Amtsgericht München:Pflegekind bekommt erstmals zwei Pflegemütter

Ein lesbisches Paar erhält die gemeinsame Vormundschaft für einen zehnjährigen Jungen. Mit dieser Entscheidung schließt das Amtsgericht eine "Regelungslücke".

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Das Amtsgericht München hat erstmals zwei Frauen einer eingetragenen Lebensgemeinschaft gemeinsam als Vormünder für einen zehnjährigen Jungen bestellt. "Nach der Auffassung des Gerichts ist solch ein Fall nicht im Gesetz geregelt", sagt Gerichtssprecherin Monika Andreß. Diese "Regelungslücke" hat das Gericht mit seinem rechtskräftigen Beschluss nun geschlossen. Bisher war eine gemeinsame Vormundschaft nur bei Ehepaaren möglich. Das Amtsgericht sieht hierin jedoch eine Diskriminierung.

Tim (Name geändert) lebt seit Januar 2008 in einer Pflegefamilie, die aus zwei Frauen besteht. Diese hatten im April 2005 ihre Beziehung ins Lebenspartnerschaftsregister eintragen lassen. Wo sich die leibliche Mutter des Kindes aufhält, ist unbekannt. Bisher hatte ein katholischer Verein die Vormundschaft für den Jungen.

Die beiden Frauen beantragten nun beim Amtsgericht München, gemeinschaftlich Vormund für ihr Pflegekind sein zu dürfen. Vor der Rechtspflegerin am Amtsgericht München bestätigte auch Tim, dass seine beiden Pflegemütter für ihn Entscheidungen treffen sollen. Das Jugendamt hält die beiden Pflegemütter für geeignet und unterstützte den Wunsch des Zehnjährigen. Das Gericht gab nun dem Antrag statt.

Monika Andreß erklärt, warum das geschah. Denn eigentlich solle für ein Mündel nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch grundsätzlich nur ein Vormund bestellt werden. Nur wenn besondere Gründe vorliegen, könne eine Ausnahme gemacht werden. "Das war hier nicht der Fall - beide Mütter hätten die Vormundschaft auch alleine ausüben können."

Der BGB-Paragraf 1775 hat dagegen kein Problem mit klassischen Ehen: "Das Familiengericht kann ein Ehepaar gemeinschaftlich zu Vormündern bestellen", heißt es. Darin sieht das Münchner Amtsgericht aber eine Diskriminierung gleichgeschlechtlich eingetragener Partnerschaften. Es hat in seinem richtungsweisenden Beschluss zudem berücksichtigt, dass vor einiger Zeit das Bundesverfassungsgericht die "Sukzessivadoption" für homosexuelle Lebenspartner ermöglicht hat: Lesben und Schwule können künftig ein Kind adoptieren, wenn dieses vom jeweiligen Partner bereits adoptiert worden ist.

Wie das Gericht seine Entscheidung begründet

"Nachdem der Gesetzgeber die Sukzessivadoption zulässt, ist nicht nachvollziehbar, weshalb dann eingetragene Lebenspartner nicht auch - wie Ehepaare - gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden können sollten, ohne dass hierfür besondere Gründe vorliegen müssen", heißt es jetzt in der schriftlichen Begründung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

Die Bestellung nur einer Pflegemutter würde nach Meinung des Gerichts auch dem Kindeswohl widersprechen, da sich beide gleichwertig um Tim kümmern. "Schon alleine deswegen wäre es diskriminierend, nach der ,Würfelmethode' nur einen Vormund auszuwählen und hierdurch die andere Pflegemutter grundlos im Familienverband zurückzusetzen", steht in dem Beschluss.

Gewöhnlich sind Fälle aus dem Familienrecht nicht öffentlich. Wegen der rechtlichen Bedeutung hat das Gericht in diesem Fall jedoch eine Ausnahme gemacht. Um die Anonymität der Betroffenen zu schützen, veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung das Aktenzeichen nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: