Altstadt:Sendlinger Straße soll komplett zur Fußgängerzone werden

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Noch parken am Straßenrand die Autos: Bald soll die Sendlinger Straße, zunächst für ein Jahr auf Probe, komplett zur Fußgängerzone werden. (Foto: Stephan Rumpf)

München macht ernst mit den Plänen für die Sendlinger Straße. Anwohner wehren sich gegen den Umbau, sie befürchten steigende Mieten und das Ende kleinerer Läden.

Von Alfred Dürr, Altstadt

Viele, die vor kurzem das Auto an der Sendlinger Straße abgestellt hatten, fanden bei der Rückkehr ein Schildchen an der Windschutzscheibe vor. "Dieser Parkplatz fällt ersatzlos weg", stand darauf. Und weiter hieß es: "Gehen Sie in den Bezirksausschuss und bringen Sie Ihre Bedenken vor." Zu sehen waren auch gelbe Flugblätter mit einer ähnlichen Botschaft. Gewarnt wurde vor tiefgreifenden Veränderungen im Straßenraum - mit negativen Auswirkungen auf die Anwohner.

Die Versammlung des Bezirksausschusses Altstadt-Lehel (BA) am Dienstagabend war so gut besucht wie schon lange nicht mehr, die meisten Bürger kamen aus der Sendlinger Straße. Auch Bettina Rexer wohnt dort. Sie hielt eine engagierte Rede. Genau 91 Parkplätze werde es künftig nicht mehr geben, sagte sie. Wer darauf angewiesen sei, mit dem Auto eine Arztpraxis anzusteuern, werde das nicht mehr tun können. Der Lieferverkehr konzentriere sich bald auf die Morgen- und Abendstunden - und dann gehe es sehr laut zu.

Gefährlich für Schulkinder

Aber nicht nur das: Für die Kinder, die auf dem Weg zur Schule seien, würde es wegen der vielen kreuz und quer rangierenden Lastwagen zu gefährlichen Situationen kommen. Und schließlich seien deutliche Mietsteigerungen zu befürchten. Man müsse sich Sorgen machen, ob vor allem die kleineren Läden dann überhaupt noch weiter existieren könnten.

Der Grund der Aufregung: Die Stadt will jetzt ernst machen mit dem kompletten Ausbau der Sendlinger Straße zur Fußgängerzone. Seit drei Jahren gibt es schon die Flaniermeile im Abschnitt zwischen Färbergraben und Hackenstraße. Demnächst soll der Stadtrat beschließen, dass die Autos auch bis zum Sendlinger Tor aus der Straße verbannt werden. Große bauliche Veränderungen wird es deswegen allerdings noch nicht geben; geplant ist ein Testprovisorium für die Dauer eines Jahres. Noch heuer soll dieser Versuchsbetrieb starten. Der Stadtrat wird anschließend entscheiden, ob das Experiment mit der neuen Fußgängerzone geklappt hat.

Gutes Beispiel: Zwischen dem Färbergraben (im Vordergrund) und der Hackenstraße gibt es die Flaniermeile nunmehr schon seit drei Jahren. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Kritik der Anwohner müsse in die Beschlussvorlage für den Stadtrat einfließen, forderte Jürgen-Peter Pinck (SPD). Aber man sollte erst die Argumente und Vorschläge der Verwaltung zur Ausweitung der Fußgängerzone kennen, bevor man als Bürgergremium eine Stellungnahme abgebe. Stefan Blum (CSU) und Christian-Georg Siebke (FDP) war das zu wenig, der BA habe eine klare Position zu beziehen. "Wir lehnen weitere Fußgängerzonen in der Innenstadt ab", sagte Blum unter starkem Beifall des Publikums. Die kleinen Geschäfte seien einem starken Verdrängungswettbewerb ausgesetzt. Norbert Weigler (Grüne) warnte davor, jetzt Schaufensterreden zu halten: "Wir brauchen erst die Details der Verwaltung."

Die Umwandlung der Sendlinger Straße in eine Fußgängerzone war immer umstritten. Lange Zeit hatten sich die Geschäftsleute vehement dagegen gewehrt, dass ihre Läden nicht mehr mit dem Auto erreichbar seien. Das hat sich inzwischen geändert. Kürzlich habe eine Informationsveranstaltung mit den Gewerbetreibenden stattgefunden, berichtet Wolfgang Fischer vom Interessensverband City Partner: "Alle waren für die Fußgängerzone." Schon vorher habe man eine Umfrage gemacht, die eine hohe Zustimmung gezeigt habe.

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Beeindruckt vom Auftritt der Bürger

Fischer befürchtet nicht, dass künftig Filialen großer Firmenketten in diesen Teil der Straße einziehen werden: "Das gibt die kleinteilige Struktur der Häuser und Ladenzonen nicht her." Die Straße biete hier, etwa auch mit der Asamkirche, eine beachtliche städtebauliche Qualität. Wenn man auch gute Gastronomie biete, hielten sich die Menschen dort gern auf: "Sie verweilen und hasten nicht einfach nur zum U-Bahnhof." Für die zentrale Fußgängerzone an der Kaufinger und Neuhauser Straße sei eine Entlastung möglich.

Der planungspolitische Sprecher der SPD im BA, Wolfgang Püschel, war beeindruckt vom Auftritt der Bürger: "Es geht nicht nur um die Interessen der Geschäftsleute, wir müssen die Anliegen der Bürger ernst nehmen und ihre Argumente gründlich diskutieren." Die Situation im bestehenden Teil der Fußgängerzone zwischen Färbergraben und Hackenstraße sei eine andere. Dort gebe es große Geschäfte und Büros. Im Abschnitt bis zum Sendlinger Tor sei der Wohnanteil sehr hoch: "Die Mieter müssen die Folgen einer Fußgängerzone ausbaden. Die Besitzer der Geschäfte sind keine Anwohner und haben eine andere Sicht auf die Dinge."

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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