Ärger wegen Freischankflächen:Wirte fühlen sich von der Stadt schikaniert

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Wirte, die vor ihrem Lokal Kneipentische aufstellen wollen, müssen penible Vorschriften einhalten. Das sorgt für jede Menge Ärger bei den Gastronomen. Zwei Wirte, die ihre Bänke entfernen sollen, klagen nun vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.

Dominik Hutter und Laura Martin

Die alte Couch der Oma vor die Tür stellen, das würde Florian Gleibs nicht machen. Stattdessen hat er in vier stilvolle Holzbänke investiert, farblich passend zu den Markisen vor dem jüdischen Restaurant Schmock in der Augustenstraße. Gleibs hat sie mit einem Architekten auf den Zentimeter genau an die denkmalgeschützte Hauswand angepasst, 3000 Euro hat ihn das pro Bank gekostet.

Münchens Wirte ärgern sich über penible Regelungen für Freischankflächen. (Foto: Florian Peljak)

Nur: Bänke sind auf Münchner Bürgersteigen verboten - Gleibs muss sie wegräumen. "Die Stadt häuft Sand auf den Geschwister-Scholl-Platz, um cool zu sein, aber extra angepasste Bänke sind nicht erlaubt", ärgert sich der Restaurant-Inhaber. "Jetzt zahle ich auch noch dafür, um die Bänke zu entsorgen."

Auf Münchens Gehwegen darf eben nicht jeder machen, was er will - das bekommen die Wirte immer wieder zu spüren. Etwa 50 Bezirksinspektoren des Kreisverwaltungsreferats (KVR) streifen tagtäglich durch die Straßen und achten darauf, dass die Richtlinien eingehalten werden, die der Stadtrat für Kneipentische und -stühle auf Gehwegen erlassen hat.

Und das sind nicht gerade wenige. "Es darf nicht den Anschein haben, als handle es sich um einen Teil der Gaststätte", erklärt KVR-Sprecher Klaus Kirchmann das Grundprinzip. Sprich: Die Freischankfläche, und um eine solche handelt es sich im Behördendeutsch, soll wie ein Gast auf dem öffentlichen Gehweg wirken. Nicht wie der Eigentümer. Und muss entsprechend provisorisch aussehen - "temporär", sagt Kirchmann.

Um das zu gewährleisten, hat die Behörde einen umfangreichen Katalog an Vorschriften erarbeitet. Das Bank-Verbot, gegen das derzeit zwei Münchner Wirte vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof klagen, ist nur eine davon - neben exakten Vorgaben für Abstände (mindestens 1,60 Meter bis zum Bordstein), Pflanzkübel (müssen punktförmig aufgestellt sein), Tische (keine grellen Farben) oder auch die nächtliche Lagerung des Mobiliars (Stapelhöhe höchstens 1,20 Meter, keine Plastikplanen). Wer nicht mitspielt, wird ermahnt und eventuell zu einem Bußgeld vergattert.

Etwa 100 Wirte hat dies im vergangenen Jahr getroffen. Zu zahlen waren nach KVR-Angaben zumeist rund 200 Euro, in krasseren Fällen dürfen theoretisch auch 1000 Euro verlangt werden. Oder aber man versagt dem Wirt das nächste Sommergeschäft. Denn Freischankflächen müssen jedes Jahr neu angemeldet und genehmigt werden. Im Extremfall könnte man sogar Zweifel an der Zuverlässigkeit des Wirts anmelden - was Konsequenzen für die Konzession hätte. Das allerdings, so versichert das KVR, war noch nie notwendig.

Georg Karuth ist mit einem blauen Auge davon gekommen. Der Inhaber des Cafés Kaiser Otto im Glockenbachviertel hatte einfache Bänke vor seinem Lokal stehen, die er durch eine feststehende Bank entlang der Hauswand ersetzen wollte - eine größere Investition. Kurz bevor er den Plan umsetzen wollte, kam das Schreiben vom KVR. Die einfachen Bänke hat Karuth nun weggeräumt und ist froh, das teure Modell nicht gekauft zu haben. Verärgert ist er trotzdem: "Ich zahle jedes Jahr Gebühren für meine Freischankfläche. Da sollte es möglich sein, Bänke aufzustellen."

Auf den folgenden Seiten: 3 Fälle, in denen sich Münchner Wirte über das KVR ärgern.

Florian Gleibs' eigens angefertigte Holzbänke für sein jüdisches Restaurant Schmock dürfen nicht stehen bleiben - für den Besitzer unverständlich. "Ich habe bei dem Imagefilm für die Olympiabewerbung mitgemacht, weil ein jüdisches Restaurant die Vielfältigkeit und Offenheit der Stadt betont. Aber das ist ja alles eine Farce, wenn ich meine Bänke nicht stehen lassen darf! Das ist doch lächerlich."

Restaurant Schmock (Foto: JOHANNES SIMON)

Wenn man schon so weit sei, könne man ja auch gleich die Bänke im Englischen Garten hinterfragen. Die seien nach seinem Geschmack nicht besonders schön. "Und was ist an den Widmungen auf den Parkbänken noch öffentlich? Das ist höchst privat! Das ist doch keine Argumentation."

Der Künstlersalon Irkutsk mit nordrussischem Flair in der Maxvorstadt hat erst vor vier Monaten aufgemacht - und der Besitzer Wanja Belaga hatte sich extra beim KVR über die Freischankregelungen informiert. Zweisitzer seien zwar auch nicht erlaubt, aber durchaus geduldet, hatte ihm ein Beamter gesagt. Der gleiche Beamte schickte Belaga nun aber einen Bescheid, dass die inzwischen gekauften Bänke weggeräumt werden müssen.

"Das ist wie im Kindergarten", ärgert sich der Inhaber. In der Praxis seien Bänke sinnvoller als Stühle, die leicht verschoben werden können und schnell den Bürgersteig versperren. "Widersinnig" nennt Belaga das Verhalten der Stadt.

Gennaro Bussone hat schon seit Jahren Ärger mit den Behörden. Der Italiener in Sendling hat für viel Geld massive Tische und Bänke gekauft, die dem Platz vor der Großmarkthalle das beliebte südliche Flair verleihen. Dass die Bänke, die "schöner, gemütlicher und sauberer" als Stühle seien, dort nicht stehen dürfen, leuchtet ihm nicht ein

"Warum in Biergärten, aber nicht bei uns?" Auch er argumentiert, dass die beschränkte Freifläche mit Bänken besser einzuhalten sei als mit verrückbaren Stühlen. Er sei sogar bereit, ein Schild aufzustellen, um den Eindruck zu vermeiden, es handele sich um Privatfläche. Aufgeben wolle er so schnell nicht: "Ohne die Bänke geht die bayerische Gemütlichkeit verloren."

© SZ vom 05.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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