Amoklauf von München:Der geheimnisvolle Zeuge im Waffenhändler-Prozess

Waffenhändler vor Gericht

Die Anklage gegen Philipp K. lautet bislang auf fahrlässige Tötung und Verstoß gegen das Waffen- und das Kriegswaffenkontrollgesetz.

(Foto: dpa)
  • Die Vertreter der Nebenklage fordern, dass sich Philipp K. im Waffenhändler-Prozess auch wegen Beihilfe zum neunfachen Tötungsdelikt verantworten muss.
  • Für sie gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass der Marburger wusste, was der spätere Münchner Amokläufer David S. plante.
  • Ein Kronzeuge aus dem Darknet soll das bestätigen können. Konkrete Hinweise auf seine Identität gibt es bisher aber nicht.

Von Martin Bernstein

Der Waffenhändler des Attentäters soll sich jetzt auch wegen Beihilfe zu dem neunfachen Tötungsdelikt verantworten müssen - das haben die Opferanwälte Yavuz Narin und Seda Basay am vierten Verhandlungstag gefordert. Die Anklage gegen den 32-jährigen Marburger Philipp K. lautet bislang auf fahrlässige Tötung und Verstoß gegen das Waffen- und das Kriegswaffenkontrollgesetz. Die bisherige Beweisaufnahme hat für Narin jedoch zahlreiche Hinweise darauf gebracht, dass K. zumindest geahnt habe, was sein von ihm als merkwürdig beschriebener Kunde mit dem Darknet-Pseudonym "maurächer" (der spätere Münchner Todesschütze David S.) mit der von ihm gekauften Pistole Glock 17 vorhatte.

Nach Auffassung der beiden Nebenklage-Anwälte schlummern die entscheidenden Beweise noch in den Tiefen des Darknets. So habe ein bisher noch nicht identifizierter Nutzer "blab" angeboten, ein von ihm angeblich als Strohmann eingesetzter Waffenkäufer könne unter bestimmten Voraussetzungen als Kronzeuge auftreten - und nicht nur bestätigen, dass K. alias "Rico" von dem geplanten Amoklauf gegen Migranten gewusst und sich darüber gefreut habe, sondern dass er David S. auch Tipps gegeben habe.

Der geheimnisvolle Informant geistert bisher durch alle Verhandlungstage, ohne dass es konkrete Hinweise auf seine Identität gibt. Ja, bestätigte am Montag ein Zeuge, selbst Waffenkäufer: Ein "blab" sei bei "Deutschland im Deep Web" (DiDW) aktiv gewesen - allerdings nicht im Waffen-, sondern im Erotikforum. Ein Zollfahnder bestätigte jedoch, dass "blab" Ende 2015 bei Ermittlungen wegen Waffengeschäften in Stuttgart ebenfalls eine Rolle gespielt habe.

Deshalb erhoffen die Anwälte sich weitere Hinweise aus den Ermittlungen gegen das vor wenigen Monaten in Karlsruhe ausgehobene Forum DiDW sowie von der Auswertung weiterer Plattformen im Darknet. Außerdem will Narin wissen, was die mittlerweile eingestellten Ermittlungen gegen einen Münchner Jugendlichen erbracht haben, mit dem David S. sich knapp zwei Stunden vor der Bluttat am OEZ getroffen hatte. Er wolle dem damals 16-Jährigen etwas zeigen, soll S. angekündigt haben. Ob der Jugendliche, den David S. ein Jahr zuvor im Klinikum Harlaching kennengelernt hatte, die Waffe und die Munition im Rucksack zu sehen bekam, ist bis heute unklar. Der 16-Jährige war kurz nach dem Amoklauf vorübergehend festgenommen worden.

Mehrere Nebenklage-Anwälte gehen davon aus, dass K. bei seinen zwei Treffen vom tödlichen Hass des späteren Amokläufers auf "Kanaken" gewusst und dass er ihm gesagt habe, dieser solle mit der Waffe keinen "Scheiß" machen. Bei seinen Waffendeals unterhielt K. sich nach Zeugenaussagen bis zu einer Stunde lang mit seinen Kunden. David S. war sogar zwei Mal jeweils drei Stunden lang in Marburg. Wie alt seine Kunden waren, soll K. nicht interessiert haben - und auch, wofür sie die Schusswaffe wollten, war nur am Rand ein Thema.

Wegen der umfangreichen Anträge forderten zwei der Nebenklage-Anwälte, die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Münchner Bluttat vom laufenden Verfahren abzutrennen und vor einer Schwurgerichtskammer zu verhandeln. Nach Narins Ansicht besteht "schon jetzt dringender Tatverdacht der Beihilfe zum Mord". K. müsse wegen der Schwere der Vorwürfe und wegen Fluchtgefahr in Haft bleiben. Vorsitzender Richter Frank Zimmer erklärte, bei dem Antrag handle es sich um einen "gewichtigen Schriftsatz mit gewichtigen Argumenten". Diese müssten geprüft werden. Derweil wird der Prozess am Dienstag fortgesetzt.

Zu Wort kommen dann Ermittler des Landeskriminalamts.

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