Afghanistan-Abschiebung:Viel Gewalt, wenig Humanität

Nach der Eskalation an einer Nürnberger Berufsschule hadern SZ-Leser mit der Abschiebepraxis im Freistaat, ein anderer sieht die Polizei im Fokus

"Abschiebeversuch löst Tumulte aus" (1. Juni), "Herrmann rechtfertig Einsatz" und "SPD und Grüne regen sich auf" (2. Juni):

Christliches Weltbild?

"Linksautonome" verantwortlich zu machen für die Notwendigkeit eines Polizeieinsatzes - das erinnert an finsterste 1970er und 1980er Zeiten. Vielleicht sollte man den Innenminister einmal fragen, auf der Grundlage welchen Weltbildes er tätig wurde. Dass die Polizisten nicht entgegen den Anweisungen handeln konnten, unterstelle ich als gegeben. Mein erster Gedanke nach dem Anschlag auf die Deutsche Botschaft in Kabul war allerdings: Da wird man doch hoffentlich nicht weitere Asylbewerber nach Afghanistan als "sicheres" Herkunftsland zurückschicken? Es ist absolut verrückt, was sich da momentan abspielt. Ruth Maria Wissmann, Erlangen

Polizei im Fokus

Die Berichterstattung vom Abschiebeeinsatz an der Nürnberger Berufsschule wirft Fragen auf: Wie konnte man diese Eskalation erlauben? Ist die Polizei dermaßen rechthaberisch und machtvollkommen? Bekommen die Beamten keine psychologische Schulung? In Friedenzeiten hat die Polizei von Rechts wegen das Gewaltmonopol inne. Als Vertrauensbeauftragte des demokratischen Rechtsstaates hat die Einsatzleitung das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Zudem haben Polizeibeamte eine professionelle Schulung durchlaufen. Daher sollte man von ihnen erwarten dürfen, dass sie kühlen Kopf bewahren und Gewalt nur in minimalen Dosen einsetzen, anstatt unkontrolliert auf Demonstranten einzudreschen und die Gewaltspirale anzukurbeln (wie es die Fernsehbilder nahelegen). Daher steht das Polizeipräsidium Mittelfranken nunmehr in der Verpflichtung, das Verhalten der eigenen Mitarbeiter polizeilich zu untersuchen. Michael Neiß, Berlin

Gewaltiges Missverständnis

Furchtbarer Anschlag in der Nähe der Deutschen Botschaft in Kabul, Abschiebungen werden ausgesetzt. Nein, nein, nicht aus humanitären Gründen, sondern weil der Verwaltungsapparat in der Botschaft durch den Anschlag gestört ist. Es wird weiter abgeschoben, stellt unser Innenminister klar. Nun ja, zumindest die bayerische Staatsregierung und die AfD mit ihren Anhängern werden zufrieden sein.

In Nürnberg holte man einen 20 Jahre alten Afghanen aus der Berufsschule, um ihn abzuschieben. Mitschüler versuchen spontan, dies zu verhindern, es kommt zu schweren Tumulten. Die Polizei setzt mit "Trennstöcken", Pfefferspray und Hunden die amtliche Anordnung durch. Den Schülern hat man sicherlich im Unterrichtsfach Sozialkunde mal beigebracht, dass eine Demokratie vom Einmischen und von Zivilcourage lebt. Aber irgendjemand hat da wohl etwas falsch verstanden. Die Schüler? Die Polizei? Oder die Verfasser des Lehrplans? Ich bin ratlos. Irgendwie passt das alles nicht zusammen, weder zu unserer christlich-abendländischen Kultur, noch zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Berthold Tischbein, Uhldingen-Mühlhofen

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