Luise-Kiesselbach-Platz:Altenheim St. Josef ist 90 Jahre alt

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Gefeiert werden 90 Jahre Ausstellung. (Foto: Catherina Hess)
  • Der Bau des Altenheims St. Josef geht auf einen Beschluss aus dem Jahr 1924 zurück, 1928 konnte das Haus eröffnet werden.
  • Die Nazi-Machthaber veränderten das Altenheim, richteten zum Beispiel einen Gedächtnisraum für Albert Leo Schlageter ein.
  • Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde St. Josef renoviert und vergrößert.

Von Berthold Neff, Sendling-Westpark

Auch Altenheime kommen in die Jahre: Das Haus St. Josef am Luise-Kiesselbach-Platz feiert in diesem Jahr schon seinen 90. Geburtstag. Eingeleitet wurde das Jubiläum von Bürgermeisterin Christine Strobl, die am Samstag vergangener Woche nicht nur das Sommerfest für die Bewohner und Gäste, sondern auch die große Ausstellung zur Geschichte des Hauses eröffnete, das heute zur Münchenstift GmbH gehört, die alle städtischen Altenheime betreibt. Bei der Feier servierte Altenheim-Chef Predag Savic mehr als 1400 Essen.

Der Beschluss, ein Altenheim für bis zu 650 Bewohner zu errichten, fiel im Münchner Rathaus am 19. Februar 1924 - einstimmig. Es sollte nicht nur als Ersatz für das Josephspital, das Herzog-Wilhelm-Pensionat und das Kreuzspital dienen, sondern auch mehr Plätze als diese bieten, deren Anfänge auf den bayerischen Kurfürsten Maximilian I. zurückgehen. Dieser hatte am 30. Juni 1626 mit 260 000 Gulden die Josephspitalstiftung ins Leben gerufen.

Die charakterischen Zwiebeltürme wurden St. Josef 1926 aufgesetzt. (Foto: Catherina Hess)

Diese spielte auch 300 Jahre später noch eine Rolle. Die Stadt kaufte den Grund des Josephspitals für 1,1 Millionen Mark, was immerhin einen Teil der Baukosten sicherte. Insgesamt kostete der Neubau die stolze Summe von 5,36 Millionen Mark. Der erste Spatenstich für den damals größten Hochbau Bayerns erfolgte am 24. August 1925, und man arbeitete schnell. Bereits im Mai 1926 konnte man den Dachstuhl montieren. Gearbeitet wurde nach den Plänen von Hans Grässel, der nicht nur das Stadtarchiv und die Hauptgebäude von Ost- und Nordfriedhof geplant hat, sondern auch den Waldfriedhof anlegen ließ. Grässel setzte von Anfang an auf viele Zweibettzimmer und plante für das Seelenheil der Bewohner nicht nur eine katholische Kirche mit zwei Zwiebeltürmen, sondern auch einen evangelischen Gebetssaal. Im Garten entstand ein Waschhaus und ein Ökonomiebau mit Platz für 20 Kühe, zwei Pferde und zwei Ochsen, 50 Schweine und 100 Hühner, die ihren Beitrag zur Versorgung der Küche leisteten.

Nach einer Bauzeit von weniger als drei Jahren war es dann soweit: Die Stadt konnte für den 16. April 1928, noch rechtzeitig vor Beginn der Weltwirtschaftskrise, zur Eröffnungsfeier laden. Hans Grässel zeigte sich von seinem Kind recht angetan: "Keine Stadt Deutschlands soll einen ähnlichen Bau errichten können, ohne dass man diesen Münchener Bau als vorbildliche Lösung gesehen hat", sagte er in seiner Eröffnungsrede. Auch die Presse übertraf sich im Lob, sprach von dem "größten jemals von der Stadt geschaffenen Gebäude" und würdigte die Anstaltsküche als "Wunder einer modernen Großküche". Die Münchner Neuesten Nachrichten konstatierten: "München darf stolz sein auf diesen Bau, der von großer sozialer Bedeutung ist."

