Angeklagter im NSU-Prozess:André E. soll mit bayerischen Neonazis gefeiert haben

NSU-Prozess

Andre E. auf der Anklagebank

(Foto: dpa)

André E. sitzt im NSU-Prozess wegen Unterstützung der Terrorzelle auf der Anklagebank. Doch das scheint ihm die Laune nicht zu verderben. Nun wurde er beim Feiern gesichtet - in einem bekannten Münchner Neonazi-Treff. Vor Gericht kommen derweil Beate Zschäpes Nachbarn zu Wort.

Von Anna Fischhaber

Fast drei Stunden dauert die Mittagspause an diesem 28. Verhandlungstag. Draußen, vor dem Strafjustizzentrum in München, scheint die Sonne. Gemütlich trottet André E. über den Vorplatz. Er ist einer von fünf Angeklagten im NSU-Prozess. Doch anders als Beate Zschäpe oder Ralf Wohlleben sitzt er nicht in Untersuchungshaft. Nun soll er sogar gemeinsam mit bayerischen Neonazis ein Sommerfest gefeiert haben.

André E. trägt ein Tattoo auf dem Bauch. Dort prangt der Spruch: "Die Jew die". Er gilt als engster Vertrauter der Terrorzelle, gemeinsam mit Frau und Kindern besuchte er die drei regelmäßig im Untergrund. Die Generalbundesanwaltschaft wirft ihm vor, er habe die terroristische Vereinigung unterstützt.

Doch vor Gericht präsentiert sich André E. gut gelaunt. Einmal ließ er seine Anwälte sogar für ihn Urlaub fordern, das Gericht möge ihm an den Tagen, an denen es nicht um die Tatvorwürfe gegen ihn gehe, die Teilnahme am Prozess erlassen. Die Mordvorwürfe beträfen ihn nicht. Das Gericht lehnte ab.

Anfangs konnte er zudem auf der Zuschauerbank oft Maik E. begrüßen, seinen Bruder, der ebenfalls der rechten Szene nahestehen soll. Und Maik E. kam nicht allein, er brachte Karlheinz S. mit, einen der bekanntesten bayerischen Neonazis.

Fest im "Braunen Haus"

Auch André E. scheint sich mit diesem gut zu verstehen - die beiden wurden nun vom a.i.d.a-Archiv gemeinsam auf einem Sommerfest bayerischer Neonazis in München gesichtet, wie der antifaschistische Münchner Verein am Donnerstag mitteilte. Auch der verurteilte Rechtsterrorist Martin Wiese, der den Anschlag auf die Synagoge in München plante, soll zumindest am Abend Gast gewesen sein.

Das Fest fand im sogenannten "Braunen Haus" statt, das sich in Obermenzing als Neonazi-Treffpunkt etabliert hat. André E. soll dort schon zu Beginn des Prozesses Quartier bezogen haben. Am Samstag fand ein Gartenfest mit Spanferkel und Kinderschminken statt, alle Nachbarn waren eingeladen. Und offenbar auch André E.

Das Haus, in dem zwei Männer und eine Frau in einer WG wohnen, wird vom Verfassungsschutz überwacht und ist ein Treffpunkt der rechten Szene. Gerade hat die Polizei das Anwesen im Rahmen einer bundesweiten Razzia durchsucht, sie waren auf der Suche nach Beweismaterial, um ein Vereinsverbot des "Freien Netzes Süd" vorzubereiten.

Eng sind offenbar auch die Kontakte zum mutmaßlichen NSU-Helfer André E. "Die Frage nach einer direkten Unterstützung der Morde des NSU durch Münchner Neonazis drängt sich auf und muss restlos geklärt werden", fordert nun Thomas Spree, Sprecher des "Bündnisses gegen Naziterror und Rassismus" in einer Mitteilung.

Die Tatsache, dass Rechtsterroristen im Obermenzinger Nazizentrum gern gesehene Gäste seien, zeige klar die menschenverachtende Gesinnung der Bewohner. "Dass dort angesichts zweier Morde des NSU in München und dem laufenden Prozess auch noch ein rechtes Sommerfest gewalttätiger Neonazis stattfindet, ist unerträglich." Er fordert: Das Nazizentrum in München-Obermenzing muss sofort geschlossen werden.

Zschäpes Nachbarn berichten

Im NSU-Prozess wurde an diesem Donnerstag derweil die Beweisaufnahme zum Brand in Beate Zschäpes letzter Wohnung in Zwickau fortgesetzt. Die Anklage geht davon aus, dass Zschäpe nach dem Tod ihrer Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Wohnung in Brand setzte. Vor Gericht werden zwei Nachbarn befragt, die Zschäpe nach Ausbruch des Feuers trafen. Erschrocken habe die Frau gewirkt, erzählt Antje H. - erschrocken, als habe sie vergessen, den Herd auszuschalten. Zschäpe habe ihr Körbe mit ihren Katzen hingestellt und sei weggegangen.

Die Nebenklage-Anwälte interessieren sich für das nachbarschaftliche Verhältnis; am Mittwoch hatte ein anderer Nachbar von Trinkabenden mit Zschäpe unter einem Hitler-Bild berichtet. Doch Antje H. und ihr Mann Uwe kannten Zschäpe kaum. Gegrüßt habe man sich, mehr nicht. Uwe H. berichtet, wie unauffällig die Nachbarn gewesen seien. Nach Ausbruch des Feuers habe Zschäpe "keinen panischen Eindruck" gemacht. Gefasst habe sie gewirkt. Er erinnert sich an eine Staubwolke und einen dumpfen Knall, plötzlich sei Zschäpe ihm entgegen gekommen. Zügig sei sie gegangen, aber nicht gerannt. Sie habe ein Handy gehabt. Er habe sie gefragt, ob sie die Feuerwehr gerufen habe. "Ja", habe Zschäpe geantwortet.

Nach Ausbruch des Feuers soll Zschäpe mehrmals die Nummer des Mitangeklagten André E. gewählt haben. Eine Minute und 27 Sekunden telefonierten sie schließlich. Mit eben jenem André E., der nun mit bekannten bayerischen Neonazis in München gefeiert haben soll.

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