An der Wand:Im Fokus

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Ein Fotograf auf den Spuren Marias im Stadtbild

Einen speziellen Madonnen-Blick hatte Clemens Kindler aus Berg am Laim. Er schaute immer nach oben, wenn er in München mit seiner Kamera unterwegs war, und entdeckte so die alten, wenig beachteten Marien-Bildnisse und Statuen an Hausecken und Fassaden. Zwischen 1978 und 2015 hat er 220 Aufnahmen gemacht von Figuren, die teilweise inzwischen nicht mehr existieren, etwa eine sixtinische Madonna in einem Hinterhof an der Müllerstraße oder eine geschnitzte Figur im Tal. Neue Bildnisse gibt es nicht - der Brauch, sein Haus unter den Schutz der Muttergottes zu stellen, ist irgendwann aus der Mode gekommen, scheint zu Neubauten aus Glas und Stahl so gar nicht zu passen.

Kindler fotografierte zuerst mit einer alten Hasselblad in Schwarz-Weiß, später mit Farbfilm, am Ende digital. Weil die Perspektive von unten sehr ungünstig war für seine Serie, klingelte er auch beherzt in den Häusern gegenüber, um seinem Motiv näher zu kommen: Abgewiesen habe ihn niemand, selbst wenn die Familie gerade beim Essen saß: Für Kindlers Passion hatten die Leute Verständnis.

Der Hobbyfotograf und Hobbymaler, der von Beruf Schneider am Gärtnerplatztheater war, durfte seine Madonnen-Fotografien 2015 im Marienmonat Mai in Berg am Laim im Pfarrsaal von Sankt Michael ausstellen, die Künstlergilde des Bürgerkreises machte es möglich. Kurz bevor dieser Traum für ihn Wirklichkeit wurde, hatte er jedoch einen Schlaganfall. Er konnte weder Kamera noch Pinsel halten. Viel habe er während der Zeit zur Muttergottes gebetet, sagte er damals. Er zog nach Esslingen, wo sein Bruder lebte. Dennoch ließ er sich mit einem Krankentransporter zur Vernissage nach Berg am Laim bringen, das war ihm wichtig. Er freute sich, dass der frühere Weihbischof Engelbert Siebler die Ausstellung besuchte. Kindler ist 2016 gestorben, die vielen Münchner Madonnen-Fotos hat sein Esslinger Bruder geerbt.

© SZ vom 13.05.2017 / Re - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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