Amtsgericht:Patient klagt erfolgreich gegen Versicherung

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Privatklinik, freie Arztwahl, Ein- oder Zweibettzimmer und die private Krankenversicherung bezahlt alles. Doch dieser Traum von der Vollversorgung platzt bei so manchem Patienten, wenn die Assekuranz bei der Abrechnung zickt. So wie bei einem Münchner, der nach erfolgreicher Knie-OP in einer renommierten Münchner Privatklinik unerwartet rund 2800 Euro selbst zahlen soll. Die Begründung ist verblüffend: Der Patient wird dafür in Haftung genommen, dass die Klinik nicht von der Umsatzsteuer befreit ist.

Mit sechs Milliarden Euro Einnahmen an Jahresbeiträgen und mehr als 60 Milliarden Euro an angelegtem Vermögen gehört der außerhalb Bayerns sitzende Versicherungskonzern, gegen den der Münchner nun klagen musste, zu den Branchengrößen. Dennoch zeigt sich, dass auch ein vermeintlich problemloser Erstattungsantrag zum Ringkampf mit dem Sachbearbeiter werden kann. Dazu nach Regeln, die bloß Spezialisten durchschauen können.

So beruft sich der Konzern seinem überraschten Versicherten gegenüber auf eine sehr delikate Rechtslage: Nach deutschem Recht sind nur Klinik- und ärztliche Heilbehandlungen umsatzsteuerbefreit, die von "Einrichtungen des öffentlichen Rechts" erbracht werden - bloß ausnahmsweise gilt das nach Spezialregelungen des Sozialgesetzbuchs V (§ 108) auch für Privatkliniken. Doch der Europäische Gerichtshof hält diese Praxis für europarechtswidrig: Die Steuerbefreiung solle für sämtliche Privatkliniken gelten. Aus Sicht der Versicherung hätte der Kunde all das wissen müssen und keine Klinik wählen dürfen, die nicht gegen den deutschen Fiskus diese Steuerbefreiung erstritten habe - somit müsse er die Umsatzsteuer selbst tragen.

In den Augen von Rechtsanwalt Ernst Tandler, der den Patienten in dem Rechtsstreit vertritt, ist das eine absurde Forderung. Eben so falsch sei die Behauptung der Versicherung, dass die von einer in der Klinik ansässigen Gemeinschaftspraxis erbrachte Leistung "nicht erstattungsfähig" sei, weil diese "weder Beleg- noch Wahlärzte" seien. Das Münchner Amtsgericht hat ihm nun Recht gegeben. Die Gemeinschaftspraxis falle natürlich unter die vertraglich zugesicherte freie Arztwahl. Und aus Sicht des Patienten spiele es keine Rolle, ob sich die Klinik in Sachen Umsatzsteuerbefreiung womöglich auf eine europarechtskonforme Auslegung der Vorschriften berufen dürfte - solch einen Grundsatzstreit mit dem Fiskus könnten erst Finanzgerichte entscheiden. Die Umsatzsteuer sei daher auf jeden Fall Teil der vereinbarten und angemessenen Vergütung und müsse erstattet werden. Das Urteil (Az.: 158 C 23289/15) ist noch nicht rechtskräftig.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: