Ärzte-Streik in München:Behandlung nur im Notfall

Die Ärzte an den städtischen Kliniken bereiten sich auf einen Streik vor. Sie fordern fünf Prozent mehr Lohn und mehr Geld für Nacht- und Bereitschaftsdienste. Konkrete Streikpläne gibt es noch nicht.

S. Handel

Für bessere Bezahlung und mehr Anerkennung ihrer Arbeit wollen die Ärzte an den Kliniken der Stadt auf die Straße gehen: Der Marburger Bund (MB), die Interessensvertretung der angestellten Ärzte, hat die Tarifverhandlungen mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) für gescheitert erklärt und ruft zur Urabstimmung über einen Streik auf. "Die Streikbereitschaft ist absolut hoch", sagt eine MB-Sprecherin.

Der Marburger Bund hatte am 8. April in Berlin die Verhandlungen mit den kommunalen Arbeitgebern abgebrochen. Diese hatten bis dahin eine Gehaltserhöhung von 2,9 Prozent in zwei Stufen bei einer Laufzeit von 33 Monaten angeboten.

Die Ärzte halten jedoch eine lineare Erhöhung um fünf Prozent für "wirtschaftlich vertretbar und tarifpolitisch geboten". Sie rechnen vor, dass das Angebot der VKA, auf die lange Laufzeit gerechnet, eine jährliche Gehaltserhöhung von nicht einmal einem Prozent ausmacht. Derzeit verdient ein Berufsanfänger in den kommunalen Krankenhäusern rund 3400 Euro brutto.

1200 Arztstellen gibt es an den fünf städtischen Kliniken Münchens - den Krankenhäusern in Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach und Schwabing sowie der kleinen dermatologischen Klinik an der Thalkirchner Straße. Dort stehen insgesamt 3356 Betten zur Verfügung, 131.663 Patienten wurden im Jahr 2008 stationär behandelt, 13.263 teilstationär.

Der Marburger Bund sagt, dass er rund 70 Prozent der Ärzte vertritt. Konkrete Streikpläne gibt es bisher noch nicht, doch MB-Sprecherin Vanessa Schmidt erklärt, dass München auf jeden Fall "massiv betroffen" sein werde. Die Patientenversorgung soll jedoch nicht gefährdet sein - wie schon beim letzten Streik 2006 sollen Notfallpläne aufgestellt werden: "Das wäre dann so etwas wie eine Wochenendbesetzung", sagt Schmidt.

Die Versorgung von Akut-Fällen würde sichergestellt, nur planbare Behandlungen wie zum Beispiel Hüftoperationen müssten verschoben werden. Die Ärzte wollen auch nicht nur mit Trillerpfeifen vor ihren Häusern stehen; es könnte ähnliche Aktionen wie vor vier Jahren geben. Damals konnten sich Bürger unter anderem kostenlos den Blutdruck messen lassen.

"Geringe Wertschätzung der Nachtarbeit"

Die städtischen Kliniken geben sich angesichts des drohenden Streiks gelassen. "Es ist klar, dass man sich darauf einstellt", sagt Sprecherin Ina Herzke, "und verantwortungsvoll damit umgeht." Beim letzten Streik habe sich aber gezeigt, dass Absprachen möglich seien, die dann auch von beiden Seiten eingehalten werden.

Zum wirtschaftlichen Aspekt eventueller Tariferhöhungen wollte sich Herzke nicht äußern; die Arbeitgeber glauben nämlich, Zeichen entdeckt zu haben, dass der Marburger Bund von seiner Fünf-Prozent-Forderung abrückt und doch wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrt.

Die Fünf-Prozent-Erhöhung sei nicht unbedingt das wichtigste Verhandlungsziel, sagt MB-Sprecherin Schmidt. Vielmehr gehe es auch um die Vergütung der Nacht- und Bereitschaftsdienste. Und die funktioniert in der Tat nach einem etwas merkwürdigen Schema: Die Arbeit in der Nacht wird dem Arzt auf seinem Zeitkonto gutgeschrieben - jedoch nicht zu 100 Prozent, sondern je nach Klinik zwischen 65 und 90 Prozent.

Das heißt: In der Nacht arbeitet der Arzt für weniger Geld als tagsüber. Begründet wird das damit, dass er ja nachts auch längere Ruhezeiten habe und nur zum Einsatz müsse, wenn etwas passiert sei.

MB-Sprecherin Vanessa Schmidt räumt ein, dass ihr Verband, als diese Regelung tarifvertraglich vereinbart wurde, "den Fehler nicht durchblickt" habe. Nun aber seien die Ärzte "wirklich wütend" über die ihrer Meinung nach "geringe Wertschätzung der Nachtarbeit".

Diese Wut soll nun ihren Niederschlag in der Urabstimmung über den Streik finden. Dort sind 75 Prozent Zustimmung erforderlich, damit der Streik ausgerufen werden kann. So könnte der Ausstand auch in München etwa Mitte Mai beginnen. Zwar schränkt Vanessa Schmidt ein: "Die Ärzte wollen nicht mit Krawall auf die Straße ziehen, sie wollen ihren Job machen." Angesichts der offenbar verfahrenen Verhandlungssituation meint sie jedoch auch: "Der Streik, der kann sich hinziehen."

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