Amoklauf in München:Rätsel um zwei fehlende Stunden

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SZ-Grafik (Foto: SZ-Grafik)
  • Die Polizei hat inzwischen minutengenau rekonstruiert, wie der Amokschütze David S. in München neun Menschen tötete.
  • Über die zwei Stunden, die vergingen, bis er die Waffe gegen sich selbst richtete, weiß die Polizei allerdings immer noch nichts.
  • Selbst der Einsatz eines Personenspürhundes brachte keine Erkenntnisse.

Von Martin Bernstein

So viel die Ermittler seit Freitagabend über den Amokläufer David S. und seine Bluttat herausgefunden haben, eine Frage konnten sie auch am Montag noch nicht beantworten. Es ist die Frage nach den fehlenden zwei Stunden. Wo war der 18-Jährige am Freitagabend zwischen 18.15 und 20.30 Uhr?

Um 18.15 Uhr zeigt ein Video den Amokschützen auf dem nördlichen Parkdeck des Olympia-Einkaufszentrums. Dort liefert sich S. ein Wortgefecht mit einem Anwohner und wird von Zivilpolizisten entdeckt, die einen Schuss auf ihn abgeben, ihn aber verfehlen. Um 20.30 Uhr stellen Polizisten den Amokschützen in der Henckystraße, knapp 300 Meter nördlich vom Einkaufszentrum. David S. - er ist Linkshänder - hält sich die Waffe an die Schläfe und drückt ab. Er ist sofort tot. Es ist der 57. Schuss, den der Amokläufer an diesem Abend abfeuert.

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Der 16-Jährige soll mit dem Täter in der Nähe des Tatorts gewesen sein. Sie tauschten sich laut Ermittlern über das Thema Amok aus.

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Zuvor ist zwei Stunden lang kein Schuss mehr gefallen. "Totenstille" habe geherrscht, berichtet ein Mann, der im OEZ in einem Kaufhaus in Sicherheit und dort Ohrenzeuge des Amoklaufs gewesen war. Was hat David S. in diesen zwei Stunden gemacht? Wo war er? Wieso konnte ihn die Polizei nicht früher entdecken?

Derzeit würden alle verfügbaren Videos gesichtet, sagt Gerald Busch vom Bayerischen Landeskriminalamt. Um die letzten Stunden des Amokschützen zu rekonstruieren, würden auch Telekommunikationsdaten ausgewertet. Bereits am Samstag verfolgte ein Personenspürhund die Spur von David S. Aber auch das brachte keine eindeutigen Ergebnisse. Auffallend ist jedoch wohl, dass der spätere Amokläufer bereits auf verschlungenen, logisch nicht nachvollziehbaren Wegen zum OEZ gelangt war. Ähnliches könnte auch für die noch fehlenden zwei Stunden gelten.

Um 16 Uhr trifft S. neben dem McDonald's seinen Freund aus der Psychiatrie, den er an diesem Nachmittag zum OEZ bestellt hat und den Polizei und Staatsanwaltschaft für einen Mitwisser der geplanten Tat halten. Ohne jemanden zu warnen, fährt der Jugendliche aber wieder nach Hause.

David S. betritt das Schnellrestaurant. Um 17.52 Uhr gehen die ersten Notrufe bei der Polizei ein. S. tötet mit seiner Pistole fünf Menschen, die im McDonald's sitzen. Er läuft mit der Waffe in der Hand auf die Hanauer Straße und erschießt dort zwei Menschen, einen weiteren tötet er ein paar Schritte weiter vor dem Elektrogeschäft Saturn. Der Täter läuft danach über die Straße in das benachbarte OEZ. An der Rolltreppe im Westen des mehr als 300 Meter langen Komplexes begeht der Amokschütze seinen letzten Mord. Kurz darauf steht S. auf dem Dach des Parkdecks. Und verschwindet dann für mehr als zwei Stunden.

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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