Amoklauf in München:"Ich denke auch an die Eltern des Täters"

Nach Schießerei in München

Trauende haben in der Nähe des Olympia-Einkaufszentrums Blumen niedergelegt

(Foto: dpa)

Bayerns Ministerpräsident Seehofer und Münchens Oberbürgermeister Reiter gedenken der Opfer. Eine Geistliche findet berührende Worte.

Von Elisa Britzelmeier und Lars Langenau

Seit dem Morgen kommen Menschen zur U-Bahn-Station Olympia-Einkaufszentrum und legen Blumen nieder. Darunter ist eine junge Deutschtürkin, die besonders schockiert darüber ist, dass so viele junge Opfer darunter sind. "Ich kannte einen, der gestorben ist. Ich habe es zunächst nicht geglaubt, aber seine Mutter hat es bestätigt." Sie erlebe so etwas zum ersten Mal, habe Blumen gepflückt und sie hier niedergelegt. "Es ändert nichts an meiner Trauer, dass es kein Terroranschlag war." Sie frage sich, warum jemand auf die Idee komme, so etwas zu tun. "Es hätte auch mich treffen können."

Alle an der Kreuzung Hanauer Straße/Pelkovenstraße* stellen sich Fragen: Woher hatte er die Waffe? Warum dachte man zuerst, es seien mehrere Täter? Wieso kannten die Nachbarn den mutmaßlichen Schützen als ruhig, unauffällig und schüchtern? Andere umarmen sich wortlos, viele tragen schwarze Kleidung. Einige wundern sich, wieso gerade ihr Stadtviertel nun im Zentrum der Weltöffentlichkeit steht. Es herrscht eine bedrückte Stimmung.

Gegen 13.30 Uhr wird erstmals die Sperrung vor dem Olympia-Einkaufszentrum aufgehoben. Dutzende Pressevertreter und ein paar Anwohner strömen zum Tatort vor dem McDonald's. Um kurz vor 14 Uhr treffen ein sehr blasser Ministerpräsident Horst Seehofer, Oberbürgermeister Dieter Reiter, Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler und der katholische Geistliche Lorenz Wolf ein. Es ist wird ein stilles Gedenken vor vier großen Kränzen.

Breit-Keßler spricht ohne Verstärker, einzelne Worte erreichen die Menschen vor der Absperrung. Sie dankt den Helfern, "dass wir zusammenstehen" und drückt ihre Hoffnung aus, "dass alle Religionen gemeinsam in der Stadt leben können." All diese Worte sind schwer zu Verstehen, weil ein Hubschrauber über dem Gelände kreist. Das Gedenken endet mit einem gemeinsam gesprochenen "Vater unser".

Die Politiker scheinen unschlüssig, ob sie noch vor die Presse treten. Seehofer und Stamm gehen direkt zu ihren Dienstfahrzeugen, Bürgermeister Reiter lässt sich zu einem kurzen Statement überreden. Er wird gefragt, was er von der Absage der Festivitäten in München halte. "Das ist nicht bedeutend", sagt er. "Meine Gedanken gelten den Opfern. Es ist ein Tag der Trauer, nicht des Feierns". Dann dankt er den Münchnern dafür, dass sie am Abend ihre Türen geöffnet haben - und geht.

Die Regionalbischöfin wischt sich die Tränen aus den Augenwinkeln. "Natürlich bin ich traurig", sagt Breit-Keßler. "Das ist meine Stadt." Und dann sagt sie noch ein paar Sätze, die einige Gäste der Gedenkfeier ungewöhnlich finden: "Ich denke auch an die Eltern des Täters, die jetzt schreckliche Stunden erleben müssen." Es sei wichtig, alle Menschen in die Gemeinschaft aufzunehmen und niemanden auszugrenzen. "Wir wollen das Leben lieben", sagt sie. "Verplempert die Zeit nicht." Was zähle, seien nicht die Oberflächlichkeiten.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version stand an dieser Stelle Pettenkoferstraße. Das ist falsch, es handelt sich um die Pelkovenstraße.

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