Amtsgericht:Fünf Promille: 25-Jähriger weiß nicht mehr, was er vor Gericht gestehen soll

  • Robert S. muss für zwei Jahre in eine Entziehungsanstalt.
  • Der alkoholkranke 25-Jährige war wegen mehrerer Vergehen vor Gericht - an die meisten kann er sich nicht erinnern.
  • Es geht beispielsweise um Pöbeleien, Schläge gegen Ordnungshüter, Urinieren in einen Polizeitransporter oder das Zeigen des Hitlergrußes.

Von Susi Wimmer

Als die Mutter von Krampfanfällen geschüttelt in ihrem Bett lag, saß Robert S. an ihrer Seite. Er war 13 Jahre alt, als sie vor seinen Augen starb. Sie hatte sich in den Tod gesoffen. Robert S. ist heute gerade mal 25 Jahre alt und dem besten Weg, seiner Mutter zu folgen. Er gehörte zur typischen Trinker-Klientel am Hauptbahnhof, stieg als Stricher-Junge in die Autos von Freiern, und soff bis zu vier Flaschen Wodka am Tag, um sein Leben zu ertragen. Zu seinem Leben gehörten auch Pöbeleien, Streitereien, Widerstand gegen Polizisten und Schläge gegen Ordnungshüter, zuweilen mit einem Atemalkoholwert von fünf Promille. Damit wird in den nächsten zwei Jahren Schluss sein. Für diese Zeit nämlich schickte das Amtsgericht München ihn am Donnerstag in eine Entziehungsanstalt.

Robert S. ist nicht besonders groß, eher schmächtig, sein Gesicht wirkt mit den gespitzten Lippen fast mädchenhaft und kindlich. Auf dem Richtertisch liegen Berge von Ermittlungsakten in roten Sammelmappen - das Leben des jungen Mannes. Hausfriedensbruch, Widerstand, zuletzt wollte er sich in Nürnberg aus Liebeskummer vor die S-Bahn werfen. Als ihn die Polizei mitnahm, wehrte er sich, beleidigte die Beamten und urinierte lachend in den Polizeitransporter. Deshalb sitzt er aktuell auch in der Justizvollzugsanstalt Crailsheim ein. In München soll ihm nun wegen vier anderer Anklagen der Prozess gemacht werden.

Rechtsanwalt Christian Gerber erklärt, dass sein Mandant schon geständig sei. Allerdings wisse er nicht mehr, was er gestehen solle. Die Taten seien ihm aber "nicht wesensfremd, wenn er trinkt". Dass er nach einem nicht eingehaltenen Platzverweis am Hauptbahnhof im April 2016 um sich geschlagen, nach einem Beamten getreten habe und in die Zelle urinieren wollte, daran hat er keinerlei Erinnerung. Auch nicht daran, wie er vergangenes Jahr auf der Wiesnwache gespuckt und später einem Beamten einen Fußtritt in die Genitalien verpasst habe.

Der Hitlergruß im März 2017 beim "Schwammerl" am Hauptbahnhofs-Vorplatz habe wohl stattgefunden, sei ihm aber wesensfremd: "Ich bin gebürtiger Pole und keinesfalls rechtsradikal." Damals war er auch aufgefordert worden, den Platz zu verlassen und grüßte in Richtung der eingesetzten Polizeibeamten. Es wurde bei ihm ein Atemalkoholwert von fünf Promille gemessen. Laut einem Polizeibeamten im Zeugenstand konnte der 25-Jährige noch laufen und reden. "Wir haben uns aber nicht beleidigt gefühlt. Das wollten wir ihm nicht auch noch drauf drücken", sagt ein Beamter.

Robert S. entschuldigt sich bei allen anwesenden Polizisten, auch wenn er sich nicht erinnern kann. Tatsächlich bescheinigt ihm ein Gutachter, dass hirnorganische Schäden nicht ausgeschlossen werden könnten. Vor ein paar Monaten, erzählt S., seien seine Haut und seine Augen gelb angelaufen, er befinde sich an der Grenze zur Leberzirrhose. "Ich hatte einen Traum von meiner Mutter. Ich will nicht so enden", sagt er. Der Entzug dürfte seine allerletzte Chance sein.

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