Bluttat am OEZ:Innenministerium soll rechtsextremes Motiv von David S. prüfen

Bluttat am OEZ: S. bereitete die Tat am OEZ mehr als ein Jahr lang vor. Er übte schon Monate zuvor das Schießen.

S. bereitete die Tat am OEZ mehr als ein Jahr lang vor. Er übte schon Monate zuvor das Schießen.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Das Innenministerium muss zu den politischen Hintergründen der Bluttat am OEZ noch einmal neu Stellung nehmen.
  • Einem entsprechenden Antrag der SPD haben die Parteien im Innenausschuss des Landtags mehrheitlich zugestimmt.
  • Grund waren mehrere Gutachten, die Zweifel am ursprünglichen Tatmotiv Mobbing geäußert hatten und eher einen rechtsextremen Hintergrund vermuten.

Von Martin Bernstein

War David S. ein Mobbing-Opfer, dessen Rachefantasien in einem Amoklauf gipfelten? Zweifel an dieser Bewertung der neun Morde vom 22. Juli 2016 wachsen - inzwischen offenbar auch in der CSU. Im Innenausschuss des Landtags stimmte die Regierungspartei zusammen mit Grünen und Freien Wählern einem SPD-Antrag zu, wonach das Innenministerium zu den politischen Hintergründen der Tat noch einmal neu Stellung nehmen muss -auf der Basis dreier jüngst veröffentlichter Gutachten. Mehr noch: Die CSU will, dass auch Erkenntnisse aus dem aktuellen Prozess gegen Waffenhändler Philipp K. in den Bericht des Ministeriums einfließen, darunter 2234 Seiten Chat-Protokolle.

Tatsächlich fördert der Prozess immer neue Indizien zu Tage, die am angeblichen Hauptmotiv Mobbing zweifeln lassen, das für die Ermittlungsbehörden nach wie vor gilt. So war einer der Jugendlichen, die S. in dessen Schulzeit gemobbt hatten, im McDonald's an der Hanauer Straße - und überlebte. Er war einer anonymen Aufforderung auf Instagram gefolgt, traf nach Erkenntnissen der Ermittler mit Freunden gegen 16.30 Uhr im Schnellrestaurant ein und ging um 17.35 Uhr wieder.

Zu einem Zeitpunkt also, als S. bereits am späteren Tatort war und laut Polizei intensiv Ausschau nach möglichen Opfern hielt. Dass dem Jugendlichen, der eigentlich vorrangiges Ziel einer Rachetat für erlittenes Mobbing hätte sein müssen, nichts passierte, erklärte ein Ermittler vor Gericht so: "Sie sind sich nicht über den Weg gelaufen."

Und dann ist da ein Chat, den S. zwei Tage vor der Tat mit einem fiktiven "Bastian" im Internet geführt haben soll. Die technischen Experten im Landeskriminalamt glauben: ein Selbstgespräch. Darin ist von weiteren Anschlägen in Frankfurt und Offenbach die Rede, mit Lastwagen und automatischen Waffen. "Du wirst alles stoppen und die AFD wird durch uns in die Höhe gepusht", schreibt "Bastian". Nur eine Stunde vor der Tat soll S. im Beisein eines 16 Jahre alten Bekannten zudem laut darüber nachgedacht haben, ob der Stachus als Anschlagsort nicht geeigneter wäre.

Ein Anschlag vor und in einem Einkaufszentrum - der Politikwissenschaftler und Extremismusexperte Florian Hartleb, einer der drei Gutachter, die im Auftrag der Stadt die Tat untersucht haben, erkennt darin eine Idee des Anführers der amerikanischen Neonazi-Organisation "Weißer Arischer Widerstand", Tom Metzger. Metzger propagiert die "Lone Wolf"-Methode des Terrorismus. Als solch einen "einsamen Wolf" charakterisieren alle drei Gutachter David S. Am deutlichsten tut das der Jenaer Soziologe Matthias Quent: "Die Mehrfachtötung am OEZ kann zutreffend als Akt eines allein handelnden Terroristen bezeichnet werden."

S. bereitete seine Tat mehr als ein Jahr lang vor. Er übte schon Monate zuvor das Schießen. Er ahmte den rechtsradikalen Massenmörder Anders Breivik nach, bis hin zur Wahl des Mord-Datums 22. Juli und der Tatwaffe vom Typ Glock 17. Er konstruierte eine rassistisch definierte Gruppe balkanstämmiger Menschen, die das Ziel seines Mordanschlags sein sollte und wurde. All das erfüllt für die Gutachter "die Kriterien eines Hassverbrechens". Die Bluttat wäre damit als politisch rechts motivierte Kriminalität einzustufen.

Für den SPD-Parlamentarier Florian Ritter ist der Beschluss vom Mittwoch "eine gute Nachricht: Die Gutachten zeigen viele neue Aspekte auf." Die Landtags-CSU ist damit auf die Linie ihrer Münchner Parteifreunde eingeschwenkt. Stadtrat Marian Offman hatte bereits im Mai gefordert, das Rache-Motiv dürfe nicht "den rassistischen und rechtsextremen Hintergrund der Tat verdecken".

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