An Sommer-Wochenenden:Mit Blaulicht am Stau vorbei

Etterschlag: ASB Freiwillige Motorradstaffel auf der Autobahn

Im Einsatz auf der Autobahn: Motorradhelfer wie Thomas Nindl patrouillieren auch an diesem Wochenende rund um München.

(Foto: Johannes Simon)

Die ehrenamtlichen Motorradstaffel-Fahrer sind bei Unfällen auf der Autobahn oft die ersten Helfer

Von Marco Völklein

Nein, ein unfreundlicher Mensch ist Thomas Nindl nicht. Ganz im Gegenteil. Der 52-Jährige ist aufgeschlossen, engagiert, er kümmert sich um seine Mitmenschen. Nur auf der Autobahn schaut Nindl seinen Gesprächspartner so gut wie nicht an. "Jedenfalls nicht, solange der Verkehr noch fließt", sagt er. "Sicherheit geht vor." Erst wenn die Autos stehen, wenn sich ein Stau gebildet hat und Nindl sicher sein kann, dass nicht doch noch irgendein Verrückter angerast kommt, erst dann entspannt er sich. Und kümmert sich intensiv um die anderen.

Denn genau das ist ja seine Aufgabe. Nindl ist Mitglied der Motorradstaffel des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in München. Jedes Wochenende, den gesamten Sommer hindurch bis weit in den September hinein, rauscht mindestens ein Mitglied der Staffel über die Straßen und Autobahnen rund um die Landeshauptstadt. Die A 8 bis Rosenheim, die Inntalautobahn bis zur österreichischen Grenze, die bei Motorradfahrern beliebten Strecken rund um Tegernsee und Schliersee sowie der Autobahnring A 99 - das ist das Revier der Helfer auf zwei Rädern. An diesem Wochenende sind sie wieder unterwegs.

Ihre Aufgabe: Besonders schnell da zu sein, wo Hilfe dringend gebraucht wird. Mit dem Motorrad gelingt das oft einfacher als mit dem Auto. Wer Nindl bei einer seiner Streifenfahrten begleitet, der merkt das schnell. Besonders an Stau-Wochenenden können sich die Krad-Helfer durch die Autokolonnen durchschlängeln. Zumal Retter und Polizisten immer wieder berichten, dass viele Autofahrer den Begriff "Rettungsgasse" offenbar noch nie in ihrem Leben gehört haben. Selbst mit eingeschaltetem Blaulicht und dröhnendem Horn gelingt es ihnen oft nur schwer, sich zu einer Unfallstelle vorzuarbeiten. Motorradretter haben es da einfacher.

Nicht selten kommt es daher vor, dass Nindl mit seiner 110 PS starken Maschine als erster Helfer am Unglücksort ist. Dann ist er meist alleine auf sich gestellt, bis weitere Helfer nachrücken. In den Koffern des Motorrads hat er zwar alles, was ein Retter so braucht: Beatmungsgerät, Verbandsmaterial, Infusionen, "Pulsoximeter" und Defibrillator. Dennoch: "Um wirklich helfen zu können, muss man viel Erfahrung im Rettungsdienst haben", sagt Nindl. Daher sind die Anforderungen hart. Nur wer einige Jahre Rettungswagen gefahren ist und zudem Erfahrungen mit einem schweren Motorrad nachweisen kann, schafft es in Nindls Truppe, die aktuell 15 Leute umfasst. "Wer da rausfährt", sagt Nindl, "muss auch arbeiten." Sprich: Er muss mitunter Leben retten. "Da kann ich keinen gebrauchen, der nur den Verkehr regelt."

Nindl fährt meist am Vormittag los, raus auf die Autobahnen oder direkt rein ins Voralpenland. Per Funk meldet er sich bei den diversen Rettungsleitstellen an, zudem hört er den Sprechfunkverkehr mit. Nur selten wird er direkt von einer Leitstelle aus alarmiert, meistens muss er selbst entscheiden, ob er zu einer Unfallstelle eilt. Hört er etwa im Funk, dass bereits ein Rettungswagen in der Nähe des Unglücksortes ist, "ergibt es keinen Sinn mehr, dass ich da auch noch hinfahre", sagt Nindl. Oftmals aber hat er - gerade im ländlich geprägten Oberland - einigen Vorsprung gegenüber dem Rettungswagen. Und kann so rasch helfen. Und die Lage abschätzen und der Leitstelle mitteilen, dass das große Aufgebot an Rettungskräften doch nicht nötig ist. Oder aber zusätzliche Helfer ganz dringend benötigt werden.

Auf die Idee mit den Motorradhelfern kamen die ASB-Leute während der Fußball-WM 2006. Damals sei es vorgekommen, dass das Funknetz überlastet war. Langjährige Helfer im Sanitätsdienst hätten dann gestöhnt: "Ein Kradmelder, so wie damals, der wäre jetzt recht", erzählt Nindl. Aus Beständen von Bundeswehr und Bundespolizei besorgten sie sich drei Maschinen, rüsteten sie um. Mittlerweile haben sich die Motorradhelfer bewährt - insbesondere bei Großveranstaltungen, aber auch im Katastrophenschutz. Beim Kirchentag in München bahnten sich die Kradhelfer ihren Weg durch die Menschenmasse auf der Theresienwiese, beim Hochwasser 2013 an der Donau lotsten sie Helferkolonnen aus ganz Bayern zu den jeweiligen Einsatzorten. Und bei der alljährlichen Radltour des Bayerischen Rundfunks durch den Freistaat sind die Motorradhelfer ohnehin dabei. "Das beste Rettungsmittel, das es dafür gibt", sagt Nindl. Weil sie im Pulk der Radler locker mitschwimmen können. Auch das Rote Kreuz und die Johanniter unterhalten solche Motorradstaffeln. Damit die Helfer nicht aus der Übung kommen für solche Großeinsätze, damit sie den Umgang mit der fast 300 Kilo schweren Maschine, ausgestattet mit Blaulicht und Funkanlage, immer wieder trainieren - auch dazu sind sie an den Wochenenden unterwegs. So wie an diesem. Und das alles ehrenamtlich. "Wir bekommen keinen Cent dafür", sagt Nindl.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: