Anklage wegen versuchten Mordes:Schwer dementer Mann vor Gericht

Patient eines Pflegeheims soll Bettzeug eines anderen Patienten angezündet haben

Von Susi Wimmer

Der Anblick des Angeklagten Alan W. ist erbärmlich. Im Rollstuhl wird er in den Gerichtssaal gefahren, seine rechte Hand zuckt unaufhörlich, die Nase tropft, Alan W. spürt es nicht. "Can I help you?", fragt die Dolmetscherin sofort und reicht ihm ein Taschentuch. Ob er denn wisse, um was es hier geht, fragt ihn Richter Norbert Riedmann wenig später. Es kommt ein Laut zurück, der wie ein Nein klingt. Alan W. ist 73 Jahre alt und leidet unter Parkinson und Demenz. Er soll im Seniorenzentrum Taufkirchen im März 2017 die Decke eines bettlägerigen Bewohners angezündet und diesen schwer verletzt haben. Anschließend soll er noch einmal versucht haben, einen Brand zu legen. Das Landgericht München I wird über die Unterbringung von Alan W. in einem psychiatrischen Krankenhaus entscheiden.

"Wir müssen zumindest versuchen, ihn zu vernehmen", erklärt Richter Riedmann den Auftritt des gebrechlichen Angeklagten. Erst dann kann das Gericht die Verhandlungs- und Vernehmungsunfähigkeit feststellen und in Abwesenheit des Mannes in die Beweisaufnahme eintreten.

An drei Verhandlungstagen sollen Zeugen und Polizeibeamte befragt werden, die Angaben zu den Vorkommnissen am Abend des 25. März 2017 in dem Pflegeheim machen können. Die Staatsanwaltschaft hat den Tathergang rekonstruiert und geht davon aus, dass sich Alan W. "in einem deliranten Zustand bei einer senilen Demenz" befand. Zuerst soll er mit einem zerbrochenen Bilderrahmen auf einen Pfleger losgegangen sein. Die Polizei wurde gerufen, der Vorfall aufgenommen. Die Beamte waren noch im Haus, als der gebürtige Amerikaner an das Bett von Hans-Jürgen G. trat und die Decke anzündete. Laut Anklage leidet das Opfer an Amnesie und kann sich auch nicht entsprechend artikulieren.

Die Bettdecke fing sofort Feuer, die Flammen griffen sogar auf das Kopfkissen des Opfers über. Alan W. soll nichts unternommen haben, um dem 76-Jährigen im Bett zu helfen. Er drehte sich um und ging. Das Opfer konnte aufgrund seiner Erkrankung noch nicht einmal um Hilfe rufen oder Schmerzschreie von sich geben. Die Polizisten, die sich noch auf der Station befanden, bemerkten den Brandgeruch, stürmten in das Zimmer, griffen zu einem Wasserfeuerlöscher und retteten so dem bettlägerigen Mann das Leben. Er erlitt Verbrennungen dritten Grades am rechten Bein und musste stationär in einer Klinik behandelt werden.

Alan W. ging anschließend in sein Zimmer und zündete ein an der Türe hängendes Handtuch an. Die Flammen breiteten sich aber nicht aus, das kleine Feuer erlosch. Die Polizei nahm den Mann kurz darauf fest. Er wurde in einer Klinik in Haar untergebracht.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Alan W. sein Opfer ermorden und das Heim anzünden wollte. Er habe damit auch in Kauf genommen, dass etliche andere Heimbewohner hätten verletzt werden können, so die Staatsanwaltschaft. Sie hält den Mann für allgemeingefährlich. Der 76-Jährige soll zum Zeitpunkt der Tat aber nicht nur in einem "deliranten Zustand" gehandelt haben, der durch die Demenz hervorgerufen wurde. Alan W. nahm zu dieser Zeit auch Medikamente gegen Parkinson, Antidepressiva und Antidementiva. Diese könnten den Zustand der Steuerungsunfähigkeit ebenso mit ausgelöst haben. Am Mittwoch wird die Verhandlung fortgesetzt. Ohne den Angeklagten. Ein Urteil wird für den kommenden Montag erwartet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: