbayern zu den Vorwürfen sagt

Die Bezirksregierung äußerte sich nur zurückhaltend zu den konkreten Abläufen im Ankunftszentrum. Man wolle die Ermittlungen nicht behindern, sagte ihr Sprecher Martin Nell. Die Aufträge für das Sicherheitspersonal würden nach normalen europäischen Verfahren vergeben; alle Mitarbeiter würden bei Polizei und Verfassungsschutz zur Überprüfung gemeldet.

Das Fehlverhalten Einzelner stelle nicht automatisch die Zuverlässigkeit der gesamten Firma infrage, könne aber durch mangelnde Organisation oder Überwachung ermöglicht werden, sagte Nell. Wie die Regierung künftig mit Siba zusammenarbeite, dazu könne man sich noch nicht äußern. Man warte die Ermittlungen ab.

Die Vorfälle sind besonders pikant, da Siba seit drei Wochen auch die Sozialbetreuung im AZ leistet; zuvor war dafür die Innere Mission zuständig. Der Wohlfahrtsverband hatte sich aber nicht auf die Ausschreibung beworben, weil er dann einem Objektmanager (in diesem Fall auch Siba) weisungsgebunden gewesen wäre; das sei mit seinem Selbstverständnis nicht vereinbar.

Kritik von der Rathaus-SPD

Die Rathaus-SPD kritisierte am Donnerstag, dass die Regierung nicht mehr einen erfahrenen Wohlfahrtsverband mit der Aufgabe betraut habe. Auch die Landtags-Grünen forderten, dass die Zuständigkeiten nicht in die Hände von einer Sicherheitsfirma gelegt werden dürften. Von Übergriffen, Konflikten und Gewalt von Seiten des Sicherheitspersonals in Flüchtlingsunterkünften höre sie immer wieder, sagt Rebecca Kilian-Mason vom Infobus des Flüchtlingsrates, doch die Asylsuchenden wollten häufig keine Aussagen machen.

"Sie haben Angst, weil sie dem Wachdienst oft hilflos ausgeliefert sind und der Polizei nicht vertrauen." Deshalb brauche man externe und unabhängige Beschwerdestellen oder Ansprechpartner, denn die Sicherheitsmitarbeiter hätten eine große Machtposition.

Zugleich stellt sich die Frage, ob sie ausreichend qualifiziert sind für ihre vielfältigen Aufgaben. Ein Grundsatzproblem der Branche sei, dass fast immer nur der billigste Anbieter gesucht werde, klagt Ernst Steuger, beim Bundesverband der Sicherheitswirtschaft Vorsitzender des Arbeitskreises "Schutz von Flüchtlingsunterkünften". Er plädiert für höhere Auflagen bei der Ausbildung, denn ein Sicherheitsmitarbeiter braucht bislang nur eine einwöchige Schulung, bevor er in einer Flüchtlingsunterkunft anfangen kann. "Bei solchen Vorfällen wie jetzt im Ankunftszentrum heißt es, die Mitarbeiter sind nicht qualifiziert genug und die Firmen zocken ab", sagt Steuger. Aber die Politik sei auch nicht bereit, die Standards höher zu setzen und das angemessen zu bezahlen.

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