Dann aber kamen, in der "Hauptstadt der Bewegung", jene Kräfte an die Macht, für die das Soziale nur noch im neuen Begriff "Nationalsozialismus" existierte. 1933, im Jahr der Machtergreifung, lebten in St. Josef fast 700 Bewohner. Sie merkten bald, welcher Wind nun wehen sollte, denn es wurde ein Hitler-Bild aufgehängt, für dessen Ankauf der Stadtrat 200 Reichsmark bewilligte. Die Nazis hatten vor, auch die Altersfürsorge gleichzuschalten. Beabsichtigt war, die Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, die in St. Josef für die Versorgung und Pflege zuständig waren, durch die "Braunen Schwestern" zu ersetzen, was aber wegen Personalmangels unterblieb.

Ansonsten aber änderte sich einiges im Haus. Es wurde ein Gedächtnisraum für Albert Leo Schlageter eingerichtet, den die Nazis als "Vorbild an Vaterlandsliebe und Opferbereitschaft" stilisierten, weil er 1923 bei der Ruhrbesetzung Anschläge auf den französischen Nachschub ausgeführt hatte und dafür standrechtlich erschossen wurde. Der Gedenkraum wurde bei der NS-Veranstaltung "Das Junge Deutschland ehrt das Alter" eröffnet.

Bei diesem "Blumentag" taten die Machthaber so, als habe ihr "neuer Staat" es erst ermöglicht, die alten Menschen würdig unterzubringen. Die Wirklichkeit sah anders aus: Das Regime verschärfte den Strafenkatalog, man musste mit weniger Urlaub, kleineren Tabak- und Kaffeerationen und Ausgehverboten rechnen oder gar damit, in eine erzieherische oder psychiatrische Anstalt gebracht zu werden. "Die vermeintliche Aufwertung des Alters durch den Nationalsozialismus, die auf Veranstaltungen wie dem Blumentag inszeniert wurde, fand somit nur auf der Propagandaebene statt", schreiben Dominik Aufleger und Korbinian Engelmann in der Festschrift "90 Jahre Haus St. Josef"

Neun Jahre nach dem "Blumentag" fielen Bomben aus dem Himmel. In der Nacht vom 6. auf den 7. September 1943 wurde das Haus von drei Sprengbomben getroffen. Weil das Gebäude wegen seiner Größe den Bomberpiloten als Navigationshilfe diente, hatte man es dunkel gestrichen, um es zu tarnen. Geholfen hat es wenig.

Renovierung und lange Wartelisten

Nach dem Krieg wurde St. Josef nach und nach renoviert, es kamen neue Zimmer hinzu, Ende 1951 waren 800 Frauen und Männer untergebracht, im "modernsten Altersheim" Münchens, wie die Abendzeitung schrieb. Weil die Wartelisten lang waren, baute man das Waschhaus zu einem Wohnhaus um. Später eröffnete dort das "Spastiker-Zentrum" für 25 Kinder mit körperlicher Behinderung. Daraus entwickelte sich das "Integrationszentrum für Cerebralparesen" (ICP), das 2004 in einem Neubau neben dem Altenheim eröffnete.

Das Altenheim selbst wurde in den 1970er-Jahren von Grund auf saniert, in mehreren Abschnitten ließ sich die Stadt diesen Umbau fast 80 Millionen Euro kosten. 1996 wurde das Haus von der neu gegründeten Münchenstift GmbH übernommen. Es wurde weiter investiert, es entstanden Wohnbereiche, in denen sich die Senioren zum Kochen treffen konnten, 2017 wurde erstmals ein Wohnbereich für Tagesgäste eingerichtet. Seit dem Bau des Südwest-Tunnels ist der Verkehr draußen weniger geworden, und auch der Luise-Kiesselbach-Platz wird immer grüner. Aber wie das so ist, wenn man ein solches Alter erreicht hat: Die nächste Generalsanierung steht an, Münchenstift-Chef Siegfried Benker hat die Planungen bereits eingeleitet.

Die Ausstellung ist täglich bis voraussichtlich Ende Juli zu besichtigen. Die Rezeption ist von 8 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Durch den Eingangsbereich kommt man zur Ausstellung zur Geschichte des Hauses. (Foto: Catherina Hess)
© SZ vom 25.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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