Amtsgericht:1500 Euro Strafe für die Verletzung einer Taube

Amtsgericht: Ein Taubenschwarm hat den Mann überrascht, berichtet er.

Ein Taubenschwarm hat den Mann überrascht, berichtet er.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Versehentlich hat ein Kraftfahrer den Vogel mit einem Stock erwischt, sagt er. Trotzdem verurteilt das Gericht ihn wegen "Misshandlung und Tötung eines Wirbeltieres".

Von Susi Wimmer

Rinder werden Hunderte Kilometer durch Deutschland gekarrt, um in München geschlachtet zu werden, weil pro Kilo Ware ein paar mehr Cent bezahlt werden. Mehrere tausend Tiere werden in einer Woche an der Zenettistraße geschlachtet, und vor dem Münchner Amtsgericht steht am Montag ausgerechnet ein Mann, weil er auf dem Schlachthofgelände eine Taube schwer verletzt haben soll. "Misshandlung von Wirbeltieren und Tötung eines Wirbeltieres" heißt der Tatbestand, und der Angeklagte Nicolas E. versichert, dass das mit der Taube "nur ein Versehen" gewesen sei. Einen Strafbefehl über 3000 Euro wollte er nicht akzeptieren.

Nicolas E. ist Berufskraftfahrer, 28 Jahre alt, und stammt aus dem nordrhein-westfälischen Oelde. Bis vor Kurzem noch war es sein Job, in NRW Rinder einzusammeln und sie zum Schlachten nach München zu transportieren, "weil da der Preis besser ist". An die 100 Stunden Arbeitszeit in der Woche seien da normal gewesen, sagt er zur SZ. So stand er "etwas geschafft" auch an jenem 15. Mai 2017 im Schlachthof, lud die erste Gruppe Rinder ab und ging zur Laderampe seines Trucks, um die nächste Fuhre zu holen.

Über die Schulter habe er sich noch mit dem Amtstierarzt unterhalten, als plötzlich eineinhalb Meter vor ihm Tauben von der Rampe aufstiegen. "Ich hab aus Reflex die Arme hochgerissen vor das Gesicht", sagt er. Da er in einer Hand noch einen Treibstock hielt, habe er versehentlich eine Taube getroffen. Der schwer verletzte Vogel musste wenig später vom Amtstierarzt notgetötet werden.

Während ein anderer Anlieferer aus Dorfen die Geschichte mit dem Erschrecken bestätigt, wollen der Amtstierarzt und seine junge Assistentin, die an dem Tag in einem Container saßen und die Anlieferung beobachteten, etwas ganz anderes gesehen haben. "Für mich sah es absichtlich aus", sagt die 27-jährige Assistentin, und der Tierarzt erklärt, der Schlag sei mit so einer Wucht erfolgt, so etwas könne nicht versehentlich passieren.

Rechtsanwalt Ludwig Lehmann wirft im Sinne seines Mandanten noch die Frage auf, ob es denn überhaupt möglich sei, eine Taube, die blitzschnell hochflattert, mit einem gezielten Schlag zu erwischen? Am Ende verurteilt die Richterin den Mann, der gerade erst Vater wurde, zu einer Strafe von 1500 Euro. Es sei "ein Augenblicksversagen" gewesen, sagt sie. Nicolas E. hatte auf einen Freispruch gehofft.

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