Angriff auf Joggerinnen:Die Beweislage gilt als "erdrückend" - der Angeklagte schweigt

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Er soll Joggerinnen angegriffen und vergewaltigt haben: Emrah T. vor Gericht. (Foto: dpa)
  • Emrah T. soll in Rosenheim im November 2015 eine 29-jährige Frau angefallen, sie gewürgt und vergewaltigt haben. Ein Jahr später soll er in München eine weitere Vergewaltigung nach gleichem Muster begangen haben.
  • Vor Gericht äußert er sich nicht zu den Vorwürfen.

Von Susi Wimmer

Die Erkenntnisse, die der erste Prozesstag gegen den mutmaßlichen Vergewaltiger von Oberföhring bringt, sind eher dürftig. Der Angeklagte Emrah T. sitzt vor der ersten großen Schwurgerichtskammer am Landgericht München I und schweigt. Er will nichts zu seiner Person sagen, und auch nichts zu den brutalen Taten, die ihm vorgeworfen werden. Der 28-Jährige soll im November 2015 in Rosenheim eine Spaziergängerin vergewaltigt haben, ein Jahr später soll er nahe der Emmeramsmühle an der Isar über eine Joggerin hergefallen sein und sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Staatsanwalt Andreas Bayer hat Anklage wegen versuchten Mordes erhoben.

Spielt Emrah T. ein Spiel? Und wenn ja, welches? Als zum Prozessbeginn Kameras und Fotoapparate auf ihn gerichtet sind, versteckt er sein schmales Gesicht, zieht über die schwarzen Locken die Kapuze seines grünen Mantels. Über seinen Anwalt Alexander Eckstein lässt er erklären, dass er vorerst schweigen werde. Auch in der Haft lehnte er es ab, mit dem psychiatrischen Gutachter zu sprechen. Bei der Polizei schwieg er ebenso, sagte nur, dass er es nicht getan habe.

Der Leiter der Mordkommission hatte allerdings nach der Festnahme von Emrah T. im März 2017 erklärt, dass die Beweislage gegen den Mann "erdrückend" sei. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Beweise hauptsächlich auf DNA-Spuren des mutmaßlichen Täters an den Opfern und an den Tatorten beziehen.

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Mit regloser Miene sitzt er in der Anklagebank und hört zu, wie die Türkisch-Dolmetscherin die Anklageschrift für ihn übersetzt. Nur als Staatsanwalt Bayer zu der Passage kommt, dass Emrah T. den Tod des Münchner Opfers billigend in Kauf genommen habe, da rutscht er unbehaglich auf dem Holzstuhl herum.

Joggerin war am Abend im Englischen Garten unterwegs

Am Abend der Tat, dem 18. Dezember 2016, drehte die Joggerin Beate B. (Name geändert) gegen 19.30 Uhr ihre Runden in der Grünanlage nahe des Spielplatzes an der Emmeramsmühle. Emrah T. soll ihr einige Meter im Spurt hinterhergerannt sein und die damals 45-Jährige unvermittelt von hinten am Hals gepackt haben. Er soll ihr das Stirnband nach unten gezogen und sie damit heftig gedrosselt haben. Beate B. soll sich gewehrt und um Hilfe gerufen haben. Doch der Täter zog weiter am Stirnband, bis die Frau das Bewusstsein verlor.

Laut Anklage soll T. sie mindestens 30 Sekunden lang weitergedrosselt haben, obwohl Beate B. erkennbar bewusstlos war. Dann vergewaltigte er sie. Anschließend ließ er die halbnackte und bewusstlose Frau bei Minustemperaturen in einem Gebüsch liegen. Irgendwann erlangte Beate B. das Bewusstsein wieder und konnte sich schwer verletzt zum Gasthof St. Emmeramsmühle schleppen. Die Frau erlitt etliche Gesichtsverletzungen, Hämatome, Einblutungen an den Augen und Lidern, die auf die Drosselung zurückzuführen sind, zudem biss sie sich die Unterlippe durch.

Emrah T. reiste am 12. Oktober 2015 mit seiner schwangeren Frau und seinem Sohn über Kiefersfelden nach Deutschland ein. Die Bundespolizei griff die Familie auf, der verletzte Sohn soll in einer Klinik in Rosenheim behandelt worden sein. Nur wenige Wochen nach seiner Einreise, am 26. November 2015, ging in den Abendstunden die 29-jährige Anna C. nahe der Klinik spazieren. Emrah T. soll auch sie von hinten gepackt und in ein Wäldchen am Flussufer gezerrt haben. Er soll Handschuhe getragen und die Frau zunächst mit den Händen gewürgt haben, anschließend soll er ihren Pulli so hochgezogen haben, dass er sie mit der Kapuze des Oberteils drosseln konnte. Auch sie vergewaltigte er. Ihr gelang es, schreiend davonzulaufen.

Die einzigen Erkenntnisse über das Leben von Emrah T. bestehen aus den Angaben, die der Mann im Oktober 2016 im Rahmen seines Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemacht hat. Vor Gericht verliest der Vorsitzende Richter Michael Höhne seine protokollierte Aussage, wonach Emrah T. sich und seine Frau als Kurden aus der Türkei bezeichnet. Seine Familie hätte zuhause als von der Regierung beauftragte "Dorfschützer" tätig sein sollen. Da sie dies ablehnten, habe das Militär seinen Hof in Brand gesetzt und die ganze Familie gefoltert. Er sei als mutmaßlicher Terrorist ins Gefängnis geworfen worden. Seinem Sohn seien die Beine gebrochen worden. Nach seiner Verhandlung vor Gericht sei es ihm gelungen zu fliehen. Atteste, Dokumente oder Gerichtsunterlagen zu dieser Geschichte gibt es bislang nicht. Am Dienstag wird die Verhandlung fortgesetzt.

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