Androiden:Die Intuition der Roboter

Androiden: Nao ist ein schlaues Kerlchen. Dongheui Lee will, dass ihre Roboter aus Erfahrung lernen.

Nao ist ein schlaues Kerlchen. Dongheui Lee will, dass ihre Roboter aus Erfahrung lernen.

(Foto: Catherina Hess)

Dongheui Lee bringt Maschinenwesen das Lernen bei. Für ihre Forschung ist die TU-Wissenschaftlerin schon mehrfach ausgezeichnet worden - nun hat sie den Zuschlag für eine Helmholtz-Professur erhalten

Von Martina Scherf

Sie heißen Eddie, James oder Justin und sind freundliche Zeitgenossen. Sie grüßen und servieren Kaffee, und wenn man ihnen etwas vormacht, ahmen sie es artig nach. Noch. Denn die Roboter der Technischen Universität München werden immer intelligenter, sie sind auf dem Weg, selbständig zu lernen, ohne vorher in allen Schritten programmiert worden zu sein. Bei Dongheui Lee gehen einige der Maschinenwesen in die Lehre. Die gebürtige Koreanerin bringt ihnen das Lernen bei. Für ihre Forschung wurde die Juniorprofessorin schon mehrfach ausgezeichnet und vor kurzem mit einer der raren Helmholtz-Professuren geadelt.

Nao ist ein knuddeliger Geselle. Knopfaugen, kugelige Gelenke, menschliche Proportionen. Er hat etwa die Größe eines Zweijährigen und kann auch schon ungefähr so viel wie ein kleiner Mensch. Er kann hören und sehen, aufrecht gehen und nach Gegenständen greifen. Er beobachtet seine Lehrmeisterin genau, und wenn sie sich dreht, dreht er sich ebenfalls, wenn sie einen Schritt vorwärts macht, tut er das Gleiche, fast synchron.

Imitieren, das ist eine der Herausforderungen für Roboter, hinter denen jahrzehntelang Forschungsarbeit und das Programmieren unzähliger Algorithmen stecken. Dongheui Lee will aber mehr. Die Maschinenwesen sollen aus Erfahrung lernen, flexibel auf ihre Umwelt reagieren, sich selbst verbessern und Anregungen eines Coachs in ihr Programm integrieren.

"Wenn ich einen Sport lerne, Tanzen oder Fechten, dann mache ich es genauso", sagt die 38-Jährige: "Ich schaue zu, ich mache nach, ich lasse mich vom Trainer korrigieren und schließlich versuche ich selbst, immer besser zu werden." Auch kleine Kinder lernen so. "Mein zweieinhalbjähriger Sohn ist für mich die beste Inspiration", sagt die Wissenschaftlerin. "Er kann besser mit Unsicherheiten umgehen und sich an neue Situationen anpassen als ein Roboter." Deshalb beobachtet ihn die Mutter zu Hause genau und versucht dann, seine Fähigkeiten ihren Schützlingen im Labor beizubringen, damit auch sie eines Tages intuitiv lernen. Auf dieses Ziel hin arbeitet Dongheui Lee schon seit fünfzehn Jahren.

Aufgewachsen in Südkorea hat sie sich schon als Schülerin für Mathematik und Physik interessiert. Sie hat in Seoul Maschinenbau studiert und an der Universität Tokio promoviert, bei dem berühmten Roboterforscher Nakamura. Japan ist eine schnell alternde Gesellschaft und setzt auf die Hilfe von Robotern, gerade auch in der Pflege. Aber laut Bundesforschungsministerium ist auch ein Viertel aller Deutschen bereit, sich von einem Roboter pflegen zu lassen. "Wenn wir den Roboter dazu bringen, dass er meiner Großmutter nicht nur Kaffee serviert, sondern auch auf ihre Wünsche eingeht und von ihr lernt, sind wir einen großen Schritt weiter", sagt Dongheui Lee hoffnungsvoll.

Es gibt eine Szene in "Terminator II", als der Junge John Connor dem Androiden ein Take Five zum Gruß anbietet. Terminator, Typ T-800, ist von der Widerstandsbewegung der Zukunft umprogrammiert und durch die Zeit zurückgeschickt worden. Seine Mission lautet, den kleinen John, den zukünftigen Anführer der Menschheit, im Kampf gegen die Maschinen zu beschützen. Er versteht Johns Geste nicht gleich, und der Junge korrigiert ihn schrittweise, bis es klappt. "So ähnlich sollen es unsere Roboter auch machen", sagt Dongheui Lee mit einem Lächeln. Die Horrorvision von alles zerstörenden Maschinenwesen bleibt da jetzt einfach mal beiseite.

