Altstadt:Abgeklemmt vom Herzen der Stadt

Das Konzept des Planungsreferats, den Marienplatz künftig für Busse, Taxis und Radfahrer zu sperren, stößt bei Stadtteilpolitikern, den Standbetreibern am Viktualienmarkt und Umweltschützern auf große Bedenken

Von Anita Naujokat, Altstadt

Die Grünen wollen beide Radrouten, die FDP hatte noch viele Fragen, die SPD große Einwände, die Rikschafahrer wollen auf keinen Fall weichen, und die Standbetreiber des Viktualienmarkts fühlen sich im wahrsten Sinn des Wortes überfahren: Das Konzept des Planungsreferats, Busse, Taxis und Radfahrer künftig vom Marienplatz zu verbannen, stößt im Bezirksausschuss (BA) Altstadt-Lehel und bei Bürgern auf Vorbehalte bis hin zur Ablehnung. Einzig die CSU lobte es in der Sondersitzung des BAs als Verbesserung für die Fußgänger, wenngleich Paul Pongratz einräumte, dass noch einiges auszutüfteln und auszuarbeiten sei. Kopfschütteln über die Sterilität der Fußgängerzone lösten auch die Nachher-Bilder im "Handout" des Planungsreferats aus.

Die Verbesserungen seien ja unbestritten und nur zu befürworten, hub Grünen-Sprecher Norbert Weigler an, doch dann ließ er die großen "Aber" folgen. Werde die Fußgängerzone ausgeweitet, könne niemand mehr "in das Herz der Stadt fahren", sagte er. Er sehe es genau anders herum als die Planer: Im Verkehr sei Integration wichtiger als eine Ausgrenzung von Radlern. Zudem werde die "Kustermann-Route" entlang des Viktualienmarkts eine "riesige Stauzone" werden, wenn Tausende Radler von der Sparkassenstraße auf Passanten, Busse, Taxen und Lieferverkehr träfen.

Petra Wurdack, im Planungsreferat für innerstädtische Verkehrsführungen zuständig, bestritt eine Ausgrenzung von Radlern. Wer den Marienplatz als Ziel habe, könne immer noch von allen Seiten auf ihn zufahren. Auch vom Norden, nur dass dann an der Dienerstraße Schluss sei. Radler aus der Residenzstraße müssen dann entweder ihr Rad am Marienhof abstellen oder schieben.

Für alle, die die Altstadt nur queren wollen, ist eine neue Hauptroute geplant: Sie führt vom Odeonsplatz am Hofgarten vorbei, durch die Alfons-Goppel-Straße über die Maximilian- und Falkenturm- in die Sparkassenstraße und am Viktualienmarkt entlang zum Rindermarkt. Für diese Trasse ist das Planungsreferat auch bereit, die noch einzig erhaltene und unter Denkmalschutz stehende historische Pflasterstruktur der Alfons-Goppel-Straße zu opfern. Die Denkmalschützer wären damit einverstanden, das Straßenprofil nurmehr "dokumentarisch zu erhalten", wenn im Gegenzug der Max-Joseph-Platz vor dem Nationaltheater eine Aufwertung erführe, sagte Petra Wurdack.

Unfallzahlen aus der bisherigen Situation gebe es nicht. Robert Neuner aus dem Kreisverwaltungsreferat begründete das damit, dass viele Fußgänger Unfälle vermieden, weil sie vor den Radlern zurückwichen. Erhebungen über Fußgängerströme zum Viktualienmarkt hat das Planungsreferat auch nicht angestellt. Laut Christian Müller, der dort seit 18 Jahren seinen Stand hat, besuchen an Spitzentagen bis zu 35 000 Menschen den Markt. Im Schnitt seien das 5000 pro Stunde, die vor allem aus der Richtung des Alten Rathauses herüberkämen. Die Situation sei jetzt schon angespannt. "Ich glaube, dass der Viktualienmarkt genauso eine Entlastung verdient wie der Marienplatz", empörte sich Elke C. Fett. Sie ist nicht nur Vorstandsvorsitzende der Interessengemeinschaft der Marktleute, sondern auch Anwohnerin. "Wir sind ebenso das Herz der Stadt wie der Marienplatz."

Andrea Bachmaier (Grüne) brachte das Konzept für sich so auf den Punkt: "Die neue Trasse bringt alles komplett und verdichtet an den Viktualienmarkt." Sie und ihr Fraktionskollege Philippe Louis schlugen vor, die jetzige Route mit beizubehalten. Elke Elzer, frühere Behindertenbeauftragte im BA, und eine andere Bürgerin sehen den größten Schwachpunkt im "Nadelöhr" am Tor in den Hofgarten. Dort kämen sich schon heute alle in die Quere. Charlotte Böhmler (parteifrei) wollte wissen, wie man die Radler dazu bringen wolle, nicht einfach auf dem Odeonsplatz weiterzufahren. Das sei bautechnisch zu lösen, antwortete Petra Wurdack aus dem Planungsreferat.

Auch für den Marienplatz schwant Elke Elzer nichts Gutes: "Sie können ihn auch gleich totmachen", warnte sie. "Das ist eine Planung für die Touristen und die Freizeitgesellschaft, aber nicht für die Bürger." Er verstehe das ganze Grundkonzept, dass die Radler plötzlich stören, nicht, sagte ein Mann. Am Harras habe die Stadt genau das Gegenteil gemacht, und es funktioniere. "Wenn ich Radlhauptstadt sein will, kann ich Radlern nicht den Fuß in den Weg stellen." Wolfgang Püschel (SPD) regte an, noch einmal alles zu überdenken.

Dominic Staat, Geschäftsführer der "Pedalhelden", die sich mittlerweile als unterschätzte Dienstleister wahrnehmen, prognostizierte mehr Konfliktherde als heute. Er kündigte bereits Widerstand an, sollten die Rikschas auch ausgesperrt werden. Diese beförderten immerhin bis zu 300 000 Menschen im Jahr, wie am Rand der Sitzung zu hören war, darunter viele Ältere und Behinderte auch nur für kurze Wege. Auch der Bund Naturschutz sieht die Planung kritisch und fordert die Einrichtung einer Mischzone. "Anstatt die Gefahrenpunkte ins Tal zu verlagern, muss sich der Stadtrat konstruktiv mit den widerstreitenden Interessen auseinandersetzen", heißt es in einer Pressemitteilung.

Die Äußerungen, Bedenken und Vorbehalte will der Bezirksausschuss in seine Stellungnahme an den Stadtrat einbringen. Der wird voraussichtlich am 11. November über das Konzept entscheiden.

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