Alltag einer Tagesmutter:Bullerbü in Daglfing

Hasen, Schafe, Ziegen, einen Teich mit Fröschen, einen Fuhrpark mit Minibulldog und Dreirädern: Wie Christine Bucher die Betreuung von vier Kleinkindern bewältigt.

Anne Goebel

Was Christine Bucher an ihrem Beruf mag, kann man von draußen sehen. "Vorsicht, lebendige Kinder" steht auf dem gelben Schild an der Garagentür. Es zeigt ein Smiley-Gesicht und einen Blitz, der darauf hindeuten soll, dass es unter lebendigen Kindern auch mal Spannungen gibt. Und dass die für Nachbarn auch mal hörbar sind.

Alltag einer Tagesmutter: "Die Kinder dürfen das, was ich auch durfte" - die Tagesmutter Christine Bucher.

"Die Kinder dürfen das, was ich auch durfte" - die Tagesmutter Christine Bucher.

(Foto: Foto: SZ / Hess)

"Wir haben hier keine Probleme", sagt die Tagesmutter Christine Bucher zur Begrüßung. Sie hat den siebenmonatigen Jonas auf dem Arm, in der Bobbycar-Garage sondieren Yanik und Oliver den Bestand, und eben kommt der Vater von Paulina, um seine Tochter abzugeben.

"Ciao Schatz, viel Spaß", sagt er. Paulina, im rosa Sommerdress, trabt Richtung Terrasse. "So, jetzt geht keiner mehr ab", sagt Christine Bucher. Sie sieht aus wie jemand, der sich auf seinen Arbeitstag freut. Trotzdem hat das gelbe Schild mit der ironischen Warnung vor kindlichen Lebenszeichen auch damit zu tun, wie sie sich fühlt in ihrem Beruf.

Himbeerbüsche, unter denen man sich satt essen kann

Daglfing, Am Eicherberg 13, halb neun Uhr früh: Christine Bucher hat die Trinkbecher mit Tiersymbolen und Strohhalmen bereitgestellt, ein Handtuch für später, wenn die Kinder im Zuber baden - ansonsten: keine besonderen Vorkehrungen.

"Ich mache das seit 23 Jahren, da hast einfach eine Ruhe", sagt die gelernte Kinderpflegerin. Jonas, das "Tragkind", hat sie auf dem Arm, die drei Zweijährigen sind hinten beim Holzhaus neben dem Gehege. Die Ruhe hat Christine Bucher auch deshalb, weil ihr Garten so etwas wie ein Paradies ist.

Es gibt Hasen, Schafe, Ziegen, einen Teich mit Fröschen, einen Fuhrpark mit Minibulldog und Dreirädern, es gibt Schaukeln aus Autoreifen und Himbeerbüsche, unter denen man sich satt essen kann.

Bullerbü in München, Barfußlaufen inklusive - kein Wunder, dass Paulina, Yanik und Oliver nur ab und zu am Verandatisch bei der Tagesmutter vorbeischauen, die sie "Mama" nennen oder "Tine". Um Apfelstücke abzuholen oder eine winzige Wunde am Zeh zu präsentieren, die dann nicht weiter der Rede wert ist.

Mit Getier und Natur

"Laufen lassen", sagt Christine Bucher auf die Frage, wie sie den Alltag bewältigt mit drei Kleinkindern. "Die dürfen alles, was ich früher durfte" - wobei sie das Gelände immer im Blick hat.

Christine Bucher durfte ziemlich viel, sie ist auf dem Hof nebenan aufgewachsen mit Getier und Natur. Als sie Kinder bekam, keine Spielkameraden in der Nähe lebten, ein Job als Kinderpflegerin schwer zu kriegen war, "haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und Kinder ins Haus geholt."

Bullerbü in Daglfing

Seitdem ist die 47-Jährige Tagesmutter, maximal fünf Kinder hat sie täglich in ihrer Obhut, die meisten bleiben zweieinhalb Jahre bei ihr - wie Jonas, der eingenickt ist im Buggy und auf seinen "Schlafplatz" geschoben wird unter der Buche. Er wird vier Tage in der Woche bei ihr aufwachsen, bis zum Kindergarten.

Gehversuche, während die echte Mama im Büro sitzt

Früher, erzählt Christine Bucher, während sie in der Küche die Soße für die Nudeln macht, "habe ich die Kinder fünf Tage gehabt". Inzwischen nimmt sie den Freitag für sich, um Besorgungen zu machen, Großeinkäufe, oder um mit "neuen" Eltern Vorgespräche zu führen.

Es ist halb zwölf mittlerweile, Paulina, Yanik, Oliver begleiten das Pastakochen mit prasselndem Spielkiste-Ausleeren. "Tine" behält die Ruhe, schneidet Schinken und erzählt, während das Trio löffelt, dass manche Mütter traurig seien, wenn der Kleine den ersten Gehversuch bei der Pflegemutter macht, während sie selbst im Büro sitzen müssen.

"Andererseits wissen sie, dass die Kinder gut aufgehoben sind." Über das "Mama" zur Pflegemutter seien viele erschrocken, "aber ich erklär' ihnen, dass das doch bloß ein Wort ist."

Tagesmutter-Diplom als Auflage

Nachmittags wird zwei Stunden geschlafen oben im Pflegekinderzimmer auf bunten Matratzen. Christine Bucher sagt: "Es ist die Kinderliebe, warum ich das mache." Der Job halte sie jung, "wann kannst du als Erwachsener schon richtig kindisch sein?"

So wie später, kurz bevor die Eltern kommen, bei der Wasserschlacht am Teich. Mehr Anerkennung ihres Berufs fände sie schön. Immerhin gelte neuderings die Auflage, ein Tagesmutter-Diplom zu machen.

Andererseits gebe es Leute, die sagen: Hat die sonst nichts zu tun? Irgendwie habe das auch mit dem Bild von Kindern hierzulande zu tun, findet Christine Bucher. Neulich sei eine Kollegin mit fünf Tageskindern beim Einkaufen gewesen. Eine Frau sagte: "Schau's an, das Gschwerl, nichts als Kinder in die Welt setzen."

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