Amoklauf:David S. bleibt der Polizei ein Rätsel

Nach Schießerei in München

Die Polizei sperrt den Zugang zur U-Bahnstation Olympia-Einkaufszentrum in München ab.

(Foto: dpa)

Knapp zwei Wochen nach dem Amoklauf halten sich immer noch Verschwörungstheorien. 60 Polizisten ermitteln unterdessen weiter. Ein Überblick über den aktuellen Wissensstand.

Von Susi Wimmer

Auch elf Tage nach dem Amoklauf am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) kursieren viele Theorien über die Tat, den Täter und seine Motive. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Fragen und Antworten.

Hieß der Täter nun Ali oder David S.?

Der Täter wurde am 20. April 1998 in München geboren und trug den Vornamen Ali. Er hatte die deutsche und die iranische Staatsbürgerschaft. Im Jahr 2012 ließ der Vater den Nachnamen der Familie ändern. Anfang Mai, kurz nach seinem 18. Geburtstag, ließ sich der Täter offiziell in David umbenennen. Den Vornamen zu wechseln, ist nach Auskunft des Kreisverwaltungsreferats ziemlich schwierig. Infolge einer Einbürgerung sei das aber auch ohne Angaben von Gründen möglich.

War David S. Rechtsextremist?

Auf einem Video vom Abend des Amoklaufs schreit David S. "Scheiß-Türken". Der Verein "München ist bunt" glaubt deshalb, dass Rassismus ein gewichtiger Faktor bei der Tatausführung gewesen sei. Innenminister Joachim Herrmann sagt, es gebe Hinweise, dass der 18-Jährige Sympathien für den rechtsextremen Attentäter Anders Breivik hegte. Und dass es der Amokläufer als "besonders positives Schicksal" gewertet habe, am selben Tag wie Hitler Geburtstag zu haben.

Die Sonderkommission OEZ des Landeskriminalamts (LKA) habe derzeit aber "keine Unterlagen darüber oder Chat-Verläufe, aus denen diese Äußerungen hervorgehen", entgegnet LKA-Sprecher Ludwig Waldinger. Auch für einen besonderen Hass auf Türken gibt es außer dem Video keinen Beleg. Belegt ist: "Ich hasse alle Menschen" - was die Ermittler darauf zurückführen, dass David S. von Mitschülern gemobbt wurde.

Wurden bewusst ausländische Jugendliche als Opfer ausgewählt?

Die Ermittler gehen von Zufallsopfern aus. David S. hatte zwar über den gefälschten Facebook-Account einer jungen Türkin versucht, junge Leute in den McDonald's zu locken. Unter den Opfern seien aber keine Facebook-Freunde oder Mitschüler gewesen, so Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. LKA-Präsident Robert Heimberger sagt, die unterschiedlichen Nationalitäten der Opfer seien wohl dem multikulturellen Umfeld am OEZ geschuldet.

Hatte er Mittäter?

"Die Einzeltäter-Theorie wankt nicht", sagt LKA-Sprecher Waldinger. Anfangs ging man von "bis zu drei Tätern" aus. Was zum einen daran lag, dass zwei Männer in einem roten Mercedes nach den Schüssen vor dem McDonald's mit quietschenden Reifen weggefahren seien. Zeugen meldeten das der Polizei.

Die Ermittler fanden die Männer: Sie hatten die Schüsse gehört und waren geflohen. Auch Zivilpolizisten wurden zunächst für Attentäter gehalten. Verwirrung löste zudem aus, dass S. zwei T-Shirts übereinander trug, von denen er eines nach den Schüssen auszog.

Mitwisser, Videos und Fragen zur Waffe

Hatte David S. Mitwisser?

Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass der 16 Jahre alte Münchner, den S. kurz vor der Tat ans OEZ bestellte, mehr wissen könnte, als er angab. Deshalb hat sie Haftbefehl beantragt, über den das Landgericht entscheidet. Derzeit sitzt der 16-Jährige in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung. Zudem tauschte sich David S. mit einem 15-jährigen Ludwigsburger aus. Bei ihm fand die Polizei Pläne und Waffen für einen Anschlag. Er wird aber momentan nicht als Mitwisser eingestuft.

Welche Rolle spielt das Video vom Streit des Attentäters mit einem Anwohner?

Das Video half bei der raschen Identifizierung des Täters. Ein Bürger erstattete Anzeige gegen den schimpfenden Anwohner, weil dieser den Attentäter provoziert habe. Fakt ist, dass der Streit nach dem Amoklauf stattfand und dass der Anwohner laut Psychologen eventuell sogar Schlimmeres verhindert hat. David S. hatte noch Munition für 300 Schüsse.

Woher hatte David S. die Waffe?

Er hat im Darknet nach einer Waffe Ausschau gehalten. Ob der Kauf dort zustande kam, "das können wir noch nicht sagen", so Waldinger. Die Glock 17 wurde vom österreichischen Hersteller in die Slowakei geliefert. "Wir haben ein Rechtshilfeersuchen an die Slowakei gestellt", sagt Steinkraus-Koch. Bei Besuchen in Iran soll S. bei Sportschützen das Schießen geübt haben.

Was tat David S. in den zwei Stunden nach der Tat?

Zwei Mantrailer-Hunde der Polizei wurden unabhängig voneinander auf die Spur des Attentäters gesetzt. Beide liefen vom Schnellrestaurant über das OEZ in eine Tiefgarage an der Henckystraße. Dort versteckte sich David S. offenbar bis 20.30 Uhr. Als er dann auf die Sackgasse hinausging, wurde er von zwei Zivilpolizisten gestellt und erschoss sich.

Warum wird immer noch ermittelt?

Einige Fragen sind für die Soko noch nicht endgültig geklärt. Die Ermittler wollen ausschließen, dass sich David S. nicht doch bei jemandem versteckte. Deshalb startet sie eine groß angelegte Anwohnerbefragung. Zudem wird im Internet und in Chatrooms weiter recherchiert: Hatte David S. dort zu jemandem Kontakt, der die Tat hätte verhindern können? Woher stammen Waffe und Munition? Die Soko OEZ ist mit 60 Leuten besetzt. "Für diese umfangreichen Ermittlungen sind die auch notwendig", sagt Waldinger.

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