Natürlich kennt die sympathische schlanke Frau, die in einem eleganten schwarzen Rock und Pullover in ihrem Uni-Büro sitzt, die Kritik und die Ängste vor einer künstlichen Intelligenz, die eines Tages außer Kontrolle geraten könnte. Sie würde deshalb auch nie für Rüstungszwecke forschen, betont sie. "Aber warum sollen uns Roboter nicht die schmutzigen Jobs abnehmen?" Der Gedanke ist ja auch alt: Der tschechische Schriftsteller Karel Ĉapek ersann schon 1920 Maschinenmenschen, die gezüchtet werden, um an Stelle von Menschen in der Industrie zu schuften (tschechisch "robota").

Dass Roboter eines Tages menschliche Arbeiter ganz überflüssig machen, befürchte sie nicht, sagt Lee, "das ist durch zahlreiche Studien widerlegt". Vielmehr werde die Arbeitswelt von morgen, Stichwort Industrie 4.0, dank der intelligenten Maschinen schneller, effizienter, sauberer und sicherer. Schon heute entschärfen Roboter Bomben, kurven auf dem Mars herum oder tauchen in die Tiefen des Ozeans. Man kann die Kerle in Atomkraftwerke schicken, sie können gemeinsam mit Arbeitern Autos zusammenbauen - oder eben auch die Großmutter versorgen. Das ist immer noch besser, als wenn alte Menschen überhaupt keine Ansprechpartner haben, sagen manche. Bis die Androiden aber der Oma ihre Wünsche von den Lippen ablesen, wird es noch eine ganze Weile dauern. Die Forscher studieren daher wieder und wieder die menschlichen Bewegungen und kognitiven Prozesse, um die Helfer intelligenter zu machen.

"Noch wissen wir ja nicht genau, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Aber eines ist sicher: Lernen ist ein ganz wesentlicher Bestandteil dabei", sagt Lee. Auch Menschen müssen ja viele Fähigkeiten jahrelang üben, bevor sie sie einigermaßen beherrschen. "Ich habe ungefähr mit fünf Jahren gelernt, mit Stäbchen zu essen, aber richtig gekonnt habe ich es erst viel später", erzählt die Koreanerin und streicht sich eine dunkle Strähne aus der Stirn. Ihr freundliches Wesen ist gepaart mit viel Geduld und Beharrlichkeit.

Seit sechs Jahren forscht die Ingenieurin in München, als Juniorprofessorin für Dynamische Mensch-Roboter-Interaktion. Die Helmholtz-Professur ist mit einer Million Euro Förderung verbunden, so dass sie jetzt ihre eigene Forschergruppe aufbauen kann und noch enger mit der Robotik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen zusammenarbeiten wird, wo in verschiedenen Disziplinen an kognitiven Robotern gearbeitet wird.

Nicht nur von der TU, wo so viele internationale Spitzenforscher vereinigt sind, ist Dongheui Lee angetan - auch am Lebensstil der Münchner hat sie Gefallen gefunden. "Die Work-Life-Balance ist hier definitiv angenehmer als in Asien", sagt die junge Mutter, die mit einem Österreicher, ebenfalls Robotikforscher, verheiratet ist.

Anfangs, so erzählt sie, fand sie es ungewöhnlich, dass ihre Kollegen abends einfach mal nach Hause gehen, in die Oper, ins Konzert oder zum Sport. "In Asien sitzen alle jeden Tag bis Mitternacht im Labor." Das fängt schon in der Schule an. Ihre Highschool-Zeit hat sie daher auch in keiner guten Erinnerung. "Wir stehen um sechs auf, gehen in die Schule, kommen um sieben nach Hause und lernen weiter, oft bis spät in die Nacht, weil alle Eltern wollen, dass ihre Kinder es auf die Universität schaffen", sagt sie. Nur selten könne man mal schwänzen, sich mit einer Freundin davonstehlen und einen freien Tag gönnen, ohne dass die Eltern es merken.

Dass es in Europa auch anders geht, findet sie sehr angenehm. So hat sie jetzt trotz ihres anspruchsvollen Jobs Zeit für ihren kleinen Sohn und für ausgedehnte "Winterspaziergänge". Mit koreanischem Kehllaut gesprochen, knirscht das Wort wie frischer Schnee.

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